Rainer Maria Rilke

Ich möchte Dir ein Liebes schenken


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in diesen tanzenden Tränen.

      DIE BRAUT

      Ruf mich, Geliebter, ruf mich laut!

      Lass Deine Braut nicht so lange am Fenster stehn.

      In den alten Platanenalleen

      wacht der Abend nicht mehr:

      sie sind leer.

      Und kommst Du mich nicht in das nächtliche Haus

      mit Deiner Stimme verschließen,

      so muss ich mich aus meinen Händen hinaus

      in die Gärten des Dunkelblaus

      ergießen …

      ICH BIN, DU ÄNGSTLICHER

      Ich bin, Du Ängstlicher. Hörst Du mich nicht

      mit allen meinen Sinnen an Dir branden?

      Meine Gefühle, welche Flügel fanden,

      umkreisen weiß Dein Angesicht.

      Siehst Du nicht meine Seele, wie sie dicht

      vor Dir in einem Kleid aus Stille steht?

      Reift nicht mein mailiches Gebet

      an Deinem Blicke wie an einem Baum?

      Wenn Du der Träumer bist, bin ich Dein Traum.

      Doch wenn Du wachen willst, bin ich Dein Wille

      und werde mächtig aller Herrlichkeit

      und ründe mich wie eine Sternenstille

      über der wunderlichen Stadt der Zeit.

      DU SIEHST, ICH WILL VIEL

      Du siehst, ich will viel.

      Vielleicht will ich Alles:

      das Dunkel jedes unendlichen Falles

      und jedes Steigens lichtzitterndes Spiel.

      Es leben so viele und wollen nichts,

      und sind durch ihres leichten Gerichts

      glatte Gefühle gefürstet.

      Aber Du freust Dich jedes Gesichts,

      das dient und dürstet.

      Du freust Dich Aller, die Dich gebrauchen

      wie ein Gerät.

      Noch bist Du nicht kalt, und es ist nicht zu spät,

      in Deine werdenden Tiefen zu tauchen,

      wo sich das Leben ruhig verrät.

      OFT SEHN SICH UNSRE SEELEN TAGELANG NICHT

      … Oft sehn sich unsre Seelen tagelang nicht.

      Und meine, dürstend, Deine zu entdecken,

      will ihre Arme aus dem Alltag strecken,

      schaut hinter Deines Lachens Rosenhecken

      und lugt und lauscht und findet ihren Klang nicht.

      DEINE STUBE MIT DEN KÜHLEN ROSEN

      Deine Stube mit den kühlen

      Rosen in den vielen Vasen,

      drinnen wir in tiefen Stühlen

      lehnten, leise Lieder lasen –

      und mein Auge sehnte zag:

      ist die einsame Kapelle,

      welche Zuflucht mir bedeutet;

      warten will ich an der Schwelle,

      bis mir Deine Stimme läutet

      meinen Lebensfeiertag.

      ICH MÖCHTE DIR EIN LIEBES SCHENKEN

      Ich möchte Dir ein Liebes schenken,

      das Dich mir zur Vertrauten macht:

      aus meinem Tag ein Deingedenken

      und einen Traum aus meiner Nacht.

      Mir ist, dass wir uns selig fänden

      und dass Du dann wie ein Geschmeid

      mir löstest aus den müden Händen

      die niebegehrte Zärtlichkeit.

      WEISST DU, DASS ICH DIR MÜDE ROSEN FLECHTE

      Weißt Du, dass ich Dir müde Rosen flechte

      ins Haar, das leis ein weher Wind bewegt –

      Siehst Du den Mond, wie eine silberechte

      Merkmünze, und ein Bild ist eingeprägt:

      ein Weib, das lächelnd dunkle Dornen trägt –

      Das ist das Zeichen toter Liebesnächte.

      Fühlst Du die Rosen auf der Stirne sterben?

      Und jede lässt die Schwester schauernd los

      und muss allein verdarben und verderben,

      und alle fallen fahl in Deinen Schoß.

      Dort sind sie tot. Ihr Leid war leis und groß.

      Komm in die Nacht. Und wir sind Rosenerben.

      ROSE, OH REINER WIDERSPRUCH, LUST

      Rose, oh reiner Widerspruch, Lust,

      Niemandes Schlaf zu sein unter so viel

      Lidern.

      WIR, IN DEN RINGENDEN NÄCHTEN

      Wir, in den ringenden Nächten,

      wir fallen von Nähe zu Nähe;

      und wo die Liebende taut,

      sind wir ein stürzender Stein.

      EINMAL NOCH KAM ZU DEM AUSGESETZTEN

      Einmal noch kam zu dem Ausgesetzten,

      der auf seines Herzens Bergen ringt,

      Duft der Täler. Und er trank den letzten

      Atem wie die Nacht die Winde trinkt.

      Stand und trank den Duft, und trank und kniete

      noch ein Mal.

      Über seinem steinigen Gebiete

      war des Himmels atemloses Tal

      ausgestürzt. Die Sterne pflücken nicht

      Fülle, die die Menschenhände tragen,

      schreiten schweigend, wie durch Hörensagen

      durch ein weinendes Gesicht.

      EINMAL KAM DIE FRAU, DIE REICHE, REIFE

      Einmal kam die Frau, die reiche, reife

      die zerstreut den Jüngling unterwies,

      wenn er störend, noch mit Knabensteife,

      an die blumige Geliebte stieß.

      Dann erschienen reizende Gestalten,

      traten