Karina Kaiser

Sophienlust - Die nächste Generation Staffel 1 – Familienroman


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bisschen neugierig darf jeder sein. Das ist keine schlechte Eigenschaft. Deswegen brauchst du kein schlechtes Gewissen zu haben.«

      »Dann ist es gut.« Romina zupfte mit den Fingern an ihrem Ohrläppchen. Das tat sie immer, wenn sie ein bisschen nervös war. »Ich glaube, Sie sind liebe Großeltern, mit denen man sich gut vertragen kann.«

      »Das sind wir ganz bestimmt«, bestätigte Barbara. »Und du bist ein liebes Kind, das man einfach mögen muss. Wenn wir nun bald miteinander verwandt sind, brauchst du aber nicht mehr Sie zu uns zu sagen. Wenn du willst, kannst du uns Oma und Opa nennen. Möchtest du das?«

      »Ja, das wäre schön. Ich bin so froh, dass ihr mich mögt. Es hätte ja sein können, dass ihr mich überhaupt nicht leiden könnt.«

      Barbara legte ihre Hände auf Rominas Schultern und schaute sie mit einem geheimnisvoll wirkenden Blick an, den das Mädchen nicht deuten konnte. »Du brauchst nicht zu fürchten, dass wir dich nicht leiden können. Als wir hier zur Tür hereingekommen sind, haben wir sofort gespürt, dass du für uns das richtige Enkelkind bist. Wir haben dich lieb, sehr lieb sogar.«

      »Das stimmt«, pflichtete Thorsten seiner Frau bei. »So ein liebes, kluges und hübsches kleines Mädchen wie du passt genau in unsere Familie. Deine neuen Eltern haben eine gute Wahl getroffen, mit der wir mehr als zufrieden sind.«

      Andrea bat zu Tisch. Sie hatte Kuchen gebacken und frische Waffeln zubereitet.

      Schon bald saßen alle um die Kaffeetafel versammelt und unterhielten sich völlig zwanglos. Rominas Bitte, nicht nur Oma und Opa zu Barbara und Thorsten, sondern auch Mama und Papa zu Linda und Daniel sagen zu dürfen, wurde gern erfüllt.

      »Es ist schön, dass Sie sich vorübergehend als Pflegeeltern zur Verfügung gestellt haben«, bemerkte Thorsten und blickte Andrea und Hans-Joachim dankbar an. »Mit Ihrer Praxis, dem Tierheim und ihrem eigenen kleinen Sohn sind Sie ja eigentlich schon voll ausgelastet. Es ist keine Selbstverständlichkeit, wenn man sich darüber hinaus auch noch um ein elternloses Kind kümmert und ihm ein gutes Zuhause auf Zeit schenkt. Ist Christine schon lange bei Ihnen?«

      »Nein, sie ist erst vor kurzer Zeit bei uns angekommen«, antwortete Hans-Joachim ausweichend. »Aber sie ist ein unkompliziertes Kind, das sich ganz schnell eingewöhnt hat.«

      Thorsten wandte sich an das kleine Mädchen: »Jetzt wirst du bald ein neues Zuhause bekommen, und das wird eines für immer sein. Ich glaube, da wird es dir auch sehr gut gefallen.

      Du wirst in einem wunderschönen Haus leben bei ganz lieben Eltern, und du wirst auch oft Besuch von Oma und Opa bekommen. Weißt du, bis jetzt haben wir unsere Kinder nicht so oft besucht. Das wird sich in Zukunft ändern. Schließlich wollen wir unsere Enkeltochter so häufig wie möglich sehen. Und wir bringen dir auch immer etwas mit. Das ist versprochen.«

      Romina war erleichtert und glücklich. Das Theaterstück hatte funktioniert. Ihre Großeltern mochten sie von Herzen gern. Ein wenig seltsam fand Romina nur die Blicke, mit denen Barbara sie zwischendurch immer wieder bedachte. Es waren freundliche, aber doch auffallend prüfende Blicke, die sich das Mädchen nicht erklären konnte.

      Andrea stand auf, um frischen Kaffee aus der Küche zu holen. Linda und Romina folgten ihr, weil sie ihr angeblich behilflich sein wollten.

      »Es hat alles wundervoll geklappt«, bemerkte Linda glücklich und nahm Romina in die Arme. »Du hast deine Rolle ganz toll gespielt. Ich bin richtig stolz auf dich.« Dann wandte sie sich an Andrea: »Was meinen Sie? Wann sollten wir meinen Eltern die Wahrheit sagen?«

      »Lassen Sie uns noch ein bisschen abwarten. Auf eine Stunde mehr oder weniger kommt es nicht an. Vielleicht ergibt sich schon bald eine günstige Gelegenheit, die wir nutzen können. Zumindest sind Ihre Eltern offensichtlich ganz begeistert von ihrer Enkelin. Sie werden also nicht schockiert sein, wenn sie erfahren, wer Christine tatsächlich ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich jetzt noch von ihr lossagen werden.«

      Die Gelegenheit, von der Andrea gesprochen hatte, ergab sich bereits wenige Minuten später von ganz allein. Barbara hatte um eine weitere Waffel gebeten. Da der Waffelteller außerhalb ihrer Reichweite stand, wollte Romina helfen.

      Mit einer Gabel spießte sie eine Waffel auf und balancierte diese hinüber zu Barbaras Gedeck. Dieses Vorhaben misslang allerdings. Unterwegs stürzte die Waffel ab und landete mit einem platschenden Geräusch mitten in der Sahneschüssel.

      »Scusa!«, entfuhr es dem erschrockenen Mädchen, und sofort hielt es noch erschrockener die Hand vor den Mund. Aber Thorsten hatte den Ausruf deutlich vernommen.

      »Scusa? Ist das nicht italienisch und heißt Entschuldigung? Woher hast du denn dieses Wort?«

      Barbara lächelte ihren Mann kopfschüttelnd an. »Manchmal bist du erstaunlich schwerfällig und kannst ziemlich dumme Fragen stellen. Unsere kleine Enkelin wird dieses Wort von ihrem Vater gelernt haben und wahrscheinlich noch viele andere mehr.« Barbaras Blick wanderte von ihrem Mann zu der Siebenjährigen. »Nicht wahr, dein Vater hat dir Italienisch beigebracht, Romina.«

      Thorsten war absolut verwirrt. »Das ist doch Unsinn. Barbara, du weißt nicht was du da redest. Unsere kleine Enkeltochter heißt Christine.«

      »Ja, ich heiße Christine«, bestätigte das Mädchen. »Aber ich heiße nicht nur so. Ich habe noch andere Namen. Ich bin Romina Christine Castello.«

      Thorsten fuhr auf: »Das kann nicht sein. Nein, das ist nicht möglich. Das Kind eines italienischen Schaustellers kann nicht so gut erzogen und wundervoll sein. Schaustellerkinder sind ungezogen und frech. Das habe ich selbst erlebt.«

      »Sie irren sich«, widersprach Hans-Joachim. »Ihre schlechten Erfahrungen, die Sie gemacht haben, lassen sich nicht verallgemeinern. Romina ist der beste Beweis dafür. Aber Sie wollten sich nichts beweisen lassen und Romina gar nicht erst sehen. Deshalb haben wir uns diese List ausgedacht und Ihnen ein bisschen Theater vorgespielt. Das nehmen Sie uns hoffentlich nicht übel.«

      Thorsten konnte es noch immer nicht fassen. Kopfschüttelnd schaute er seine Frau an. »Woher weißt du, dass dieses bezaubernde Mädchen unsere Enkelin Romina ist? Als wir hier angekommen sind, hast du doch so wenig Ahnung gehabt wie ich.«

      »Nein, ich hatte keine Ahnung. Aber dann habe ich Romina gesehen. Mir ist die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter sofort aufgefallen. Dann waren da noch die vielen kleinen Gesten und Angewohnheiten, die Jenny ebenfalls gezeigt hat. Mein Verdacht, dass Christine in Wirklichkeit Romina ist, hat sich von Minute zu Minute immer mehr erhärtet. Der kleine Versprecher ist dann der endgültige Beweis für mich gewesen.«

      Thorsten blickte in die Runde. Einen Moment lang sagte er gar nichts. Dann brach er plötzlich in schallendes Gelächter aus.

      »Entschuldigung, aber das ist einfach köstlich. Ich bin ein erfahrener Geschäftsmann, der ständig aufpassen muss, nicht hinters Licht geführt zu werden. Es gibt zahlreiche unseriöse Handwerker, Konkurrenten und hin und wieder auch Gäste, vor denen man sich schützen muss. Das ist mir bisher immer gelungen. Was all diese Leute nicht vollbracht haben, hat ein kleines Mädchen mit Leichtigkeit geschafft. Das ist unglaublich. Aber ich finde es wunderbar, dass mir sturem alten Esel auf diese Weise der Kopf zurechtgerückt wurde.«

      »Dann magst du mich auch jetzt noch?«, erkundigte Romina sich vorsichtig. »Hast du mich wirklich noch lieb, obwohl du jetzt weißt, dass ich ein Schaustellerkind bin?«

      »Komm mal her, meine Kleine«, bat Thorsten und nahm das Mädchen in seine Arme. »Ich bin dumm gewesen und habe einen großen Fehler gemacht. Das habe ich jetzt eingesehen. Du bist unsere Enkeltochter, unsere richtige kleine Enkeltochter. Ja, wir haben dich lieb. Lieber kann man einen Menschen gar nicht haben, und daran wird sich niemals etwas ändern. Das verspreche ich dir.«

      Linda stand spontan auf und umarmte ihre Eltern. Alle Sorgen waren plötzlich vorbei, und einer glücklichen Zukunft stand nichts mehr im Weg.

      »Aber jetzt möchte ich gerne wissen, wer auf diese tolle Idee gekommen ist und wie dieses Husarenstück vorbereitet wurde«, forderte Thorsten.

      Nur zu gern wurde ihm