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Frankfurter Wegsehenswürdigkeiten


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und zu verschönern. – Nein, nein, ich mach’ nur Spaß, sieht super aus, ehrlich! – Wohin wollte ich eigentlich? Die Rolltreppen zu erlangen eilen sie, es spornt sie göttliche Gerechtigkeit, so daß Furcht sich wandelt in Verlangen. Na logo, nach immer neuem alten Tand und Schmutz und Leckmichamarsch. Icke mittenmang.

      Korrekt: dritter Stock, Saturn. Die Kunden dort, die haben keine Todeshoffnung mehr; und also niedrig ist ihr dunkles Leben, daß jedes andere Schicksal sie beneiden, etwa das des Nachbarn, der das Smartphone Samsung Galaxy 3 abgegriffen hat. 655,– Euro, kann man für den Preis nicht selber machen. In die Melancholie des Konsums versinkt, wer sich durch diese – ach was! Kein weiteres Wort hierüber.

      Der Vollständigkeit halber noch hoch auf den, wie erinnerlich, gastroenteritischen „Gastro-Boulevard“. Dort hört man durch den tosenden Radau verschiedne Zungen, grauenvolle Reden. Und muß es lesen, beispielsweise „sushi to go“, also kalter Fisch zum Davonlaufen. Aber wohin? Hier ist alles dicht verbaut und verrätselt, und die Oberfläche ist hermetisch verfugt und überhaupt so bedenklich opak und alles so tralala, und beim Widerkehren meiner Sinne erblick’ ich neue Qualen, sehe neue Gequälte rings, wie ich mich auch bewege und wie ich mich auch wende, wie ich schaue: Klopse – Gute Burger. Aha! Swiss Break. Soso! Mongol. Gewiß! coa – cuisine of asia. Asian Feelgoodfood with, u. a., „colorful salads“, auf deutsch: Hegt keine Hoffnung, je zu sehn den Himmel. Eingekreist von Comedor – Bestes aus Spanien, Papillon und einem posthumanoiden Trupp Pommes Freunde, gewahre ich mit Grausen, wo es eine „asiasnackbox“ hat, die mit prostitutionsgewerblicher Idiomatik beworben wird: „schnell … lecker … günstig … perfekt zum Mitnehmen“. Dahinter ein halbversteckter Eingang: halligalli Kinderwelt, das muß der Limbus sein, „über den Dächern von Frankfurt“: „Birthday Partys, powered by Langnese“. Wie alle Erzbösewichter machen auch sie nicht vor Kindern halt. „Spiel, Spaß, Abenteuer auf 1.500 m2“.

      Und über allem, „5. und 6. Etage“, thront eine Muckibude, der FitnessFirst der Dunkelheit. Ich sah hier Leute, mehr an der Zahl wie sonst, von einer Seite her und von der andern laut brüllend Lasten wälzen mit der Brust. Neben prospektiven Freitödlern, denen die Höhe nur mehr letztes Versprechen ist, existiert hier der Frankfurter Leistungspöbel, um seine Schwell- und Prellkörper für das ubiquitäre survival of the fittest zu formen. Was stemmt ihr euch entgegen jenem Willen, dem niemals kann sein Ziel verwehret werden und der schon oft die Qualen euch vermehret? Kaufhausimmanente Negation der Vernunft? Schön wär’s ja schon, ginge man eben nicht mehr hin – und fertig. Leider ist es aber nicht abwegig, unterdessen davon auszugehen, daß der Kapitalismus nicht nur die Insassen MyZeils blöd gemacht, sondern zugleich das menschliche Vermögen der Erkenntnis a priori in von Imm. Kant et al. ungeahnte Tiefen geführt hat.

      So, wie zur Herbsteszeit die Blätter fallen, eines ums andre, bis der dürre Ast der Erde wiedergab sein ganzes Laub, wollen auch wir zurück ins ewge Nichts, präzise: auf die leider ja ebenfalls gottnegierende Zeil und dann aber hurtig nach Hause.

      Kurzinfo zum Beschluß: Daheim Kabel in PC und Wand gerammt, „MyZeil“ gegoogelt und was gelesen? Folgendes: „Für die internationale Vermarktung von MyZeil wurde 2013 ein Imagefilm gedreht, der potentiellen Mietern die Qualitäten des Einkaufscenters in trendiger Form präsentiert und den Anspruch als erste Destination für international angesagte Labels und Markteintritte in Deutschland unterstreicht.“

      Satan!

      Wessen Zeil das Ganze ist, konnte dank „internet connectivity“ oder wem ebenfalls ermittelt werden: Die Wegelagerei gehört der PalaisQuartier Asset Management GmbH, deren „Center-Manager Olaf Deistler über die Vermarktungsstrategie“ strategisiert: „Unsere Maxime heißt ‚Next Level Shopping‘ – das ist nicht bloß ein Slogan, sondern beschreibt unser ständiges Bestreben, dem Einzelhandel ein erstklassiges Umfeld mit einem modernen Serviceangebot auf internationalem Top-Niveau zu bieten.“ Daß Sie’s nur wissen: Die Maxime ist kein Slogan, sondern eine Beschreibung. Und der Architekt des Murkses – an dessen frankfurterisch-internationalem Topniveau offenbar mitschrauben durfte, wer irgend sich berufen fühlte –, Massimiliano Fuksas, meinte, sich äußern zu wollen: „Die Architektur ist ein Beruf des Friedens und des Teilens.“

      Wer so dermaßen einen an der Waffel hat, ist natürlich auch vom Vorwurf befreit, einen fußgängerzonalen Stumpfsinn wie MyZeil in die Innenstadt zu krempeln. Aber was sagt es über die Stadt Frankfurt aus, die sich derlei gefallen läßt? Oder über uns, die wir wider besseres Wissen etwa in den Saturn fahren und laufen und laufen und fahren, um dort ein gigantisch blödes LAN-Kabel zu erstehen, und die wir schließlich, nach Beendigung des oben messerscharf diagnostizierten Stoffwechselvorgangs, den Laden wieder verlassen, geschlagen und beschämt? Sowie, seien wir ruhig einmal ehrlich, dreckig und häßlich und stinkend.

       Und ich sank hin, gleich wie ein Toter hinsinkt.

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      Ein Goetheturm,

      endlich vernichtet

       Von F. W. Bernstein

      Wer erinnert sich noch an das Goethegebäude in Bokkenheim? Wem graust es noch im nachhinein vor dieser enormen architektonischen Scheußlichkeit?

      Es war ein Schandfleck der besonderen Art. Nein – es war nicht das höchste der siebenhundertdreiundzwanzig Goethehäuser in Frankfurt, von Reimwerkern in Heimarbeit errichtet zur Erinnerung an das Beisammensein von Faust und Gretel Adorno im Kettenhofweg. Als bauliches Potenzsymbol hatte es aber keine Chance neben den luziden Geldtürmen der Banken.

      Nun hat man das Ding an einem Sonntag Anfang Februar 2014 gesprengt. Die Schönheit der Explosion ist, wie alles Schöne, nicht von Dauer. Der Schuttberg aus eitel Kulturgestein und Balkenbrand soll bleiben. Ein schöner Haufen Schutt – alles ist gut.

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      Vorbildliche Leistung

       Von Arno Dahmer

      Von außen erinnert sie an ein großes Rechenheft: Betonelemente teilen die Fassade in quadratische Flächen – braun verklinkerte Vierecke, innerhalb derer sich die Kästchenstruktur leicht abgewandelt und in kleinerem Maßstab wiederholt. „Universitätsbibliothek“ steht über dem Eingang. Wer weiß, was dort einmal stand, kann noch immer „Stadt- und …“ entziffern. Zwar wurden die Buchstaben abgenommen, doch blieb eine Art Schatten zurück, eine dunklere Tönung der Klinker. Darin scheint sich ein administratives Grundprinzip auszudrücken: Es wird nur das Nötigste getan. So gab es einmal eine ältere Generation von Schließfächern, die dem Benutzer immer genau das eine Zwei-Euro-Stück abverlangten, das er gerade ausgegeben hatte. Später wurden sie abgebaut und hinterließen einen schmutzigen Abdruck, um den sich nun keiner mehr schert. Und in den Lesesälen findet man seit Jahren Verlängerungsschnüre mit mehrfacher Einsteckmöglichkeit – an die sich immer gleich mehrere Laptops mit ihren Kabeln zu klammern scheinen wie Ertrinkende an ein Stück Treibholz. Neue Wandsteckdosen zu installieren widerspräche dem palliativen Prinzip. Selbst der Katalog ist eine Behelfskonstruktion. Obwohl natürlich längst computerisiert, besteht er zu einem beträchtlichen Teil aus eingescannten Karteikarten. Und eine zerbrochene Scheibe auf der Stirnseite des Gebäudes hat man kurzerhand durch ein Stück Holz ersetzt. Bis auf weiteres. Den Rest dann später, vielleicht, irgendwann, vielleicht gar nicht.

      Es ist, als warte die Bibliothek nur noch auf ihre Auflösung, Ausweidung, Sprengung.

      Studenten gehen hier ein und aus. Aber ausdauernd, wirklich ausdauernd, würde ein Student die Bibliothek nicht besuchen – das wäre gegen die Natur –, vielleicht nur während einer Prüfungsphase für ein paar Wochen oder Monate, gut organisiert, mit Wasserfläschchen, Laptop, verschiedenfarbigen Stiften, Ohrstöpseln und Kopfschmerztabletten.