Helga Torsten

Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman


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so ist das.«

      Der Fürst nickte nachdenklich. Er warf einen Blick zu Sybill von Gereneck hinüber, den sie wahrnahm, und der sie seltsam verlegen machte.

      Sie saßen noch bis tief in die Nacht hinein zusammen, und als die Studenten sich schließlich verabschiedeten, meinte der Fürst, man müsse solchen netten Abend bald wiederholen.

      Claus begleitete Sybill bis vor ihre Zimmertür.

      »Du warst so schweigsam heute«, sagte er und musterte sie besorgt. »Fühlst du dich nicht wohl? Oder ist dir die Arbeit zu schwer? Wenn du nicht länger mitmachen möchtest, würde dir das sicher niemand übelnehmen.«

      »Aber nein. Sie ist mir schon nicht zu schwer.«

      Sybill lächelte den Freund an. »Es ist lieb von dir, daß du dir meinetwegen Sorgen machst. Gute Nacht, Claus. Schlaf gut«, sagte sie schnell und legte flüchtig die Hand auf seinen Arm. Dann war sie auch schon in ihrem Zimmer verschwunden.

      Nachdenklich ging er zu seinem Zimmer hinüber. Er wurde nicht klug aus Sybill. Mochte sie ihn nun, oder mochte sie ihn nicht?

      *

      »Warum soll ich mit der Tante gehen? Es war mir doch bisher auch streng verboten, mit fremden Tanten zu gehen«, erkundigte sich der kleine dunkelhaarige Junge mit dem zarten Gesichtchen, in dem zwei leuchtendhelle Augen verwundert auf die Vorsteherin des Internats blickten, die ihn hatte zu sich kommen lassen.

      »Sehen Sie? So ist er!« seufzte die und warf der freundlichen Frau auf dem Besucherstuhl einen vielsagenden Blick zu. »Der Fürst wird es nicht leicht mit ihm haben. Wolfram kann einen mit seinen unwahrscheinlich logischen Fragen manchmal arg in Verlegenheit bringen.«

      Lina, die Mamsell des Fürsten Hasso von Degencamp, lächelte zärtlich zu dem Kleinen hinunter, der sie aufmerksam betrachtete.

      »Gerade das wird dem Fürsten sicher viel Freude machen«, sagte sie und erhob sich. »Ich könnte es mir jedenfalls vorstellen. Aber ich glaube, wir müssen aufbrechen, sonst verspäten wir uns. Alfred wird sicher auch schon da sein.«

      »Wer ist denn Alfred?« erkundigte sich der Kleine mißtrauisch.

      »Alfred, das ist unser Chauffeur. Der wird uns gleich nach Hause fahren«, erklärte Lina ihm freundlich.

      »Mein Zuhause ist aber hier«, beharrte das Kind und blieb zögernd stehen.

      »Ein Internat ist niemals ein richtiges Zuhause, mein Kleiner«, belehrte die Mamsell ihn und nahm ihn bei der Hand. »Nun sag der Tante auf Wiedersehen und bedanke dich für ihre Freundlichkeit, dann komm. Der Fürst wartet.«

      »Ja, mein Liebling. Du mußt schön brav sein. Du wirst es sehr gut haben auf Schloß Degencamp. Und wenn du dich erst einmal dort eingelebt hast, möchtest du ganz sicher überhaupt nicht wieder zurück. Davon bin ich überzeugt.«

      Die Vorsteherin streichelte ihm zärtlich die dunklen Locken und hauchte einen Kuß auf seine Stirn. Dann begleitete sie ihn und die Mamsell zur Tür, vor der tatsächlich schon der Wagen des Fürsten stand und auf sie wartete.

      Der Kleine beäugte den großen silbergrauen Mercedes von allen Seiten.

      »Hm, ein Mercedes«, sagte er sachkundig. »Darin fahren wir zu dem Schloß?«

      »Ja, mein Schatz. Aber nun steig bitte ein.«

      Lina half ihm in den Fond des Wagens und nahm neben ihm Platz.

      Alfred schloß sorgfältig die Tür hinter ihr und setzte sich ans Steuer. Langsam glitt der schwere Wagen davon.

      Wolfram winkte der Vorsteherin, die immer noch in der Tür stand und ihm traurig nachsah. Man merkte ihr an, daß sie den Jungen ins Herz geschlossen hatte.

      Dann hat er es wenigstens gut gehabt, dachte Lina und betrachtete das Kind verstohlen von der Seite.

      So sieht also der Sohn unseres Fürsten aus. Sie lächelte gerührt. Ein schönes Kind, ein bildschönes Kind. Da kann der Fürst aber stolz sein.

      Wolfram berührte sie vorsichtig am Knie.

      »Fahren wir nun wirklich zum Schloß?« fragte er ungläubig. »Zu einem Schloß wie im Märchen?«

      »Ja, mein Kind.« Lina nickte freundlich.

      »Und ist da vielleicht auch ein König? Und vielleicht auch eine Königin?«

      Die großen Kinderaugen funkelten. Anscheinend gewann er Gefallen an dem Ganzen.

      »Nein. Eine Königin gibt es dort nicht und auch keinen König, aber einen Fürsten, und du wirst ein…« Sie verschluckte noch rechtzeitig, was sie hatte sagen wollen, nämlich, daß er dort auf dem Schloß als Prinz leben würde. Der Fürst hatte ihr streng verboten, es ihm zu sagen.

      Der Kleine fragte vorsichtig:

      »Ist der Herr Fürst nett?«

      »Ja, sehr nett. Du wirst ihn sicher schnell liebhaben.«

      »Liebhaben? Ich weiß nicht«, sagte der Junge gedehnt. »Aber wenn er nett ist, mag ich ihn vielleicht.«

      Wie selbstbewußt er schon ist, dachte Lina. Er ist schon ein richtiger kleiner Herr.

      »Hör mal, Wolfram, so heißt du doch, nicht wahr?«

      »Ja, so heiße ich. Aber Sie können mich auch Wölfchen nennen. Die andern Jungen nannten mich immer Wölfchen.«

      »Also, Wölfchen, wir werden jetzt in der Stadt ein paar Einkäufe machen, dir ein neues Mäntelchen kaufen und Anzüge. Freust du dich darauf?«

      »Hm«, machte er gedehnt. »Bekomme ich auch neue Schuhe?«

      »Neue Schuhe auch, ja, natürlich. Aber warum gerade neue Schuhe?«

      »Meine alten haben kaputte Spitzen. Ich spiele so gern Fußball, und dabei gehen immer die Spitzen der Schuhe so schnell entzwei. Könnte ich vielleicht gleich ein Paar richtige Fußballschuhe haben?«

      Er sah sie erwartungsvoll an.

      Lina zögerte. Der Fürst hatte nichts davon gesagt, daß sie seinem Sohn Fußballschuhe kaufen dürfe. Andererseits hatte er ihr genug Geld mitgegeben, um ihn von Kopf bis Fuß neu einzukleiden. Also warum nicht auch ein Paar Fußballstiefel? Wenn er doch so viel Spaß daran hatte.

      »Ja«, sagte sie entschlossen. »Ein Paar Fußballstiefel bekommst du auch. Bist du nun zufrieden?«

      »Sehr!« Die hellblauen Kinderaugen strahlten. »Sie sind eine sehr, sehr liebe Tante!«

      Lina lächelte gerührt. Ein reizendes Kind war das! Wirklich! Sie hatte es jetzt schon ins Herz geschlossen.

      Das Einkaufen mit dem kleinen Wolfram machte viel Spaß. Er fand es großartig, alles selbst aussuchen zu dürfen, und die Verkäuferinnen waren entzückt von dem hübschen, braven kleinen Jungen, dessen strahlende Augen alles Neue bestaunten.

      Den Kofferraum voller Pakete und Päckchen, fuhren sie schließlich weiter.

      Der Einkauf mit den damit verbundenen Aufregungen hatten den Kleinen müde gemacht. Als Lina sich einmal zufällig zur Seite wandte, sah sie, daß er eingeschlafen war.

      Er schlummerte noch, als sie die breite Auffahrt zum Schloß hinauffuhren. Lina überlegte, ob sie ihn wecken sollte oder nicht, als sie den Fürsten auf die Freitreppe hinaustreten sah.

      Er kann es nicht mehr erwarten, ihn bei sich zu haben, dachte sie voller Verständnis. Was für ein Jammer, daß er erst so spät von seinem Sohn erfuhr.

      Der Wagen rollte sanft aus. Fürst Hasso von Degencamp trat heran und blickte durch die Scheibe in den Fond.

      Lina kletterte heraus. »Er schläft«, sagte sie leise. »Er ist vor etwa einer Stunde eingeschlafen. Es wäre eigentlich schade, ihn aufzuwecken. Soll ich ihn hinauftragen?«

      »Das mache ich selbst.«

      Der Fürst öffnete die hintere