Viola Larsen

Fürstenkrone 11 – Adelsroman


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Pferde wurden verkauft. Und das alles nur, um diese Frau zufriedenzustellen, deren Wünsche immer unmäßiger wurden. Ich habe das alles mit banger Sorge beobachtet, aber ich konnte nichts dagegen tun.«

      »Und ich hatte gestern sogar noch Mitleid mit ihr«, murmelte Graf Sandor tonlos, »ich glaubte ihr den Schmerz um meinen Vater und ihre Großzügigkeit mir gegenüber.«

      »Sicher wird sie um Ihren Vater trauern, Herr Graf, denn es wird schwer für sie sein, sich etwas einzuschränken. Die Erträge von Tihany gehen nun an Sie, laut Erbfolgegesetz, das mir bekannt ist.«

      »Ich bin nicht gewillt, mir Gedanken über die Zukunft meiner Stiefmutter zu machen«, warf Graf Sandor hart ein.

      »Das sollen Sie auch nicht. Ihre Stiefmutter weiß genau, womit sie jetzt zu rechnen hat. Die hat ihre Schäfchen ins Trockene gebracht, verlassen Sie sich darauf! All das, was sie mitgenommen hat, Gemälde, Teppiche, Porzellan und Silber, stellt einen hohen Wert dar. Und dann wird ja auch bestimmt noch ein ganz hübsches Sümmchen vom Verkauf des Jagdschlosses Erlau übriggeblieben sein.«

      Graf Sandor fuhr herum. Seine Augen weiteten sich in namenlosem Entsetzen.

      »Erlau ist verkauft? Das kann nicht sein, Lindemann! So etwas kann mein Vater nicht getan haben! Erlau war der Lieblingsaufenthalt meiner Mutter. Ein paradiesisches Fleckchen Erde, wo ich glückliche Kindheitstage verbracht habe.«

      Herr Lindemann senkte den Kopf.

      »Ich dachte, Ihr Vater hätte es Ihnen mitgeteilt und Ihnen einen Teil des Erlöses überwiesen, Herr Graf.«

      »Nichts weiß ich, und nichts habe ich bekommen!«, stieß der Graf außer sich hervor. »Niemals hätte ich meine Einwilligung zu diesem Verkauf gegeben. Mein Gott, Lindemann, ist das wirklich wahr?«

      »Leider, Herr Graf. Auch mir hat das Herz geblutet. Aber Ihre Stiefmutter mochte das Jagdschloss nie. Sie sagte, es sei eine düstere Räuberhöhle, in der nur Ratten und Mäuse hausten. Die grauen Mauern und die Einsamkeit dort erdrückten sie. Ich war öfter Zeuge, wie sie ihrem Gatten stets zusetzte, das Jagdschloss zu verkaufen. Die wertvolls­ten Möbelstücke und Gegenstände hatte sie auch dort schon herausgeholt mit der Begründung, die Sachen würden in den feuchten Mauern von Erlau Schaden leiden.«

      »Sie standen seit Jahrhunderten dort, und es ist ihnen nie etwas geschehen!«, erklärte Graf Sandor empört.

      »Eines Tages, etwa vor eineinhalb Jahren, hat sie einen Käufer gefunden, und Ihr Vater hat das Jagdschloss samt dem darin befindlichen Mobiliar verkauft.«

      »An wen?«, fragte Graf Sandor, heiser vor Erregung.

      »An einen reichen Bankier aus der Stadt, einen Baron, der vor nicht allzu langer Zeit den Adelstitel erworben hat, weil er allerlei gestiftet hat. Er heißt Waldstein und muss über enorme Gelder verfügen, denn das Jagdschloss wurde in sechs Monaten nach seinem Geschmack umgebaut und eingerichtet. Allerdings nur innen, denn das Äußere des Schlosses musste unverändert bleiben. Es dient der Familie von Waldstein als Sommerresidenz. Der Baron soll einen Sohn und eine Tochter haben. Ich persönlich kenne nur ihn und muss sagen, dass er eigentlich einen recht sympathischen Eindruck macht.«

      In dumpfes Schweigen versunken, hatte Graf Sandor zugehört.

      Sie waren inzwischen angekommen, aber er hatte es nicht einmal bemerkt.

      »Herr Graf«, mahnte Gustav Lindemann ihn leise, »wir sind da! Es tut mir bitter weh, Ihnen solche Eröffnungen gemacht zu haben, aber ich weiß nicht, ob Sie in der Lage gewesen wären, das Jagdschloss auf die Dauer zu erhalten. Was hier in Tihany an Geldern eingeht, reicht nicht dafür aus.«

      »Mein Vater war ein reicher Mann«, brach es aus Graf Sandor verzweifelt hervor.

      »Er war es, Herr Graf. Aber die Ansprüche seiner zweiten Frau haben sein Vermögen fortdauernd verkleinert. Und wenn er noch ein paar Jahre gelebt hätte, wär er noch ärmer geworden.«

      »Diese Schlange!«, presste Graf Sandor hervor.

      Er erhob sich, als hingen Bleigewichte an seinen Füßen. Vor dem Wagen blieb er stehen und ließ seine Augen über die Front des Schlosses gleiten. Ob ich das alles erhalten kann?, fragte er sich bang.

      Gustav Lindemann war vorangegangen und öffnete das schwere Portal.

      Graf Sandor betrat die große Eingangshalle, in die gedämpftes Licht fiel. Ein Geruch nach Staub und Moder schlug ihm entgegen.

      Graf Sandor blieb minutenlang stehen, um seine Fassung wiederzugewinnen. Herr Lindemann zog die Vorhänge zurück, um das Tageslicht hereinzulassen, und er öffnete die Fenster, um frische Luft einströmen zu lassen.

      »Morgen muss eine der Mägde hier Ordnung schaffen, Herr Graf, und vor allem Ihre Zimmer herrichten.«

      »Ja, ja«, erwiderte Graf Sandor halblaut. Verloren hing sein Blick an den wenigen Möbeln, die seine Stiefmutter in der Halle zurückgelassen hatte. Sogar die wertvollen Brücken, die vor den Sitzgarnituren gelegen hatten, waren verschwunden.

      Herr Lindemann beobachtete ihn unauffällig.

      »Es tut mir leid, Herr Graf«, murmelte er mehrfach.

      »Aber, Lindemann, wofür entschuldigen Sie sich. Sie können nichts dafür, dass mein Vater einer solchen Frau hörig gewesen ist. Lassen Sie mir eine Stunde Zeit, um durch alle Räume zu gehen.«

      »Natürlich, Herr Graf. Ich sehe inzwischen hier unten nach, was in den nächsten Tagen und Wochen alles zu tun ist. Sie bleiben doch hier, Herr Graf?«

      »Ich weiß nicht, ob ich hier noch einmal glücklich werden kann. Mir ist es, als sei das Schloss gestorben und meine Kindheit und Jugend mit ihm. Es liegt mir wie eine Zentnerlast auf der Seele.«

      »Überschlafen Sie erst einmal alles, Herr Graf«, murmelte Gustav Lindemann erschüttert.

      Graf Sandor stieg langsam nach oben. Er durchwanderte die riesigen Zimmerfluchten, die Säle, in denen die großen Feste stattgefunden hatten. Überall sah es aus, als ob eine Diebesbande alles Wertvolle habe mitgehen lassen.

      Nur in seinen eigenen früheren Räumen war nichts verändert. Vor diesen Räumen hatte die Habgier seiner Stiefmutter offenbar haltgemacht. Das Bild seiner geliebten Mutter hing noch über seinem Schreibtisch, und sie lächelte auf ihn herab. Die Erinnerung an die Vergangenheit überkam ihn hier am stärksten und presste ihm das Herz schmerzhaft zusammen.

      Er öffnete Schubladen und Schränke. Überall lag eine dicke Staubschicht auf Möbeln und Gegenständen.

      Wilde Verzweiflung und Hass gegen die Frau, die ihm nicht nur die Liebe des Vaters, sondern auch einen Teil seiner Heimat und seines Erbes genommen hatte, packten ihn derart, dass er sich aufstöhnend gegen eine Wand lehnte und das Gesicht mit den Händen bedeckte.

      Minuten vergingen, bis er sich wieder etwas gefasst hatte und hinuntergehen konnte. Lindemann wartete bereits in der Halle auf ihn und sah ihm voller Bangen entgegen.

      »Ich werde Ihnen morgen einen genauen Bericht geben, Herr Graf, und Ihnen alle Rechnungsbücher vorlegen, damit Sie sehen, wie es mit Ihrem Besitz steht. Sie werden für das Schloss wieder Personal einstellen müssen, mindestens drei bis vier Leute. Und auch Landarbeiter brauchen wir noch, um die Erträge zu steigern. Ich habe ganze Landstriche nicht bestellen können.«

      »Ja, ja.« Graf Sandor fuhr sich über die Stirn. »Ich verstehe noch nicht viel von all diesen Dingen, aber ich werde mir große Mühe geben. Es kam so plötzlich.«

      »Machen Sie sich darüber keine Gedanken, Herr Graf. Das schaffen wir bestimmt gemeinsam. Sie dürfen natürlich keine großen Ansprüche stellen und müssen vorerst bescheiden leben.«

      »Wenn es weiter nichts ist, Lindemann. Das fällt mir nicht schwer. Ich bin es seit Jahren gewöhnt, meine eigenen Bedürfnisse zurückzustellen.«

      Nach einem kurzen Gang durch den verwilderten Park fuhren sie zum Gutshaus zurück.

      Frau Lindemann hatte im Wohnzimmer den Tisch festlich gedeckt.