Marietta Brem

Sophienlust Bestseller Staffel 1 – Familienroman


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sie sich an den Tisch gesetzt hatten.

      »So einigermaßen.« Adina bediente sich mit Brot. »Wir haben eine Mathearbeit geschrieben.«

      »Hattest du vorher geübt?«

      »Mathe ist doch für ein Mädchen nicht so wichtig«, meinte die Zehnjährige abwertend. »Großmama sagt, ein Mädchen braucht nicht unbedingt das Abitur.«

      »Was deine Großmutter sagt, ist in diesem Fall nebensächlich, Adina«, erklärte Wolfgang Kayser. »Du wolltest doch aufs Gymnasium, oder irre ich mich da?«

      »Weil Cordula auch aufs Gymnasium geht.«

      »Und versäumt sie es auch, zu lernen?«

      »Ihre Mutter übt mit ihr fast jeden Nachmittag.« Adina spielte mit dem Kaffeelöffel. »Mutti hat früher auch mit mir gelernt. Manchmal hat es sogar richtig Spaß gemacht.«

      »Unsere neue Haushälterin wird auch mit dir lernen, Adina«, versprach Wolfgang. »Ich sehe ein, daß es eintönig ist, mutterseelenallein im Zimmer sitzen zu müssen.«

      »Wir brauchen keine neue Haushälterin«, meinte Adina. »So ist es viel schöner.«

      »Wir stellen wieder jemanden ein«, bestimmte Wolfgang. »Es geht so nicht weiter. Jeden Nachmittag bist du ohne Aufsicht. Und ich kann mir nicht vorstellen, daß es für dich schön ist, jeden Tag allein Mittag zu essen.«

      »Ich könnte doch jeden Tag zu Großmama fahren«, schlug Adina jetzt vor.

      »Nein, Liebes das wäre nicht gut. Wenn wir Glück haben, ist bald wieder jemand da, der für dich sorgt, während ich im Geschäft bin.«

      »Und wenn sie mich auch wieder den ganzen Tag so rumkommandiert, wie es Frau Berger getan hat?« Das Mädchen sah ihren Vater von unten herauf an, ein Blick, der ihn meist zum Nachgeben veranlaßte, doch diesmal hatte sie Pech.

      »Frau Berger hat dich nicht herumkommandiert, Adina!« Wolfgang nahm sich eine zweite Scheibe Brot und belegte sie mit Schinken. »Übrigens wäre ich dir sehr verbunden, wenn du heute abend noch dein Zimmer aufräumen könntest. Ich war vorhin oben, mich hat es fast umgehauen.«

      »Das kann doch morgen Frau Wächter tun«, meinte Adina. »Sie ist ja dazu da.«

      »Irrtum. Frau Wächter ist dazu da, die Wohnung in Ordnung zu halten, aber nicht, um dir deine Sachen nachzuräumen«, erwiderte Wolfgang

      »Cordula braucht überhaupt nichts aufzuräumen.«

      »Ich möchte den Namen Cordula heute abend nicht noch einmal hören. Was sie tun darf und was nicht, ist mir völlig egal. Du wirst jedenfalls aufräumen!«

      »Und der Abwasch?«

      »Das erledige ich.«

      »Dann räum ich eben auf«, sagte Adina ergeben. »Du, Vati, Grunbachs geben am Samstag eine Party. Holger wird sechzehn. Cordula hat gesagt, daß ich auch kommen kann.«

      »Wir wollten doch am Samstagnachmittag nach Stuttgart zur Wilhelma fahren«, erwiderte der Mann. »Außerdem ist eine Party, die für einen Sechzehnjährigen gegeben wird, nichts für dich.« Er stand auf. »So, und nun räum dein Zimmer auf! Ich komme nachher noch zu dir und sage dir gute Nacht.«

      »Vati!«

      Wolfgang schüttelte den Kopf. »Nein, Adina, du wirst nicht auf diese Party gehen.«

      »Alles wird einem verboten«, maulte Adina, sprang auf und stürzte aus dem Eßzimmer. Heftig fiel die Tür hinter ihr ins Schloß.

      »Adina!« rief der Vater wütend. Er wollte ihr nachlaufen, überlegte es sich jedoch anders und begann statt dessen, den Tisch abzuräumen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er jede Wette eingegangen wäre, eine besonders liebe und wohlerzogene Tochter zu haben, doch die letzten drei Wochen hatten ihn eines Besseren belehrt. So ging es einfach nicht weiter! Adina brauchte wieder jemanden, der sich ihrer annahm, wenn sie von der Schule nach Hause kam.

      *

      »Sie haben wohl noch immer keine Haushälterin gefunden, Herr Kayser«, meinte Birgit Keller, als sie ihren Chef über die Stellenanzeigen der Zeitung gebeugt vorfand.

      »Es scheint aussichtslos zu sein.« Wolfgang Kayser blickte auf. »Die Damen, die sich bei mir inzwischen vorgestellt haben, kommen aus den verschiedensten Gründen nicht in Frage. Scheinbar hat es sich herumgesprochen, daß es bei mir Haushälterinnen immer nur einige Monate aushalten. Unter den bisherigen Bewerberinnen war noch nicht eine einzige wirklich qualifizierte Person.«

      »Haben Sie es eigentlich schon mit auswärtigen Stellenvermittlungen versucht?«

      »Genauso zwecklos.« Der Geschäftsmann schlug die Zeitung zu, stand auf und ging an einen Schrank. »Sie haben unsere neueste Errungenschaft noch nicht gesehen.« Vorsichtig hob er einen Karton heraus und stellte ihn auf den Schreibtisch. »Nehmen Sie den Deckel ab!« forderte er seine Angestellte auf.

      Birgit griff nach dem Deckel und legte ihn auf den Schreibtisch. Behutsam entfernte sie eine Lage Seidenpapier. »Oh!« rief sie überrascht aus, als ihr Blick auf die herrlich gearbeitete Madonna fiel, die darunter in einem Wattebett lag. Die junge Frau streckte die Hände aus, um sie aufzunehmen, ließ sie aber wieder sinken.

      »Nehmen Sie sie ruhig heraus.«

      Birgit Keller griff unter die Madonna und umfaßte sie mit beiden Händen. Sie bestand aus reinem Elfenbein und war mit Sockel nur knapp sechsundzwanzig Zentimeter hoch.

      »Was meinen Sie, welches Jahrhundert?« fragte Wolfgang.

      »Schwer zu sagen.« Die junge Frau betrachtete die Madonna von allen Seiten. »Dreizehntes?«

      »Fabelhaft getroffen«, lobte ihr Chef. »Sie wurde zwölfhundertfünfzig gearbeitet. Gestern rief mich ein Herr Zwickel an und schwärmte mir von ihr vor. Obwohl ich annahm, daß es sich um eine Fälschung handeln könnte, fuhr ich zu ihm ins Hotel. Nachdem ich die Madonna gesehen hatte, rief ich sofort meinen Freund Bernd Klemann an. Er arbeitet für verschiedene Museen. Zum Glück hatte er Zeit. Er ist felsenfest davon überzeugt, daß es sich um ein Original handelt.«

      Birgit legte die Madonna in die Schachtel zurück. »Haben Sie schon einen Käufer?«

      »Nein, so schnell geht das nicht.« Wolfgang Kayser verstaute die Schachtel wieder in dem Schrank und schloß diesen ab. »Ich habe es auch nicht eilig damit. Vorläufig werde ich mich einmal selbst an ihr erfreuen. Lachen Sie nicht, Frau Keller, aber ich habe allen Ernstes schon daran gedacht, sie zu behalten.«

      »Warum tun Sie es nicht?«

      »Ja, warum eigentlich?« fragte Wolfgang. »Man sollte sich ab und zu selbst eine Freude machen. Das Leben ist oft trübe genug.«

      »Sie sollten wirklich nicht so pessimistisch sein«, meinte Birgit seltsam berührt.

      »Ich habe allen Grund dazu. Ich gebe es nicht gern zu, aber es sieht fast so aus, als würde mir meine Tochter über den Kopf wachsen. Ich kann mich eben zu wenig um sie kümmern.«

      »Haben Sie schon einmal an ein Kinderheim gedacht?«

      »Ein Kinderheim?« stieß Wolfgang entsetzt hervor. »Ich kann doch meine Tochter nicht in ein Kinderheim geben!«

      »Mir fiel nur gerade Sophienlust ein«, sagte Birgit. »Damals im Konzert saß ich neben den von Schoeneckers. Über Sophienlust habe ich bisher nur Gutes gehört. Vielleicht würde Adina ein Aufenthalt dort guttun.«

      »Sophienlust genießt einen guten Ruf«, mußte Wolfgang zugeben. »Aber ehrlich, ich kann mir meine Tochter nicht in einem Kinderheim vorstellen. Heime sind für Kinder ohne Elternhaus. Adina hat aber noch mich.«

      »Sagten Sie nicht eben selbst, daß Sie zu wenig Zeit für sie hätten?«

      »Stimmt schon… trotzdem, nein, es geht nicht.« Der Mann sah Birgit an. »Allerdings würde sie in einem Kinderheim wahrscheinlich lernen, daß sie nicht der Mittelpunkt der Welt ist, auch wenn ihr das von ihrer Großmutter immer