Friedrich S. Plechinger

Albrechts Chroniken IV


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Verraten und verkauft hatte man mich. Die, die ich für treu hielt, waren nichts anderes als Parasiten. Doch genug davon. Ich konnte dieses Spiel genauso spielen. Jetzt begriff ich, wie wichtig eine Erneuerung der Beziehung zwischen mir und Eduardo Cortez schien. Er hatte recht. Pinzon hatte recht. Jacques und Gilles hatten recht. Ja sogar der, den ich nie wieder in meinen Gedanken zu wissen hoffte und dessen Namen ich nie wieder aussprechen zu müssen hoffte, hatte recht. Der Teufel selbst. Bab Pha Med. Warum also nicht ich? Warum sollte ich nicht das gleiche Spiel mit diesen Verrätern spielen?

      Ich brauchte jedoch treue Männer an meiner Seite. Männer, die an mich glaubten und in den Tod für mich segeln würden, wie die wenigen damals in Äthiopien, die für mich in den Tod ritten. Heute noch denke ich an jeden Einzelnen von ihnen. Wie sich wohl Friedrich und Horst in Ashkelon machten? Ja für diese zwei würde ich meine beiden Hände ins Feuer legen, doch sie waren weit, weit weg.

      „De Saddeleye, bring mir Cortez in mein Zelt. Und ich will bis auf Weiteres nicht gestört werden. Verstanden?“

      „Zu Befehl, mein Admiral!“

      Ich begab mich zum Zelt und warf meinen Mantel auf die unaufgeräumte Pritsche. Der Wind, der hineinblies, drohte meine Aufzeichnungen und die Mappen vom Tisch zu fegen. Doch ein Krug, noch mit Wein aus dem Languedoc gefüllt, beschwerte sie und so rollten sie sich nur auf und zu. Ich nahm einen Zinnkrug, füllte ihn mit dem Wein und warf einen Blick auf eine der Mappen. Handgezeichnet und vom Seesalz vergilbt drohte diese so wichtige Karte auseinander zu bröseln. Das durfte nicht geschehen. Richard würde mir in den nächsten Tagen eine Kopie fertigen.

      Der Vorhang öffnete sich und ein erholter Cortez machte mir die Aufwartung.

      „Mein lieber Eduardo, nimm doch bitte Platz. Darf ich dir einen Wein reichen, Bruder?“ Nicht nur Cortez wunderte sich über die ihm entgegengebrachte übertriebene Freundlichkeit, ich wunderte mich ebenso. Monatelang hatte ich diesen Mann verspottet, gedemütigt, geschlagen und gefoltert. Vielleicht waren es sogar schon Jahre, ich erinnerte mich nicht mehr.

      „Admiral?“ Cortez verbeugte sich und nahm schüchtern auf einen Schemel Platz.

      „Ich habe über vieles nachgedacht, Eduardo. Ja, wir haben uns wieder genähert, jedoch dies nur auf eine Arbeitsbasis beschränkt. Ich habe mich jedoch entschlossen, dir wieder zu vertrauen, wie ich es einst tat. Du hast mir in vielen Dingen die Augen geöffnet, was aber nicht heißt, dass ich vor lauter Wald die Bäume nicht sehe!“

      „Gewiss, Admiral. Ich verstehe ...!“

      „Die Reliquien müssen zurück in eure Hände, dafür werde ich Sorge tragen …!“

      „Mein Admiral, ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll ...!“, rief Cortez verzückt und glücklich.

      „Jedoch brauche ich dich ebenso für einen Plan, Eduardo. Für unseren Plan. Ich will mich an diesem Pack rächen und es ihnen heimzahlen. Nicht nur haben sie mich von meiner Familie frühzeitig getrennt, nein, ich war nicht einmal zugegen, als meine Frau starb, nachdem sie meinen Sohn geboren hatte. Dann der ganze Verrat und die Sache mit der Vatikanlüge. Ich frage mich, Bruder, warum schlagen wir sie nicht zusammen mit derselben Waffe?“

      „Ich versteh nicht ganz ...!“

      „Ich brauche dich, Eduardo Cortez. Ich brauche Pinzon ebenso, und sobald wir nach La Rochelle zurückgekehrt sind, werde ich Jacques und Gilles Montfort die Freiheit zurückgeben. Du musst mir jedoch hoch und heilig schwören, mich nicht mehr anzulügen und an meiner Seite zu stehen. Und wenn ich dafür einer von euch werden müsste!“

      „Was hast du vor, mein Bruder?“ Cortez Augen wurden zu dunklen Schlitzen. Das Weiß der Augäpfel war nicht mehr zu sehen, nur die schwarzen, vergrößerten Pupillen füllten die Augenhöhlen. Vorsichtig legte Cortez den Kelch zur Seite und faltete seine Hände wie zum Gebet.

      Ich erzählte ihm von meinem Plan und von der Notwendigkeit, treue Männer zu rekrutieren, die es nicht besonders mit dem Papst hätten. Mit ihnen schlicht und ergreifend den Orden zu infiltrieren. Männer, die den Mund halten konnten und bedingungslos bei der Sache mitmachten.

      „Aber mein Admiral, das wäre ja Seeräuberei?“

      „Ach, erspar mir bitte diese Scheinheiligkeit. Du und Farid habt jahrelang unentdeckt Seeräuberei betrieben und am Sklavenhandel verdient sowie an den wenigen Fahrten, die du schon vor uns in dieser fernen Welt betrieben hattest. Nun? Was sagst du dazu?“

      „Ja, ich kann mich noch daran erinnern, dass wir solch ein Unternehmen schon mal besprochen hatten. Jedoch hattest du dich schnell umentschieden und die ewige Treue zu eurem Bund geschworen …!“

      „Damals war ich jung und blind. Jeder konnte mit mir umgehen, wie er es wollte, und nur die Tatsache, dass ich die Missionen überlebt und die Aufträge bis zum Punkt und zur vollsten Zufriedenheit des Großmeisters ausgeführt habe, brachten mich zu dem Rang, den ich jetzt führe. Du selbst hast mir gesagt, dass Hugues es so nicht hatte kommen sehen. Ich brachte Erfolg und Gold, und daran ist er am Ende vielleicht gestorben. An seiner eigenen Bosheit und am Gram. Also? Was ist? Wir schulden niemandem etwas!“

      „Oh doch. Wir schulden der Menschheit die Wahrheit, Albrecht … verzeiht ... Admiral!“

      Erstaunt drehte ich mich um, denn schon seit Langem hatte mich keiner mehr beim Namen genannt. Ja, so hieß ich. Albrecht Viermundt.

      „Nein, nein. Entschuldige dich nicht. Wie lange schon habe ich diesen Namen nicht mehr gehört. Ich danke dir, dass du mich daran erinnert hast. So sehr habe ich in diesem Wahn geschwelgt, dass ich es fast selbst vergessen habe … Albrecht … ja, so heiße ich in der Tat! Wie alt bin ich nun, Eduardo? Ich weiß es selbst nicht mehr!“

      „34 Jahre alt seid ihr, mein Admiral!“, sagte Cortez leise, denn auch er erinnerte sich an den kleinen Jungen, der einst seinen Vater im Heiligen Land suchte, so viel auf sich nahm und Unmögliches vollbrachte.

      „Ich werde mich eurem Plan anschließen, Admiral!“

      „Bruder. Nenn mich Bruder … Eduardo!“

      „Du kannst dich auf mich verlassen, Bruder. Lass uns diesen Plan gemeinsam durchführen und mit dem Erzielten Klöster der Wahrheiten erbauen. Ja, euer Orden hat schon lange den richtigen Weg verlassen. Soweit seid Ihr davon abgekommen, dass nur wenige es erkannt haben und den richtigen Pfad erneut suchen!“

      Wir umarmten uns und besiegelten damit unser Schicksal.

       DER NEUE BUND

       2. JUNI 1137

      Die Magdalena war reisefertig und Gernot sowie François hatten vorbildliche Arbeit geleistet. Wasser und Nahrung für dreißig Tage wurden tief im Bauch der Kogge verstaut, und Eduardo Cortez war nun der neue Mann zu meiner Rechten und von meiner Seite nicht mehr wegzudenken. Ascanio vernahm es wohlwollend, zum Glück, und ließ er sich nicht beeindrucken, solange er die Mannschaft an Bord fest im Griff hatte und ich ihm ständig sinnvolle Befehle gab, die er dann selbstsicher weiterschrie, als ob er der eigentliche Kommandeur des Kahns wäre. Die Männer wussten jedoch Bescheid, dass ein Haupthahn über ihnen krähte. Ich amüsierte mich köstlich und mochte Ascanio mit jedem Tag mehr. Leidenschaftlich und voller Lebensfreude war er eine Inspiration für uns alle.

      Anukai näherte sich, begleitet von mehreren Kanus, die von Inuvik gerudert wurden, und ich reichte ihm die Hand, um ihn an Bord zu hieven.

      Auch reichte ich ihm einen Kelch unseres Weines und er nahm einen kräftigen Schluck daraus. Rauk, der sich wieder besonnen hatte und sich bei mir mehrmals entschuldigte, bekam von mir die Vergebung, die er suchte, und durfte weiterhin als Übersetzer fungieren. Ralf de Saddeleye holte das Geschenk, das ich dem alten Oberhaupt überreichen wollte. Eingewickelt in Seidenstoff steckte eines der Schwerter, die ich zuhauf in La Rochelle hatte schmieden lassen. Genau für solche Zwecke. Mit großen Augen bewunderte Anukai das Geschenk und schaute mir freudestrahlend in die Augen. Es gefiel ihm. Auch er hatte mir etwas mitgebracht und reichte mir den Lederbeutel, den ich einst in seinem