der Behandlung. Es ist ein Rezept meiner deutschen Großmutter, ein Hausmittel, das aber schon in manchen Fällen half, bei denen andere Medikamente versagten.«
»Was ist das für ein Mittel?«
»Ein Gemisch aus Obstessig, Wasser und einer Essenz, deren Zusammensetzung von meiner Großmutter nicht verraten wird. Erst nach ihrem Tode werde ich sie bekommen.«
»Und Sie glauben daran?«
»Weil ich Erfolg schon erlebt habe. Ich weiß, daß allem eine Grenze gesetzt ist, aber Glauben und Vertrauen hilft oft auch mit.«
»Und wie wird das Mittel angewandt?«
»Der Körper wird damit abgerieben. Das wird Schwester Immaculata tun.«
Sie sah ihn wieder voll an. »Ich bin nicht so, daß ich es als Unsinn abtue. Ich habe schon manches gehört, was man mit dem Verstand nicht erklären kann. Und manchmal ist der Verstand ein schlechter Berater.«
Wie meint sie das, überlegte er. Aber er stellte eine andere Frage.
»Möchten Sie erst Ihren Mann verständigen?«
»Nein. Er soll bleiben, wo er ist, und ich will ihn nicht mehr sehen.« Ein trockenes Schluchzen schüttelte sie, das die innere Erregung löste. Er spürte, wie unglücklich und zerrissen sie war.
Er nahm ihre Hand und umschloß sie mit warmem Griff. Sie spürte die Wärme, die zu ihr floß, so tröstend und beruhigend wie seine Stimme.
»Denken Sie nicht an das Negative«, sagte er nun fast beschwörend, »denken Sie, wie schön das Leben sein kann.«
Sie schloß die Augen. »Ich will glauben, daß Sie mir helfen können«, flüsterte sie. Dann schlief sie ein, und er betrachtete ihr gelöstes Gesicht.
Er war todmüde, hatte zwanzig Stunden kein Auge zugetan und nun packte ihn die Erschöpfung mit Macht.
Er wollte wenigstens ein paar Stunden schlafen, bis Philipp Laurentis eintraf, aber er brachte Schwester Immaculata noch die Flasche mit der Essenz und gab ihr Anweisungen. Auf sie konnte er sich verlassen, bei den jüngeren Schwestern war er nicht sicher, ob sie sich nicht mokierten bei solcherlei Anwendung. Er konnte hier nicht schalten und walten, wie er wollte. Er mußte sich nach den Vorschriften richten, und das engte ihn ein. Dies aber war ein Fall, für den er alles riskiert hätte.
*
Als Mick ins Hospital kam, schlief Michelle noch. Er beschloß, Jenna aufzusuchen, da man ihm sagte, daß Michelle sie heimgeschickt hätte.
Er war unruhig, ihn hielt es nicht an einem Ort. Er hatte sich ausgerechnet, wann Philipp hier sein könnte, aber die Zeit verging ihm zu langsam. Das Gefühl der Ohnmacht gegen die unbekannte Krankheit hatte auch ihn erfaßt, und es brachte ihn schier zur Verzweiflung, daß Michelle das Opfer sein sollte.
Als er zu dem Appartementhaus kam, kam Jenna gerade heraus. Auch sie fand keine Ruhe. Ein paar Stunden hatte sie im Halbschlaf dahingedämmert, bei jedem Geräusch aufschreckend. Den Verwalter hatte sie noch nicht gesehen, aber gerade, als Mick auf sie zugehen wollte, kam er aus dem Bistro. Mick konnte nicht hören, was er sagte, sah aber, daß Jenna eine unwillige, abwehrende Handbewegung machte, und als er ein paar Schritte näherkam, hörte er, wie sie sagte, daß sie kündigen würde. Der Verwalter lachte höhnisch und sagte, daß sie doch wieder angekrochen käme.
Mick war schnell bei ihr, als der Verwalter ihren Arm packte und eine unflätige Bemerkung machte.
»Einen anderen Ton, bitte«, sagte er energisch. »Sie haben gehört, was die Dame gesagt hat.«
»Wo ist hier eine Dame«, sagte der Verwalter frech, »sie ist ein Hausmädchen.«
»Vielleicht war sie das in Ihren Augen, das ist jetzt vorbei«, sagte Mick. »Ab sofort sogar, damit sie Ihren Belästigungen nicht mehr ausgesetzt ist.«
Der andere starrte ihn aus engen Augen an. Dann warf er Jenna einen giftigen Blick zu.
»Hast du endlich einen Dummen gefunden«, stieß er zynisch hervor, »aber sicher weiß er noch nicht über dich Bescheid.«
Jenna wandte sich ab. Es schien, als wolle sie die Flucht ergreifen, aber Mick faßte schon nach ihrer Hand.
»Was ist los, Jenna. Womit droht er?«
»Er hat kein Recht dazu. Aber ich werde niemals Ruhe finden, solange ich hier bin. Ich wollte Michelle alles erzählen, aber dann kam ihr Zusammenbruch dazwischen.« Ihre Lippen preßten sich aufeinander. »Es ist alles so sinnlos.«
»Sie werden sich doch nicht von diesem ordinären Kerl einschüchtern lassen. Sagen Sie mir doch bitte, was Sie bedrückt. So schlimm kann es doch gar nicht sein.«
»Es ist aber sehr schlimm.«
Er hatte ihren Arm umfaßt und steuerte den Weg zum Strand an. Dort setzten sie sich auf eine Bank im Schatten.
»Sagen Sie mir, was Sie bedrückt, Jenna. Und denken Sie nicht, daß Michelle Vorurteile hegt. Ich übrigens auch nicht. Wir wissen, daß Sie ein hilfsbereiter, warmherziger Mensch sind.«
Jenna schöpfte tief Atem. »Mein Vater war ein wohlhabender Mann«, begann sie stockend. »Ihm gehörte die Wohnanlage, in der ich jetzt arbeite. Aber er war ein Spieler, er hat alles verspielt, was wir besaßen, und als meine Mutter ihm Vorhaltungen machte, hat er sie so zusammengeschlagen, daß sie starb. Dann hat er mich auch bedroht. Ich habe mich gewehrt, und er stürzte durch die Glastür. Er starb an einer Gehirnblutung. Ich wurde von der Anklage wegen Totschlags freigesprochen. So, nun wissen Sie es. Ich konnte froh sein, hier arbeiten zu können.«
»Wann war das?« fragte Mick. »Vor drei Jahren.«
»Und warum sind Sie nicht weggegangen von hier?«
»Wohin denn? Ich hatte kein Geld. Wer hätte mir schon eine Stellung gegeben. Ich hatte doch keine Referenzen.«
»Michelle hat davon nichts erfahren?«
»Nein, es geschah, bevor sie zum ersten Mal hier war, und um die Gäste nicht zu vergraulen, wurde auch nicht über meinen Vater und dieses Drama geredet. Früher hatte ich auch nur einen rein geschäftlichen Kontakt zu Michelle, einen sehr flüchtigen. Erst in diesem Jahr wurde es anders, weil Michelle anders war, nicht so unbeschwert. Früher betrachtete ich sie als verwöhnte junge Dame, die zum Jet Set gehört. Ich hätte niemals erwartet, daß sie ein persönliches Gespräch mit mir führen würde.«
»Aber sie würde bestimmt Verständnis für Ihre Lage aufgebracht haben.«
»Ich bin doch damit nicht hausieren gegangen. Ich war froh, daß es schnell in Vergessenheit geriet. Man ist hier diskret, wenn es um solche Affären geht. Man hat ja auch genug zu klatschen über die Prominenz.«
»Aber jetzt werden Sie hoffentlich gern von hier weggehen, Jenna.«
»Ja, sehr gern. Wenn ich Michelle nur helfen könnte.«
»Das wünschen wir alle. Aber Ihnen soll auch geholfen werden. Betrachten Sie mich auch als einen Freund.«
»Tausend Dank«, flüsterte sie. »Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll.«
Mick empfand ein starkes Mitgefühl für diese junge Frau, die vom Schicksal so ungerecht behandelt worden war, und die mit ihrer Intelligenz und äußeren Erscheinung ganz andere Chancen haben könnte, wohl aber zu sehr gedemütigt worden war, um sie zu nützen.
»Sprechen Sie mehrere Sprachen, Jenna?« fragte er.
Sie sah ihn erstaunt an. »Das muß ich doch, wir haben internationale Gäste. Deutsch kann ich aber am besten. Englisch geht und italienisch brauche ich nicht so oft. Warum fragen Sie danach?«
»Weil ich Ihnen eine Stellung bieten könnte, bei der Sie auch in der Welt herumkommen würden.«
»Das ist sehr verlockend, aber ich habe mich bereits Michelle verpflichtet.«
»Wie ich Michelle kenne, will sie Ihnen auch zu