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Ein Heimsieg per Post


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TuS Mayen an den Bökelberg wechselt. In der kompletten Hinrunde kommt der Youngster nicht eine Minute zum Einsatz – was auch angesichts der immensen Konkurrenz auf der Position wenig wundert. In der Rückserie aber ist Schäfer plötzlich fester Bestandteil des Teams, steht in allen 17 Spielen in der Startelf und schießt zwei Tore. „Vielleicht war es gut, dass ich so lange warten musste“, blickt Schäfer zurückhaltend auf sein erstes Jahr bei den Profis zurück. „So konnte ich in Ruhe immer weiter lernen.“ Sein Coach hält sich über den „Roten“ mit zu großen Lobeshymnen zurück und sagt, typisch für ihn, nur: „Sein Einstand war gut.“

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      Per Anhalter zum Auswärtssieg

      Die Einladung zum Kuchen lehnt Wolfgang Kleff dankend ab. Eine Tasse Kaffee genehmigt sich der Torhüter aber sehr wohl. Allein aus Höflichkeit, um den gastfreundlichen Hausherren aus der Pfalz nicht zu enttäuschen. Es ist ein Samstagnachmittag Anfang Februar, und nicht weit entfernt vom gemütlichen Wohnzimmer, in dem Wolfgang Kleff gerade sitzt, wird in Kürze ein Fußball-Bundesligaspiel angepfiffen. Eines, bei dem Kleff das Tor der Gastmannschaft hüten soll. Borussia gastiert beim 1. FC Kaiserslautern. Am Vortag ist die Fohlenelf ins Mannschaftsquartier nach Kirchheimbolanden gefahren. Die rund 40 Kilometer von dort aus zum Betzenberg sollen am Spieltag rechtzeitig vor dem Anpfiff in Angriff genommen werden. Auf dem Weg zum Fritz-Walter-Stadion hat der Mannschaftsbus allerdings ein Leck am Kühler. „Da ging nichts mehr“, erinnert sich VfL-Torhüter Wolfgang Kleff.

      Dummerweise hat die Mannschaft aber noch 25 Kilometer vor sich. Die Landstraße ist viel befahren, und es dauert nicht lange, bis die ausgestiegenen Borussen in ihren Trainingsanzügen und natürlich auch der liegen gebliebene Bus mit der Aufschrift Borussia Mönchengladbach reichlich Aufmerksamkeit erregen. Permanent halten Autos, deren Insassen großzügigerweise ihre Hilfe anbieten. „Alle waren sehr freundlich zu uns. Wir haben offenbar auch in der Pfalz viele Freunde“, so Kleff. Schnell verteilen sich die Spieler auf verschiedene Autos, größtenteils von Anhängern des heimischen FCK gelenkt, und lassen sich zum Stadion chauffieren. „Wir hatten keine andere Möglichkeit, also sind wir quasi per Anhalter nach Kaiserslautern gefahren“, erzählt Kleff. Er sitzt in einem Auto mit Spielmacher Günter Netzer und Offensivakteur Ulrik Le Fevre. Der Fahrer, ein eingefleischter Pfälzer, ist so baff von seinen unverhofften Beifahrern, dass er mit den Borussen noch einen Schlenker zu sich nach Hause macht. „Er wollte uns unbedingt bei sich daheim vorstellen und lud uns dabei auch noch zu Kaffee und Kuchen ein“, so Kleff. Ein Angebot, das die Kicker aus Höflichkeit zumindest zum Teil annehmen. „Kuchen wollte ich so kurz vor dem Spiel nicht unbedingt essen“, erzählt Kleff. Irgendwann drängen die Borussen dann aber auf die Weiterfahrt. „Ich dachte zuerst, er wollte dafür sorgen, dass wir erst zur zweiten Halbzeit im Stadion ankommen.“

      SAISONVERLAUF

      DIE ERSTE MEISTERSCHAFT „Entweder der Titel oder ich bin weg.“ Die Ansage von Trainer Hennes Weisweiler vor der Saison ist deutlich. Um das große Ziel zu erreichen, verstärkt Borussia die Abwehr mit den erfahrenen Ludwig „Luggi“ Müller und Klaus-Dieter Sieloff. Dennoch misslingt der Saisonstart beim 0:2 auf Schalke. Zu Hause gegen Titelverteidiger Bayern München gewinnt Borussia anschließend und startet eine Serie von vier Spielen ohne Niederlage. Glänzen kann die Fohlenelf aber noch nicht. Das ändert sich, als das kongeniale Mittelfeld-Duo Herbert „Hacki“ Wimmer und Günter Netzer zurückkehrt. Mit einem 5:1 am elften Spieltag gegen Alemannia Aachen übernimmt der VfL erstmals in der Bundesliga die Tabellenspitze. Der Traum von der Meisterschaft nimmt konkrete Formen an. Bis fünf Spieltage vor Schluss muss die Weisweiler-Elf nur noch eine einzige Niederlage hinnehmen. Im Schlussspurt machen es die Borussen aber noch einmal spannend. Drei Niederlagen in Serie lassen wieder Zweifel aufkommen. Erst mit einem Sieg am vorletzten Spieltag gegen den HSV kann sich die Fohlenelf zum Meister küren. Kurz nach der Pause steht es 4:0 für Borussia, anschließend kommen die Hanseaten noch bis auf 3:4 heran. Den Sieg retten Netzer und Co. über die Zeit. Borussia wird zum ersten Mal in der 70-jährigen Vereinsgeschichte Deutscher Meister. Dabei hat die einstige Tormaschine vom Bökelberg nicht die meisten Treffer der Liga erzielt, dafür aber erstmals die wenigsten Gegentore kassiert. Weisweilers Meisterpuzzle geht auf, und der Trainer verlängert seinen Vertrag.

      Eine halbe Stunde vor dem Anpfiff und damit deutlich später als normalerweise vor Bundesligaspielen treffen Netzer, Kleff und Le Fevre schließlich am Betzenberg ein. Sie sind die Letzten. Ihre Mitspieler haben es mit ihren Mitfahrgelegenheiten schneller ins Stadion geschafft – dafür vermutlich ohne Kaffee. Als „gewöhnliche“ Zuschauer in die Umkleide der Gästemannschaft zu gelangen, erweist sich als nicht allzu schwierig. „Die Ordner wussten längst Bescheid, was passiert war“, erzählt der Torwart. „So war es für uns sehr einfach, in die Kabine zu kommen.“

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      Im ungewohnten Dress auf dem Betzenberg: Borussia tritt beim 1. FC Kaiserslautern in Blau-Weiß an.

      Als endlich alle Spieler da sind, bemerken die Borussen aber schon den nächsten Schlamassel. Bei der Anhalter-Aktion auf der Landstraße sind die Kisten mit den Trikots, Hosen und Stutzen offenbar im Bus geblieben. Lediglich die Schuhe haben es in die Kabine geschafft. Die Heimmannschaft muss also aushelfen. Vom 1. FC Kaiserslautern leiht sich der VfL die Spielkluft aus. Die schwarz-weiß-grüne Borussia spielt notgedrungen in Blau-Weiß. Die turbulenten Ereignisse rund um die Anreise haben allerdings keinen negativen Einfluss auf die Darbietung der Weisweiler-Elf, die an diesem Nachmittag zu einem lockeren 4:1-Erfolg kommt. „Das hat uns nicht aus der Ruhe gebracht“, sagt Wolfgang Kleff, der angesichts des souveränen Auftritts seiner Mannschaft gar fordert: „Diese Kluft sollten wir unbedingt kaufen, nachdem sie uns hier so viel Glück gebracht hat.“ Dieser Wunsch des Schlussmanns sollte allerdings unerhört bleiben. Für Kleff belegt die abenteuerliche Anreise zu diesem Auswärtsspiel im Nachhinein nur eins: „Selbst eine Panne konnte uns auf dem Weg zur ersten Meisterschaft nicht stoppen.“

       Denjenigen, der mich zum Mannschaftsführer vorgeschlagen hat, bringe ich noch um.“

      Günter Netzer, der als Kapitän nach der errungenen Meisterschaft zahlreiche Ehrungen stellvertretend für das gesamte Team entgegennehmen muss.

      PERSONALIE

      KAISER, FÜR KURZE ZEIT EIN KÖNIG Es dauert nicht mal drei Minuten, bis Werner Kaiser Geschichte schreibt. 19 Jahre ist der Angreifer jung, als er am zweiten Spieltag zum ersten Mal Bundesligaluft schnuppert. Der Deutsche Meister Bayern München gastiert am proppevollen Bökelberg, und Kaiser, bislang nur in der Amateur-Mannschaft des VfL zum Einsatz gekommen, wird in der Halbzeit bei 0:1-Rückstand für Peter Meyer eingewechselt. In der 48. Minute trifft der „Tank“ (Netzer über Kaiser) zum 1:1. Borussia dreht das Spiel und gewinnt sechs Tage vor Kaisers 20. Geburtstag noch 2:1. In den folgenden zwei Spielen steht der Stürmer, der laut Westdeutsche Zeitung seinen Mangel an Technik mit einem ausgeprägten Torriecher wettmacht, in der Startelf. Beide Male erzielt er bei den 2:1-Erfolgen des VfL einen Treffer. Auch in seinem vierten Bundesligaspiel trifft Kaiser. Dennoch muss er kurz darauf seinen Platz in der Mannschaft räumen, weil Netzer und Wimmer zu alter Form finden. Zehn Einsätze stehen am Ende für Kaiser zu Buche, seine vier Tore sind ein Mosaiksteinchen auf dem Weg zum Titelgewinn. Der Stürmer wechselt danach zum 1. FC Saarbrücken.

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      Ausgleichstor durch Klopapier

      Fassungslos holt Wolfgang Kleff den gerade neben ihm eingeschlagenen Ball aus den Maschen. Einen Moment lang ist Borussias Keeper im Zweitrundenspiel des Landesmeister-Wettbewerbs gegen den FC Everton nicht aufmerksam, da ist es passiert. Und woran lag’s? Klopapierrollen! Die vielen englischen Schlachtenbummler in der Gästekurve des Bökelbergstadions haben in der Pause zahlreiche von ihnen auf das Spielfeld geworfen.