Marietta Brem

Sophienlust Bestseller Staffel 1 – Familienroman


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ab.

      »Bitte entschuldigen Sie, Frau Berger«, wandte er sich an seine Haushälterin. »Kayser!… Ja, natürlich, Herr Siebrands, Sie können sich darauf verlassen. Mein Geschäftsfreund in New York hat die Lieferung des Renoir fest zugesagt… Ja, in etwa vier Wochen… Nein, das geht in Ordnung. Auf Wiederhören!« Er legte den Hörer wieder auf.

      »Ich kündige, Herr Kayser«, sagte Elfriede Berger. Sie wirkte jetzt entschieden ruhiger als noch vor einigen Minuten. »Ich kann so einfach nicht mehr weitermachen. Ich habe ja schon vor jedem neuen Tag Angst. Und das habe ich wirklich nicht nötig, Herr Kayser. Gute Haushälterinnen sind gesucht.«

      »Sie werden doch nicht vor einem Kind davonlaufen«, erwiderte Wolfgang Kayser und gebrauchte damit fast dieselben Worte wie Birgit Keller. »Ich werde mir Adina noch einmal vorknöpfen.«

      Die Lippen der älteren Frau umspielte ein beinahe verächtliches Lächeln. »Nichts für ungut, Herr Kayser, aber was hätte das für einen Sinn? Wie oft haben Sie schon mit Ihrer Tochter gesprochen. Sie macht Ihnen ja doch nur wieder etwas vor, und wer dabei auf der Strecke bleibt, das bin ich. Nein, ich habe es endgültig satt.«

      »Aber wir brauchen Sie doch, Frau Berger«, versuchte es Wolfgang Kayser auf eine andere Art. »Adina genauso wie ich.«

      »Adina braucht mich nicht, das hat sie mir heute wieder einmal rigoros erklärt. Für sie bin ich nur ein Diensttrampel, der zu tun hat, was das gnädige Fräulein befiehlt. Aber nicht mit mir!« Elfriede Berger spielte nervös mit dem Griff ihrer Handtasche. »Ich verlasse noch heute Ihr Haus und ziehe vorläufig zu meiner Schwester. Und ich gehe jede Wette ein, schon nächste Woche habe ich eine neue Stelle. Eine Stelle, wo ich mich nicht von einer Zehnjährigen und ihrer Großmutter herumkommandieren las­sen muß.«

      »Was ist mit meiner Schwiegermutter?«

      »Nichts weiter, als daß sie bestimmt zehnmal pro Tag anruft und sich erkundigt, ob ich auch alles richtig mache.« Erregt preßte sie die Lippen zusammen.

      »Ich werde auch mit meiner Schwiegermutter sprechen.« Wolfgang Kayser faltete die Hände auf der Schreibtischplatte. »Ich weiß, es ist nicht leicht, mit meiner Schwiegermutter auszukommen. Sie macht es einem manchmal sehr schwer, aber sie meint es nur gut. Sie…«

      »Sie wird mich nicht mehr tyrannisieren, Herr Kayser.« Elfriede Berger stand entschlossen auf. »Ab heute ist Schluß damit. Sie werden sich wohl oder übel nach einer anderen Haushälterin umsehen müssen. Allerdings bezweifle ich, daß Sie in unserer Gegend noch jemand finden werden, der bereit ist, bei Ihnen zu arbeiten.« Die Haushälterin stützte sich auf die Schreibtischplatte. »Damit will ich keineswegs etwas gegen Sie sagen, Herr Kayser. Sie sind schon in Ordnung. Aber was den Rest Ihrer Familie betrifft… Adina gehörte einmal eine richtige Tracht Prügel, das ist mein Rat an Sie. Wenn Sie jetzt nicht endlich hart durchgreifen, werden Sie später ernten müssen, was Ihre Schwiegermutter sät. Ich bin überzeugt, daß hinter Adinas Verhalten zum größten Teil Ihre Schwiegermutter steckt. Sie…«

      »Lassen Sie doch bitte meine Schwie­germutter aus dem Spiel«, fiel ihr der Geschäftsmann ins Wort. »Vergessen Sie nicht, daß Adina ein Kind ist, das ohne Mutterliebe aufwachsen muß.«

      »Ich hatte auch keine Mutter, aber wehe ich hätte es einmal gewagt, meiner Großtante gegenüber frech zu werden.«

      »Zwischen damals und heute besteht doch ein riesengroßer Unterschied«, sagte Wolfgang Kayser. »Ich bin nicht dafür, Kinder zu dressieren.«

      »Ich auch nicht, aber trotzdem sollten Kinder die Achtung gegenüber anderen lernen.« Elfriede Berger richtete sich auf. »Na ja, das Ganze geht mich nichts mehr an, Herr Kayser. Es ist Ihre Tochter, und Sie müssen wissen, was Sie tun.«

      »Und wenn ich Ihr Gehalt erhöhe?«

      Elfriede Berger schüttelte den Kopf. »Es ist nicht so, daß ich nicht wüßte, in welcher Zwickmühle Sie stecken, Herr Kayser, aber selbst wenn Sie mir einige hundert Euro mehr geben würden, ich könnte nicht bleiben.«

      »Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren«, meinte Wolfgang Kayser resignierend.

      Er brachte Elfriede Berger zur Tür und schlug dann im Telefonbuch die Stellenvermittlung nach.

      *

      »Du hättest ihre Augen sehen sollen, Großmama, als ich ihr sagte, daß sie sich um ihren eigenen Kram kümmern soll.« Adina setzte sich in einen der zierlichen Sessel, die um einen weißen Tisch auf der Terrasse standen.

      »In meiner Jugend hatten die Dienstboten wenigstens noch Anstand«, erwiderte Vilma Stein. Sie schenkte ihrer Enkelin Schokolade ein. »Ich verstehe deinen Vater nicht, mein Kind. Ich hätte diese anmaßende Person längst entlassen.«

      »Für Vati ist doch die Hauptsache, daß die Wohnung in Ordnung ist. Alles andere kümmert ihn nicht«, meinte Adina. Mit einer anmutigen Bewegung strich sie ihre langen weißblonden Haare nach hinten. »Warum kannst du nicht bei uns wohnen, Großmama? Mit dir wäre es viel schöner.« Ihre blauen Augen glänzten. »Kannst du nicht mit Vati sprechen? Für ihn wäre es doch auch besser, wenn du bei uns wärst.«

      »Dein Vater hat darüber seine eigene Meinung«, erklärte Vilma Stein. Sie und ihr Schwiegersohn hatten sich noch nie sonderlich verstanden. Es war ihr noch immer unerklärlich, was ihre Tochter an ihm gefunden hatte.

      »Weißt du, was ich mir zum Geburtstag wünsche?« fragte Adina.

      »Nein, was ist es denn?«

      »Ein Pferd!«

      Vilma Stein schluckte. »Was willst du denn mit einem Pferd, Kind?« fragte sie und schüttelte leicht den Kopf.

      »Cordula hat von ihren Eltern zu Weihnachten eine Stute geschenkt bekommen. Sie kann jetzt immer ausreiten. Zweimal hat sie mich schon reiten lassen.«

      »Cordulas Eltern haben einen riesigen Besitz, da können sie sich schon ein Pferd halten, aber weder dein Vater noch ich besitzen viel Grund und Boden.« Vilma Stein reichte ihrer Enkelin ein Nußhörnchen. »Ich glaube, diesen Wunsch können wir dir nicht erfüllen.«

      Adina verzog das Gesicht. »Wenn ich es mir aber so wünsche«, sagte sie. »Cordula bekommt immer alles, was sie sich wünscht. Letztes Jahr durfte sie ganz allein nach England fliegen.«

      »Soweit ich mich erinnere, hat sie in England Verwandte und hat die Ferien bei ihnen verbracht.«

      »Schon, aber ich bin noch nie allein geflogen.«

      Vilma Stein mußte lächeln. »Stell dir vor, Adina, es gibt noch viele Kinder, die niemals geflogen sind«, sagte sie. »Man sollte mit seinen Wünschen immer auf dem Boden der Realität bleiben. Es hat keinen Sinn, Luftschlösser zu bauen, die dann wie Kartenhäuser zusammenbrechen.« Sie nippte an ihrem Kaffee. »Was habe ich früher für deine Mutter Luftschlösser gebaut… Und wie ist alles gekommen? Sie hat deinen Vater geheiratet und sich um meine Wünsche überhaupt nicht gekümmert. Jetzt ist sie… Na, lassen wir das, Adina. Hast du Lust, mit mir am Freitag ins Konzert zu gehen?«

      »O ja!« Adinas Augen leuchteten. Sie liebte Musik über alles. »Vielleicht kommt Vati auch mit.«

      »Wir können ihn ja mal fragen«, meinte die Großmutter, doch es klang alles andere als glücklich.

      »Was soll ich anziehen, Großmama?« Adina nagte an ihrer Unterlippe. »Eigentlich habe ich gar kein gescheites Kleid mehr. Das Blaue mit den Spitzen und den Puffärmeln habe ich schon so oft angehabt.«

      »Du bekommst ein neues, Liebes«, sagte Vilma Stein nachsichtig. »Wir fahren morgen nach Maibach rein und sehen, was wir für dich kaufen können.«

      »Ein langes Kleid, Großmama!«

      »Es muß nicht unbedingt lang sein, Adina«, meinte Frau Stein. »Um lange Kleider zu tragen, wirst du später noch oft Gelegenheit haben.« In Gedanken sah sie bereits ihre Enkelin auf großen Gesellschaften tanzen.

      »Ich…« Adina sprang auf. »Vati!« rief sie und lief Wolfgang Kayser entgegen.