Marietta Brem

Sophienlust Bestseller Staffel 1 – Familienroman


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ich muß jetzt wieder hineingehen. Bitte, entschuldigen Sie mich, Herr Brecht.« Sie wollte davonlaufen, aber Manfred bekam sie gerade noch an der Hand zu fassen. Er spürte, daß diese eiskalt war.

      Am liebsten hätte er jetzt schützend seinen Arm um die bleiche bebende Gestalt gelegt, aber das getraute er sich nicht. Vielleicht wollte Sabine das nicht.

      »Und... und was wird jetzt aus uns?« Im ersten Moment wußte er gar nicht, warum er das fragte. Jetzt hatte er Sabine doch gar nicht mehr nötig. Agnes war sein Kind, das stand fest. Er konnte es also mitnehmen, sobald alles gerichtlich geregelt war.

      Liebevoll glitt sein Blick über das schöne Mädchen, dessen Augen angstvoll auf ihn gerichtet waren. Sabine kam ihm schöner und begehrenswerter denn je vor, und auch das Kind, das sie von einem anderen Mann erwartete, störte ihn nicht. Im Gegenteil, er konnte es sich wunderbar vorstellen, bald eine große Familie um sich zu haben.

      Dieses kleine Wesen, das bald das Licht der Welt erblicken sollte, liebte er fast schon so sehr, als wäre er dessen wirklicher Vater.

      »Sabine, möchtest du nicht trotzdem... Ich... ich will dich nicht überrumpeln, aber könntest du dir nicht doch vorstellen, mit mir verheiratet zu sein? Wir wären eine große Familie, und, ich verspreche es dir, ich würde nie etwas von dir verlangen, wenn du es nicht auch willst.« Manfred hatte sie geduzt, ohne daß es ihm aufgefallen war. Aber die Furcht, sie zu verlieren, kaum daß er sie gefunden hatte, ließ ihn alles vergessen.

      Sabine schaute ihn ungläubig an. »Aber... du liebst mich doch gar nicht«, sagte sie stockend.

      »Wer behauptet denn so etwas?« Sein Mund verzog sich zu einem vorsichtigen Lächeln. Noch war er sich seiner Sache nicht sicher.

      »Du hast es doch gestern selbst gesagt.«

      »Ja, das war gestern. Da wußte ich es ja auch noch nicht, wie lieb ich dich inzwischen gewonnen habe. Und wenn du mich auch nur ein bißchen magst, dann sehe ich unsere Zukunft in rosaroten Farben.«

      Sie waren stehengeblieben und schauten sich an. Sabine konnte noch immer nicht glauben, was sie gehört hatte.

      »Ich weiß jetzt, was du dachtest, mein kleiner Engel. Du wolltest es mir leichtmachen, weil du glaubtest, daß ich dich nun nicht mehr haben wollte, nachdem sich herausgestellt hatte, daß Agnes wirklich mein Kind ist. Du hast ein großes Herz, Binchen, und ich glaube, du wirst eine wundervolle Mutter sein für all die Kinder, die wir noch zusammen bekommen werden. Aber das eine sage ich dir, wir werden sie alle gleich lieb haben.«

      »Ja, Manfred, das werden wir.« Sabine jubelte. Sie konnte kaum atmen vor lauter Glück.

      Dann stürzte sie in seine ausgebreiteten Arme.

      »Na, wie haben wir das wieder hingekriegt.« Resolut stemmte Frau Rennert, die unbemerkt Denises Zimmer betreten hatte, die Hände in die Hüften.

      Die beiden Frauen standen am Fenster und beobachteten die jungen Menschen, die sich noch immer eng umschlungen hielten.

      »Ja, das war wieder einmal eine Meisterleistung von uns«, stimmte Denise zu. Dann lächelten sie sich vielsagend an.

Cover Du gehst zu weit, Adina

      »Ich muß sofort Herrn Kayser sprechen!«

      Birgit Keller stellte das Filigrankästchen, das sie für eine Kundin aus dem Schaufenster genommen hatte, zurück und drehte sich um. Vor ihr stand eine Frau von Mitte Fünfzig. Sie trug ein graues, ziemlich altmodisches Tweedkostüm und halbhohe Pumps. Die Finger ihrer linken Hand umfaßten den Griff einer unförmigen Tasche.

      »Herr Kayser hat gerade Geschäftsbesuch«, sagte Birgit freundlich. »Viel­leicht kann ich Ihnen auch helfen. Um was handelt es sich denn bitte?«

      »Sie können mir ganz gewiß nicht helfen, trotzdem danke für Ihr Angebot.«

      Das Gesicht der Frau drückte eiserne Entschlossenheit aus. Sie ging zum Ladentisch und trommelte aufgeregt mit den Fingern darauf herum.

      »Wenn Sie warten wollen, nehmen Sie doch bitte einen Moment Platz.« Birgit wies auf einen hochbeinigen Gobelinstuhl, der neben einem buntbemalten Bauernschrank stand.

      »Danke!« Die Frau setzte sich und stellte die große Handtasche neben sich. »So geht’s nicht weiter«, schimpfte sie leise vor sich hin. »Ich bin ja allerhand gewohnt, aber was zuviel ist, ist zuviel. Ich bin doch nicht das Dienstmädchen einer Zehnjährigen. Ich…«

      Die Ladenglocke schlug an. Eine junge Frau in einem hellen Sommerkleid kam herein. »Oh, Frau Berger!« rief sie überrascht aus. »Wie schön, daß Sie uns wieder mal besuchen.«

      »Besuchen? Nein, Fräulein Mahler, das ist kein Besuch«, entgegnete Elfriede Berger erregt und sprang auf. »Ich kündige! Ich laß mir das nicht länger gefallen. Ich…«

      Die zum Büro führende Tür öffnete sich und ein hochgewachsener, sehr schlanker dunkelhaariger Mann trat in Begleitung eines anderen in den Ladenraum. Beim Anblick Frau Bergers huschte ein Schatten über sein Gesicht.

      »Herr Kayser, ich…« Frau Berger stürzte auf ihn zu.

      »Einen Augenblick, Frau Berger, bitte«, unterbrach sie der Geschäftsmann und begleitete seinen Besucher auf die Straße hinaus. Durch das Schaufenster konnte Birgit Keller sehen, wie er sich von ihm verabschiedete. »So, jetzt habe ich Zeit für Sie«, sagte er, als er in das Geschäft zurückkam. »Bitte!« Er wies in sein Büro.

      Elfriede Berger griff nach ihrer Handtasche und marschierte kampfbereit vor ihm her. Jede ihrer Gesten drückte absolute Unnachgiebigkeit aus.

      »Wer ist denn diese Frau?« erkundigte sich Birgit, nachdem Herr Kayser die Tür hinter sich geschlossen hatte.

      »Seine Haushälterin«, erwiderte Karin Mahler. Sie begann, ein chinesisches Arzneischränkchen abzustauben, das von einem Kunden bestellt und am Nachmittag abgeholt werden sollte. Beinahe zärtlich fuhr sie mit dem Tuch über das zarte Golddekor. »Wahrscheinlich ist sie gekommen, um sich wieder einmal über Adina zu beschweren.«

      »Wer ist Adina?« fragte Birgit. Sie hörte diesen Namen zum ersten Mal.

      »Stimmt, das können Sie ja noch nicht wissen, Frau Keller«, sagte Karin. »Sie arbeiten ja erst seit heute bei uns.« Sie warf einen kurzen Blick auf die Bürotür. Durch die dicke Polsterung drang kein Laut. »Adina ist die zehnjährige Tochter unseres Chefs«, fuhr sie fort. »Das heißt, sie müßte jetzt bald elf sein. Ein Kind, das es faustdick hinter den Ohren hat. Frau Berger ist die fünfte Haushälterin innerhalb von zwei Jahren. Lange wird sie sicher nicht mehr bleiben. Adina schafft sie alle.«

      »Man wird doch vor einer Zehnjährigen nicht davonlaufen«, meinte Birgit leicht zweifelnd. Vorsichtig packte sie eine zarte Chrysanthemenschale aus der Quing-Periode in ein mit Holzwolle gepolstertes Kästchen.

      »Sie kennen Adina nicht«, erklärte Karin Mahler. »Dieses Gör ist die Bosheit in Person, auch wenn es ihr Vater nicht wahrhaben will. Ist aber auch kein Wunder, denn wenn er dabei ist, spielt sie den Engel, aber kaum kehrt er ihr den Rücken, zeigt sie ihr wahres Ich.«

      »Herr Kayser ist Witwer, nicht wahr?«

      Karin Mahler nickte. »Seine Frau starb vor zwei Jahren an einer Blutvergiftung. Es hat ihn schwer getroffen. Es hat lange gedauert, bis er wieder Lachen konnte. Manchmal tut er mir schrecklich leid.«

      »Und Adina?« Sie muß doch auch sehr unter dem Verlust ihrer Mutter leiden.«

      Ein verächtliches Lächeln umspielte Karins Lippen. »Adina kennt nur sich selbst. Ich war damals mit auf der Beerdigung. Das Mädchen hat nicht einmal geweint.«

      »Das muß nicht heißen, daß…«

      »Bei Adina schon«, unterbrach Karin ihre Kollegin. »Wenn Sie dieses Mädchen erst einmal kennengelernt haben, ich meine, ohne ihren Vater, denken Sie sicher auch anders darüber.