Bozhana Apostolowa

Kreuzung ohne Wege


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      Bozhana Apostolowa

      Kreuzung ohne Wege

      Bozhana Apostolowa

      Kreuzung ohne Wege

      Roman

      Aus dem Bulgarischen übersetzt von

      Ines Sebesta

      Herausgegeben von

      Nellie und Roumen Evert

      Die edition Balkan im Dittrich Verlag ist eine Gemeinschaftsproduktion mit CULTURCONmedien

      Bibliografische Information der Deutschen

      Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über >http://dnb.ddb.de< abrufbar.

      ISBN 978-3-937717-55-5

      eISBN 978-3-943941-36-4

      © Dittrich Verlag GmbH, Berlin 2010

      Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

      »

« im Verlag Janet45, Sofia, 2005 Umschlaggestaltung: Guido Klütsch unter Verwendung eines Bildausschnittes aus »Contact« von Matey Mateev

      www.dittrich-verlag.de / www.culturcon.de

      1.

      »Du, ich war sehr verliebt, aber geholfen hat’s nichts, auch wenn ich mich noch so bemühte.«

      »Bemüht hast du dich? Liebe ist doch eher so, als würde man einen Krückstock polieren. Wenigstens für die Männer.«

      »Ausgerechnet du musst das sagen! Hau bloß nicht so auf den Putz. Kennst du den Spruch von John Updike: ›Die männliche Liebe hält vom Anfang des kleinen Strahls bis zu seinem Ende.‹ Und wenn schon, Iwan und ich machten es zwei, drei Mal am Tag; ja, wirklich, zwei, drei Mal. Und jedes Mal begann unsere Liebe mit neuer Kraft.«

      »… oder animalischer Leidenschaft; mit dem Wunsch, ihn in deinem warmen Loch zu versenken und dabei die Kohle deines Vaters zu streicheln.«

      »Was ist denn mit dir los, Cecil?! So hast du noch nie geredet! Und was hat mein Vater damit zu tun? Es ist ja gruselig, dir zuzuhören.«

      »Aber es zu tun, findest du nicht gruselig. Du hast mir doch selbst von deinen Spielchen erzählt, von deinen geilen Tricks, und davon, wie er ihn an deinen Brustwarzen reibt, und jetzt spielst du die Schamhafte!«

      »Hör auf, bitte! Es kommt eben immer der Moment, an dem ich mich vergesse; das Gefühl ist so irre, dass ich nicht mehr weiß, wo ich bin. Und mit Iwan zusammen spüre ich dazu noch eine Art von Wärme, die mir fast die Luft nimmt. Denn ich liebe ihn … Ich habe dir doch erzählt, wie es angefangen hat – als hätte jemand ein Streichholz angezündet. Daraus ist dann ein richtiges Feuer geworden, und mein Verstand, mein Gott, der hat sich in Rauch aufgelöst.«

      »Und während du ihn liebst, vögelst du noch mit zwei anderen rum, stimmt’s?«

      »Ja, aber das ist etwas anderes, das kann man nicht vergleichen. Ich ertappe mich oft dabei, dass ich es mag, meinen Körper zu zeigen und die Augen der Männer zu erfreuen – nackt, schön, jung. Sie berühren mich wie eine Skulptur, ich spüre ihre Anbetung und Schwäche in ihren Fingern.«

      »Du bist ein kleines Flittchen, meine Liebe. Aber weißt du was, während du mir deine Extravaganzen erzählst und mir dein Herz ausschüttest, sehe ich, wie dein Körper weint, und darum werde ich jetzt endlich einen Brocken ausspucken. Nicht wahr, heute ist es modern zu sagen: ›Das Leben gehört dir, zieh es dir rein!‹ Schön, zieh es dir ruhig rein, doch dreh dich von Zeit zu Zeit um und schau dir an, welchen Mist du gemacht hast. Auch ich liebe Sex und genieße ihn. Auch ich habe gern Spaß und lass mich treiben, doch ich behaupte nicht, nur den Einen zu lieben, während ich jeden Tag einen Andern im Bett habe. Eure Generation ist so …«

      »Hör bloß auf mit diesem Generationsgerede, es kotzt mich an! Eure Generation dies, eure Generation das … Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert!«

      »Ich weiß, die heutige Zeit ist anders, doch die Seele des Menschen ist etwas Einzigartiges. Sie ist der Maßstab, das Ein und Alles!«

      »Du mit deinem ewigen Rumphilosophieren! Du hast mich genug vollgesülzt, lass mich in Ruhe. Wenn ich eins begriffen habe: Bist du schön und hast Geld, ist alles in Ordnung. Woher du das Geld nimmst, ist völlig unwichtig. Wichtig ist, dass du es ausgibst und dir alles leisten kannst, dass du zum Beispiel ein weißes Kamel reiten kannst, wenn dir danach ist!«

      »Hoch lebe dein Papa, nicht wahr! Und diese Typen um dich herum.«

      »Die Typen … Es stimmt schon, ich gebe das Geld meines Vaters aus, aber das ist ja das Natürlichste von der Welt.«

      »Hast du mal daran gedacht, dir dein Geld selbst zu verdienen, so wie ich es tue?«

      »Klar könnte ich das, aber wozu soll ich mich quälen, wenn ich’s doch habe. Es macht mir Spaß, es zu verschwenden! Du dagegen bist gezwungen zu arbeiten und deine Tochter durchzufüttern.«

      »Ich habe eben keinen reichen Papa. Aber lass bloß Diana aus dem Spiel.«

      »Und du, lass meinen Vater in Ruhe, er ist ein Heiliger.«

      »Pass mal auf, meine Liebe, Heilige gibt es nur im Himmel. Hier auf der Erde rackern wir uns durch, solche wie du und ich, mit unseren zwei Beinen und zwei Händen. Leider werden wir oft kräftig durchgeschüttelt, und greift dann einer wie dein Vater dir unter die Arme, dann finde ich das schrecklich. Obendrein füttert er auch noch kräftig deine Illusionen: ›Papas Schöne‹, ›Zuckerschnütchen‹, ›meine Klügste‹, der kleine Schatz, der alles bekommt, was er will! Ein Wink und Papi greift nur kurz in die Tasche und gibt, und gibt …«

      »Ja und, ich bin doch seine Tochter.«

      »Ich weiß. Trotzdem. Der Vater ist nicht nur dafür da, Kohle rüber zu reichen. Familie ist etwas Großartiges, Maria.«

      »Ich habe alles, was ich will. Das andere ist leeres Geschwätz – ›etwas Großes‹, ›die Seele‹. Was soll das, wozu führst du dich so auf? Komm mal wieder runter! Ich kenn dich doch.«

      »Ich bin schon lange auf der Erde und ich wate mehrmals am Tag in ihrem Schlamm herum. Noch bevor ich zum Studieren nach Sofia kam, war ich schon ganz unten gelandet. Und dabei hatte ich mir das Leben so schön vorgestellt. Wovon ich alles geträumt habe: Designerin werden, eine von Gott Auserwählte, die Schönes kreiert. Doch dann an der Kunstakademie … Ach lassen wir das! Sie kann mich mal, die Akademie!«

      »Aber du hast goldene Hände, sonst wärst du doch nie meine Designerin geworden.«

      »Sei bloß still, du bist noch keine zwanzig und willst mir was von hohen Ansprüchen erzählen! Wie eine dieser reichen Tussen, die sich zu mir schleppen und mir für ein bescheuertes Outfit die Tausender hinblättern. Du unterscheidest dich in nichts von ihnen. Ihr alle seid blöde Ziegen auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit. Während ihr glaubt, ihr hättet den Herrgott am Kragen, geht ihm das alles am Arsch vorbei, und er amüsiert sich über eure Beschränktheit. Wir sind eine Gesellschaft von unersättlichen Geiern. Wenn wir es könnten, würden wir uns gegenseitig auffressen. Wir wollen nur immer noch mehr, stopfen gierig alles in uns hinein, schlingen alles runter … Und was haben wir zu geben?«

      »Was geht mich das an, was wir geben! Jeder was er kann und mag. Mein Vater zum Beispiel …«

      »Dein Vater holt sich, was er kriegen kann!«

      »Ich will nicht, dass du meinen Vater