Helga Torsten

Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman


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über ihre Schönheit, eine Schönheit, wie man sie pries, hatte sie sich noch niemals Rechenschaft abgelegt.

      Nun sah sie sich daraufhin prüfend an.

      Jasmine wußte nicht, welche jedes Herz verzaubernde Anmut sie besaß. Sie sah plötzlich nur, daß ihre Schultern ein wenig knochig waren.

      Die Brust war nur ganz zart angedeutet und ihre großen Augen nahmen beinahe das ganze Gesicht ein.

      Sie besaß auch keine hochgetürmten Locken, sondern nur ihr kastanienfarbenes, leicht rötlich schimmerndes glattes Haar, das wie ein Helm ihren Kopf umgab.

      Und ihr Kleid? Hatte sie es wirklich einmal schön gefunden?

      Hier in diesem Kreis sah es so einfach aus. Und all dies fand sie erst jetzt, erst in diesem Augenblick, in dem sie sah, wie Harald Brockdorff sich nicht nach ihr umwandte, sondern nun diesem fremden, schönen Mädchen mit dem meergrünen Kleid den Arm bot.

      »Es ist die Tochter von Professor Ringling!« sagte ein Vorübergehender. »Wissen Sie, der Besitzer der berühmten Klinik, Fürst Bassarow schätzt ihn sehr.«

      »Als Arzt?«

      Der Plauderer lachte. »Nein, nicht als Arzt. Fürst Bassarow braucht wohl bei seiner bärenstarken Natur niemals einen Arzt. Aber Professor Ringling ist ebenfalls Kunstkenner. Und wahrscheinlich werden die beiden Herren jetzt den ganzen Abend vor Bassarows Neuerwerbung stehen, von der er sich angeblich nicht trennen kann. Nur ein kleines Gemälde, aber diese Madonna soll einen unerhörten Zauber ausströmen. Man könnte fromm vor ihr werden! hat Fürst Bassarow gesagt. Und das will bei ihm etwas heißen. Aber in diesem einen Fall…«

      Man ging an Jasmine vorüber.

      Sie behielt nichts von dem Gehörten außer dem einen: Professor Ringling, die Tochter von Professor Ringling! Sie stand beinahe wie erstarrt in der riesigen Empfangshalle mit ihren Spiegelwänden.

      Es schritten nun keine Gäste mehr die Freitreppe hinauf.

      Die Empfangshalle leerte sich. Jasmine stand allein, allein mit dem Kater Julius auf dem Arm, der sich immer zärtlicher schnurrend an ihre Schulter drängte.

      »Harald!« flüsterte Jasmine. »Julius, er hat mich einfach stehenlassen. Weshalb hat er dies wohl getan?«

      Wie aus weiter Ferne drang eine Stimme: »Weißt du nicht, kleine Jasmine, wie ehrgeizig dieser Dr. Harald Brockdorff ist? Er tanzt nicht mit einer Frau, die vielleicht nur schöner ist als du, kleine warmherzige Jasmine. Er tanzt allein mit der Tochter des berühmten Professors Ringling. Und wäre seine Tochter häßlich wie die Nacht, so würde er auch mit ihr tanzen. Denn er denkt allein an seine Karriere, dieser Harald Brockdorff!«

      Hätte Adela Curschmann ihre begabteste Schülerin in diesem Augenblick gefragt, so hätte Jasmine geantwortet: Das glaube ich nicht, denn ich liebe ihn. Wir haben zusammen gearbeitet. Er hat mir geholfen. Er hat mir auch vieles gesagt: daß ich schöne Augen hätte, und daß er nicht ohne mich leben könne…

      In diesem Augenblick hob der graue Kater Julius seine Pfote.

      Er wollte Jasmine streicheln.

      Aber er besaß nun einmal Krallen.

      Und so vorsichtig er sie auch bewegte, sie streiften Jasmines Schläfen. Ein Kratzer mit einem kaum sichtbaren Blutrinnsal zeichnete sich an des Mädchens Schläfen ab.

      Jasmine spürte nicht den Schmerz.

      Durch die weitgeöffneten Flügeltüren zu den Gesellschaftsräumen sah sie jetzt, wie sich die Paare nach den Klängen einer weichen Walzermelodie bewegten.

      Und Harald – Dr. Harald Brockdorff – hatte nicht Jasmine Rasmussen aufgefordert, sondern zu diesem ersten Tanz, den er ihr eigentlich schon versprochen hatte, die Tochter Professor Ringlings gebeten.

      *

      »So allein?«

      In Jasmines Gedanken hinein klang plötzlich eine Stimme, eine selbstbewußte Männerstimme.

      Als das Mädchen aufschaute, sah sie in Michail von Bassarows scharfgeschnittenes, kühnes Gesicht.

      »Julius ist bei mir!« stammelte Jasmine hilflos.

      »Daß Sie sich immer mit diesem Vieh abplagen!« spottete der Mann

      Da aber fand Jasmine sich wieder.

      Empört schaute sie dem Gastgeber ins Gesicht.

      »Julius ist kein Vieh, Herr von Bassarow!« erklärte sie. »Stoffel und Vronli lieben ihn und…«

      Der Mann wehrte ab.

      »Ja, ja, ich weiß. Julius ist ihr Gespiele.«

      »Ich werde ihn zu Stoffel und zu Vronli hinaufbringen«, sagte das Mädchen. »Und wenn Sie nett sind, zeigen Sie mir den Weg ins Kinderzimmer.«

      »Schneekönigin!« Der Mann lächelte. »Schneekönigin, ist das nicht ein bißchen viel verlangt, daß ich mich an meinem Ballabend um Kater und Kinder kümmern soll?«

      Jasmine sah den Mann an, der niemals an seine Kinder, sein eigen Fleisch und Blut, zu denken schien.

      »Schließlich sind Sie der Vater!« erklärte die kleine Jasmine sehr beherzt.

      Sie hatte in diesem Augenblick vergessen, wie weh ihr Herz tat.

      Sie dachte allein an den Stoffel und das Vronli.

      Wo steckten sie? Suchten sie wieder nach dem geliebten Kater Julius?

      Jasmine hob die Augen zu dem vor ihr stehenden Mann, dessen Gedanken in die Vergangenheit schweiften.

      Als er Barbara heiratete, war sie die schönste und reichste Frau in den Kreisen gewesen, in deren Fürst Bassarow verkehrte. Leidenschaft hatte diese Frau ausgelöst, aber niemals… Liebe. Ich liebe auch die Kinder nicht! durchfuhr es den Mann.

      Was bedeutet eigentlich Liebe?

      Sein sonst so hartes, männliches Gesicht erhielt plötzlich einen Abglanz seiner russischen Vorfahren, denen man reiche Gemütsbewegungen nachgesagt hatte. Es gab auch etliche Liebesgeschichten, sogar solche mit tödlichem Ausgang. Man hatte sich duelliert.

      Lächerlich, sich wegen einer Frau zu duellieren! Das ist eine Frau nicht wert.

      Oder… doch?

      Michail Fürst von Bassarows dunkle Augen verloren in dieser Sekunde ihre kühle, beinahe berechnende Härte, denen man nichts vormachen konnte.

      Liebe!

      »Sie müssen meine Kinder schon sehr liebhaben, wenn Sie sogar das Tanzen ausschlagen.«

      »Wenn Sie sich ein bißchen mehr um Stoffel und Vronli kümmern würden, dann hätten Sie sie gewiß auch lieb. Mit Bewußtsein.«

      Jasmine wandte ihm das zarte, ganz leicht gerötete Gesichtchen zu.

      »Sie wissen ja gar nicht, wie Ihre Kinder überhaupt leben.«

      »Natürlich – ich beauftrage Frau Franzen, Erzieherinnen einzustellen. Und… ich bezahle Rechnungen.«

      »Rechnungen!« sagte Jasmine und behauptete dann ganz einfach: »Sie brauchen Liebe und… ja, und jetzt ihren Kater Julius!«

      Drüben aus dem Saal traten einige vom Tanzen erhitzte Paare.

      Auch Harald Brockdorff. Mit der Tochter des berühmten Professors Ringling.

      Die lehnte sich an ihn, wie man sich eigentlich nur auseinanderlehnte, wenn man sich sehr, sehr gut kannte.

      Jasmine wurde blaß.

      Jetzt hätte sie hingehen müssen, denn schließlich war sie in Haralds Begleitung gekommen. Eigentlich gehörte ihr dieser erste Tanz.

      Aber Jasmine hatte Dr. Harald Brockdorff gegenüber ihre natürliche Naivität verloren, die selbstverständliche Dinge auch selbstverständlich aus dem Instinkt heraus tat.

      Sie