Karl König

Die zwölf Sinne des Menschen


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das Verhältnis dieser Sinneswelt zum Menschen selbst. Auch wenn der Vortrag bereits 1961 (in Stuttgart) gehalten worden ist, und dadurch natürlich in mancher Hinsicht zeitgebunden sein mag, hat er mit dem Thema «Vom Sinn der Sinne und von der Not der Sinne in unserer Zeit» absolut nichts an Aktualität verloren, sondern wirft Fragen und Aspekte auf, die heute und für die Zukunft immer drängender werden. In diesem Vortrag kommt vor allem das große Anliegen Königs zum Ausdruck, dass die Bedeutung der Sinne für den Menschen im Allgemeinen und für seine Entwicklung erkannt und dadurch zu einem Leitprinzip unserer Gesellschaftsgestaltung wird. Wenn König in diesem Vortrag ausführt: Die Sinne sind die Wiege, in der das Ich-Kind zu wachsen beginnt, so drückt das genau das aus, was mit diesem ersten Band gemeint ist, der den Untertitel Der Kreis der zwölf Sinne und die Ich-Entwicklung trägt.

      Königs Arbeiten werden mit einem Essay von Prof. Dr. Peter Matthiessen eingeführt, in dem ein Überblick über das Phänomen «Sinneswesen» und über die «Gliederung der Sinnesbereiche in ihre Zwölfheit» gegeben wird.

      Der Seminarkurs 1962, Donegal Springs House, Pennsylvania

      Der Anhang enthält fragmentarische Hörernotizen aus einem weiteren Kurs («Course on Differential Diagnosis»), den König 1962 in den USA gegeben hat. Zwei Jahre nach dem großen Kurs in Spring Valley war er wieder auf Vortragsreise – nun vor allem, um anzuknüpfen an die Resultate seines ersten Amerika-Besuchs, denn in New York State war eine Dorfgemeinschaft im Entstehen, und in Pennsylvania hatte sich durch die Entwicklung der Schule ein Stamm von Mitarbeitern zusammengefunden, der eine starke Pioniergruppe für die beginnende Camphill-Region in Nordamerika bildete. Bis heute sind aus dieser Zusammenarbeit 15 Gemeinschaften und weitere Initiativen in den USA und Kanada entstanden, die mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und alten Menschen arbeiten. Seinerzeit – 1962 – veranstaltete König mit einer kleinen Gruppe einen Kurs über Diagnostik in Zusammenhang mit den Sinnen.

      Im Weiteren enthält der Anhang Auszüge aus seinem Tagebuch, die seine Eindrücke während der Reise nach Wien 1963 veranschaulichen.

      Band II

      Sinnesentwicklung und Leiberfahrung

      Der zweite Band dieser Sinnesarbeiten fügt dem mehr allgemeinen ersten Band genauere Studien zu den einzelnen Sinnen hinzu und weist bereits im Titel auf den Hauptinhalt hin – die grundlegenden Aufsätze Karl Königs zu den «unteren» Sinnen, die bereits 1971 unter dem gleichen Titel erschienen; ergänzt auch durch den Aufsatz «Körperschema und Leibessinne» von Königs Freund und Schüler Georg von Arnim. Dieser Aufsatz wurde aus der Zusammenarbeit mit König zur Abrundung seiner Ausführungen zur ersten Herausgabe geschrieben.5

      Wenn die Ausführungen zunächst auch sehr große Bereiche umspannen und grundsätzliche Erkenntnisse über Fragen der Gestalt, über das menschliche Leiberleben darstellen, so führen sie jedoch unmittelbar in die Praxis – in die Grundfragen der Erziehung, der Heilberufe und auch in die Fragen des sozialen Lebens.

      König plante, zwei Bücher über heilpädagogische Diagnostik zu schreiben – einmal vom Gesichtspunkt der Bewegungsentwicklung und im Weiteren vom Gesichtspunkt der Sinne. So wie König Diagnostik verstanden und auch betrieben hat, wäre der therapeutische Ansatz in beiden Büchern mit impliziert gewesen und diese hätten sich gegenseitig ergänzt. Wir können vermuten, dass die Aufsätze über die «unteren» Sinne ein Kapitel abgegeben hätten; Notizen, die sich mit dem Datum 1951 und 1952 über die mittleren Sinne in seinem Nachlass befinden, könnten der Anfang eines eigenständigen Kapitels gewesen sein. Auch wenn sich das nicht belegen lässt, veröffentlichen wir sie in dieser Publikation.

      Vermutlich hatte König damit begonnen, Texte aus den Seminarstunden, die er regelmäßig für die Mitarbeiterschaft gegeben hatte – und für die es auch eine Fülle von Notizen gibt –, zusammenzuführen. Sie bleiben bruchstückhaft und zeigen dennoch bemerkenswerte Ansätze zu einem neuen Verständnis dieser Umwelt-Sinne. Hinzugefügt sind dann Notizen zu den oberen Sinnen, die 1954 in Vorbereitung für Kurse im heilpädagogischen Seminar in Aberdeen entstanden waren. Auch hier handelt es sich um unvollständige Ausführungen, nicht ausgearbeitete Manuskripte, die interessante Aspekte zu den oberen Sinnen liefern. Um den Charakter des Arbeitsmaterials beizubehalten, fügen wir einige Faksimiles hinzu – vor allem dort, wo Zeichnungen zu einem Verständnis der Inhalte beitragen.

       Einleitendes

      Als Einstieg in das Material des zweiten Bandes dient ein Aufsatz, entstanden während einer Reihe von Vorträgen über Karl Königs Arbeiten an der Sinneslehre – ein Versuch, eine Zusammenfassung einer anthroposophischen Sinneslehre zu skizzieren, aus dem die Bedeutung für das Menschenverständnis, vor allem aber auch für die Praxis deutlich wird, ob im Erzieherischen oder in den Heilberufen. Denn dies war Königs großes Anliegen, dass die Anthroposophie im praktischen Leben fruchtbar wird, was bei ihm selbstverständlich gleich den Bezug zum sozialen Leben an sich aufzeigt. Die Relevanz der «oberen» oder «geistigen» Sinne für das Soziale – auch für das Heilen des Sozialen – war für Karl König essenziell. An dieser Stelle sollen daher seine Vorträge über das Soziale erwähnt werden, die in dem Band: Mensch unter Menschen werden bereits veröffentlicht worden sind; wir können sie vielleicht als eine notwendige Fortführung der Grundlagen der Sinneslehre sehen, wie sie König erarbeitet und gelehrt hat, ja auch versucht hat, im Leben der therapeutischen Gemeinschaft direkt wirksam werden zu lassen. Wir erkennen aber, dass das Hineinführen einer neuen Erkenntnis der Sinne in die soziale Wirklichkeit, gleichzeitig und unmittelbar eine Bemühung um Erkenntnis des Übersinnlichen bedingt. Die Sinne selbst scheinen das Tor zum Übersinnlichen darzustellen.

      So ist es an dieser Stelle folgerichtig, dass als Übergang zu Königs Darstellungen der einzelnen Sinne eine Betrachtung steht, die den Bezug des Menschen zu seinem Sinneswesen und dessen Natur deutlich beleuchtet. Diese Gedanken von Peter Matthiessen haben in einem weiteren Aufsatz eine Fortsetzung erfahren, den er als Begleitlektüre für diesen Band komponiert hat, und den wir den Lesern ans Herz legen möchten.6

       Karl Königs Weg mit der Sinneslehre

      Bevor Karl König in die Humanmedizin einsteigen konnte, hatte er Latein nachzuholen und nutzte die Zeit, um nebenher weitere Fächer zu studieren. Neben Botanik war ihm die Zoologie sehr am Herzen gelegen, worüber die Aufsatzsammlung Bruder Tier Zeugnis gibt.7 Sicher wurden diese Studien von der Freundschaft mit Eugen Kolisko beeinflusst, der an der Angabe Rudolf Steiners über die Zwölfheit des Tierreichs gearbeitet hatte. So waren die ersten Arbeiten Königs zur Sinneslehre durch die Sinne im Tierreich und den Vergleich der beiden Zwölfheiten geprägt. Diese frühen Arbeiten würden allein schon ein Buch füllen. An dieser Stelle möge die Wiedergabe einiger Zeichnungen zunächst genügen, um auf diese Studien hinzuweisen.

      Trotz der schwierigen Situation, verbunden mit seiner Flucht aus Schlesien 1936 und nach Schottland 1938, mit der folgenden Pionierzeit der kleinen Gemeinschaft, hielt König für die Anthroposophische Gesellschaft in Wien 1937 (26.10. – 14.12.) und 1938 (11.1. – 28.2.) insgesamt vierzehn Vorträge über die Sinne, die Tiere und den Tierkreis. 1939 veröffentlichte er drei Aufsätze zu diesem Thema mit dem Titel «Zodiac» in der Zeitschrift The Modern Mystic8 und schrieb 1939/40 drei Bücher: Die Ordnung der Tiere im Tierkreis, die als Manuskriptdruck über Elisabeth Vreede und Ernst Marti in Arlesheim erhältlich waren.

      Seine Sinnesstudien erfuhren eine weitere Vertiefung durch das Medizinstudium, vor allem aber weil König seinen tiefen Fragen nach Wesen und Entwicklung des Menschen neben dem Studium im embryologischen Institut nachging. So hielt er in seinen Seminaren über die Sinne auch immer wieder Stunden über die embryologische Entwicklung der Sinnesorgane. Mit dem Aufbau der heilpädagogischen Gemeinschaft und der dazugehörenden Ausbildung, die formal 1949 eröffnet wurde, sowie der speziellen Schulung der Krankenschwester, die 1945 mit einem ersten Kurs begann, intensivierte sich seine diesbezügliche Lehrtätigkeit. Als Beispiel diene die rätselvolle Notiz aus dem Jahr 1952 zum Gleichgewichtssinn auf S. 18.

      Aus