William Shakespeare

Einfach Shakespeare


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eben wär sein Rat mir Goldes wert:

      Denn überlegt mein Geist schon mit den Sinnen,

      Daß dies ein Irrtum sein kann, doch kein Wahnsinn,

      So übersteigt doch diese Flut von Glück

      In solchem Grade Beispiel und Begriff –

      Ich hätte Lust, den Augen mißzutrauen,

      Und die Vernunft zu schelten, die ein andres

      Mich glauben machen will, als ich sei toll,

      Wo nicht, das Fräulein toll; doch wäre dies

      Sie könnte Haus und Diener nicht regieren,

      Bestellungen besorgen und empfangen,

      Mit solchem stillen, weisen, festen Gang,

      Wie ich doch merke, daß sie tut. Hier steckt

      Ein Trug verborgen.

      (IV, 3)

       Den ärgsten Feind aufs Zärtlichste zu lieben

      Als Romeo und Julia sich zum ersten Mal begegnen, ist Romeo noch in Rosalinde verliebt, die seine Liebe jedoch nicht erwidert. Als er Julia trifft, ist es hingegen von beiden Seiten Liebe auf den ersten Blick. Ihre erste Begegnung findet bei einem Ball statt, zu dem Julias Familie, die Capulets, eingeladen haben, und auf den Romeo und seine Freunde maskiert als ungebetene Gäste eindringen. Das Familienoberhaupt der Capulets toleriert das wohlwollend, obwohl er Romeo als Familienmitglied der Montagues, seiner Todfeinde, erkennt. Julia erfährt von seiner Verwandtschaft erst, nachdem sie sich bereits in ihn verliebt hat. Die Verszeilen der ersten Unterhaltung zwischen Romeo und Julia ergeben zusammen ein Sonett.

      ROMEO

      O, sie nur lehrt den Kerzen, hell zu glühn!

      Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin,

      So hängt die holde Schönheit an den Wangen

      Der Nacht; zu hoch, zu himmlisch dem Verlangen.

      Sie stellt sich unter den Gespielen dar,

      Als weiße Taub’ in einer Krähenschar.

      Schließt sich der Tanz, so nah ich ihr: ein Drücken

      Der zarten Hand soll meine Hand beglücken.

      Liebt’ ich wohl je? Nein, schwör es ab, Gesicht!

      Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht.

      [...]

      Entweihet meine Hand verwegen dich,

      O, Heil’genbild, so will ich’s lieblich büßen.

      Zwei Pilger, neigen meine Lippen sich,

      Den herben Druck im Kusse zu versüßen.

      JULIA

      Nein, Pilger, lege nichts der Hand zu Schulden

      Für ihren sittsam-andachtvollen Gruß.

      Der Heil’gen Rechte darf Berührung dulden,

      Und Hand in Hand ist frommer Waller Kuß.

      ROMEO

      Hat nicht der Heil’ge Lippen wie der Waller?

      JULIA

      Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller.

      ROMEO

      O, so vergönne, teure Heil’ge, nun,

      Daß auch die Lippen wie die Hände tun.

      Voll Inbrunst beten sie zur dir: erhöre,

      Daß Glaube nicht sich in Verzweiflung kehre.

      JULIA

      Du weißt, ein Heil’ger pflegt sich nicht zu regen,

      Auch wenn er eine Bitte zugesteht.

      ROMEO

      So reg dich, Holde, nicht, wie Heil’ge pflegen,

      Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht. Er küßt sie.

      Nun hat dein Mund ihn aller Sünd’ entbunden.

      JULIA

      So hat mein Mund zum Lohn sie für die Gunst?

      ROMEO

      Zum Lohn die Sünd’? O, Vorwurf süß erfunden!

      Gebt sie zurück. Er küßt sie wieder.

      JULIA

      Ihr küßt recht nach der Kunst. [...]

      Geh, frage, wie er heißt. Ist er vermählt,

      So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt. [...]

      So ein’ge Lieb’ aus großem Haß entbrannt!

      Ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt.

      O, Wunderwerk! Ich fühle mich getrieben,

      Den ärgsten Feind aufs Zärtlichste zu lieben.

      (I, 5)

      Nach dem Ball verabschiedet Romeo sich eilig von seinen Freunden und kehrt zu Julias Haus zurück. Von Julia unbemerkt hört er, wie sie ihre Liebe zu ihm offenbart. Es folgt die berühmte »Balkonszene«, die unter dieser Bezeichnung bekannt geworden ist, obwohl Julia nach den Original Regieanweisungen Shakespeares »oben an einem Fenster« (»above at a window«) erscheint. In Verona gibt es heute sogar einen Julia-Balkon, in der Via Capello 23.

      ROMEO

      Doch still, was schimmert durch das Fenster dort?

      Es ist der Ost, und Julia die Sonne!

      Geh auf, du holde Sonn’! Töte den Mond,

      Der neidisch ist und schon vor Grame bleich,

      Daß du viel schöner bist, obwohl ihm dienend.

      O, da er neidisch ist, so dien’ ihm nicht.

      Nur Toren gehn in seiner blassen, kranken

      Vestalentracht einher: wirf du sie ab!

      Sie ist es, meine Göttin! Meine Liebe!

      O, wüßte sie, daß sie es ist!

      Sie spricht, doch sagt sie nichts: was schadet das?

      Ihr Auge red’t, ich will ihm Antwort geben. –

      Ich bin zu kühn, es redet nicht zu mir.

      Ein Paar der schönsten Stern’ am ganzen Himmel

      Wird ausgesandt und bittet Juliens Augen,

      In ihren Kreisen unterdes zu funkeln. [...]

      O, wie sie auf die Hand die Wange lehnt!

      Wär ich der Handschuh doch auf dieser Hand

      Und küßte diese Wange!

      JULIA

      Weh mir!

      ROMEO

      Horch! Sie spricht. O sprich noch einmal, holder Engel! [...]

      JULIA

      O Romeo, Romeo! Warum denn Romeo?

      Verleugne deinen Vater! Deinen Namen!

      Willst du das nicht, schwör dich zu meinem Liebsten,

      Und ich bin länger keine Capulet!

      ROMEO

      Hör ich noch länger oder soll ich reden?

      JULIA

      Dein Nam’ ist nur mein Feind. Du bliebst