du. Ich rackere mich ab wie eine Idiotin, und was hab ich davon? Ich meine jetzt nicht das Geld, sondern das, was du nicht verstehst, weil du es nicht kennst – ich möchte mich als Mensch verwirklichen, als Designerin. Ich will das machen, was ich gelernt habe, und dabei will ich mein Talent und meinen Verstand einbringen und euch nicht immer nur bedienen. Aber ich bin an dem Punkt, dass ich mich mit allen möglichen verrückten Tussen und abgewrackten reichen Schickimikiweibern arrangieren muss. So ist es doch! Erst ein Kompromiss, dann noch einer … Und immer muss ich ihnen gefällig sein, weil sie die Kohle haben und ihnen schmeicheln. Es ist so weit gekommen, dass ich schon keine Selbstachtung mehr habe. Ich hasse mich!«
»Aber wir respektieren dich doch!«
»Sei still, du verstehst gar nichts. Weißt du, wie meine Tage aussehen? Ich werde ganz krumm vor lauter Schufterei! Und das schon seit dem Studium – am Tag habe ich gelernt und die ganze Nacht über genäht. Ich habe Diana allein groß gezogen. Und wofür das alles? Die Arbeit, die ich im Moment mache, befriedigt mich überhaupt nicht, denn Leute wie du legen keinen Wert auf das Schöpferische in mir. Sie picken sich irgendwelche abgedrehten Ideen aus irgendeinem Hochglanzblättchen und zwingen mir überheblich ihren Blödsinn auf. Aber wie man so sagt: Der Kunde ist König, und ich habe überhaupt keine Wahl. Ich muss es tun, sonst geht Dianas Ausbildung den Bach runter, und irgendwie leben muss ich ja auch!«
»Warum bist du auf einmal so kleinlich! Mach doch einfach so weiter, dann fließt das Geld, und du wirst so reich wie wir. Warum machst du dir Gedanken?«
»Weil es in meiner Seele anders aussieht.«
»In deiner Seele … Immer suchst du unter dem Bullen nach einem Kälbchen. Wann kapierst du endlich, dass das so nicht klappt! Entweder du bist reich oder …«
» … oder ich mache es so wie du und setze meinen Haufen dorthin, wo es mir gerade einfällt. Egal, ob gedreht oder gelockt, es ist und bleibt Scheiße.«
»Du bist unmöglich!«
»Was heißt hier unmöglich, denk lieber mal nach. Wenn ich nicht schöpferisch tätig sein kann, habe ich keine Freude. Aber ich will diese Freude, ich will sie! Ich arbeite, weil ich die Kohle brauche, ich schlängele mich den ganzen Tag durch einen Wald von Problemen, und schlage mir die Stirn blutig. Mache ich es der einen Kundin recht, ist schon die nächste mit einem Problem da. Und so geht das immer weiter, bis sich mir alles dreht. Immer muss ich heucheln, mich anbiedern, verdammt noch mal! Und wenn am Ende das Problem gelöst ist, dann nur durch einen beschissenen Kompromiss. Und um mich rum drängelt sich die ganze Zeit ein Haufen Leute, von denen sich jeder für den Wichtigsten hält. Es steht mir bis zum Hals. Manchmal hätte ich Lust zu schreien: ›Ich bin genau so ein Stück Scheiße wie ihr – fette, stinkende Scheiße!‹ Aber wenn in diesem Moment eine Kundin zur Tür hereinkommt, muss ich ganz brav sein: ›Was kann ich für sie tun, meine Liebe? Zu Diensten, Gnädigste.‹«
»Na klar, was denn sonst?!«
»Was anderes eben! Es gibt sicher Möglichkeiten, aber dafür musst du einen Arsch in der Hose haben. Mein Arsch scheint sich nur auf dem Klo anzustrengen. Da kannst du mal sehen, worin wir beide uns ähneln.«
»Wie grässlich, hör auf! Hau am besten ab! Ich dachte, du stehst mir nahe, doch jetzt kommt raus, du bist nur gemein, neidisch und obendrein noch schwächlich. Immerhin bist du die Mutter meiner besten Freundin.«
»Du irrst, meine Kleine. Ich bin eine Melkerin. Ich greife mir eure Zitzen und massiere die warme Milch heraus. Dabei sollte ich auf euch scheißen.«
»Kannst du nicht endlich damit aufhören! Du siehst doch, dass ich nicht mehr zuhöre. Und tu nicht so, als seist du Coco Chanel – wir leben in Bulgarien! Außerdem war die in Wirklichkeit ein Ungeheuer. Dabei habe ich mich dir nahe gefühlt, habe dich für eine Heilige gehalten, die ihre Tochter allein großgezogen hat, für meine Freundin! Auch wenn du fast ein Vierteljahrhundert älter bist als ich, bist du doch meine Freundin geworden. ›Ich bin Ihre Designerin, speziell für Sie habe ich dieses Modell geschaffen! Oh, liebe Maria, wie dieses Kleid deine Individualität unterstreicht, sowas kann nur ich, die große Cecil. Und ich rate dir, vergiss diese Markenlappen, du verplemperst nur Papas Geld. Du brauchst einen eigenen, individuellen Stil, der den aktuellsten modischen Trends entspricht.‹ Cecil, angeblich die Top-Designerin. Die große Cecil! Aber das bist du gar nicht, du bist und bleibst die kleine Sija aus dem Dorf Golemo Butschino. Hau bloß ab, ich will dich nicht mehr sehen!«
»Ich bin tatsächlich, nicht angeblich, die führende Modedesignerin im Land. Solche Nervensägen wie du sind nur ein Haufen Scheiße, nicht mehr und nicht weniger. Und weißt du was, ihr alle werdet weiter zu mir kommen, ihr werdet weiter überhöhte Preise zahlen, nur um etwas zu haben, was ihr über eure rosaroten Tangas ziehen könnt.«
»Mensch Cecil, du bist heute völlig durchgeknallt. Ich habe deine Sprüche satt – das Schöpferische, die Seele, die Selbstverwirklichung. Hau jetzt endlich ab, sag ich dir. Verschwinde!«
Im Treppenhaus hallte das Krachen der ins Schloss gefallenen Tür. Mehrere Stufen auf einmal nehmend rannte Cecil los. Das Klappern der Absätze bohrte sich in ihr Hirn. Ihr Kopf war zum Platzen gespannt. Sie spürte, wie es ihr hochkam. Was sich in ihrem Inneren angestaut hatte, wollte wie ein Geysir hervorbrechen, doch sie drängte es zurück. Durch lautes Zählen versuchte sie sich abzulenken: eins, zwei, drei … Doch plötzlich begann sie zu taumeln, sie blieb stehen und spuckte auf den glänzend polierten Marmor.
Die Begegnung mit Maria ging ihr nicht aus dem Kopf. Was zum Teufel sollte diese ganze Szene, was hatte sie in Marias gestyltem Wohnzimmer demonstrieren wollen, wem wollte sie was beweisen? Warum hatte sie ihr Herz vor diesem Dummchen, das so alt war wie ihre Tochter, ausgeschüttet? Und was sollte dieser Irrsinn, eine Stunde lang Dreck zusammenzukehren, um ihn dann über sich selbst auszuschütten. Hoffentlich erfuhr Diana nichts davon. Und schließlich war Maria, dieser kleine süße Hintern, eine Kundin, die Achtung und Komplimente verdiente. Sicher war sie launisch und kapriziös, aber auch großzügig, sehr sogar, und dann musste sie das Mädchen mit Moralpredigten volllabern. Und was erreichte sie damit? Dass Maria es mit der Angst zu tun bekam und wie viele Menschen, die Probleme mit dem Denken haben, ihr den Laufpass gab und womöglich noch andere Kundinnen mitzog. Sie waren doch alle aus demselben Holz geschnitzt. »Was bin ich nur für eine dumme Gans!«
Plötzlich tauchte buchstäblich vor ihrer Nase eine weiße Wand auf – sie war im Dachgeschoss gelandet; anstatt hinunter zur Haustür war sie in die entgegengesetzte Richtung gelaufen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich umzudrehen und die Treppe wieder hinunterzusteigen.
Als die Wohnungstür ins Schloss krachte, wusste Maria, dass sie allein war. Diese frigide Zicke. Eine totale Masochistin, die wollte sich doch nur selbst kaputtmachen und ihren blöden Designerfummel. Redete nur Quatsch. Mich zum Nachdenken bewegen will sie. Wer braucht schon ihren Rat? Es gibt nur ein Leben und ich werde es leben, wie es mir gefällt. Und jede Menge Spaß haben!
Sie senkte den Kopf, zog die Brauen hoch, wie Cecil es immer tat, und reckte sich. Stille. Sie ging zur Kochnische hinüber und toastete sich eine Scheibe Brot, wie immer, wenn sie nervös war. Eilig schmierte sie Butter drauf und belegte sie mit Räucherlachs. Nachdem sie hastig gegessen hatte, begann sie ziellos durch das Wohnzimmer zu laufen. Der mit edlen Dingen bestückte Raum auf ihrer Etage der dreistöckigen luxuriösen Familienvilla beruhigte sie allmählich. Maria leistete ungern Widerstand, nur wenn es sich nicht umgehen ließ, und dann tat sie es halbherzig. Sie war zart und schön und nahm das Leben wie einen Kuss. Die Dramen anderer Leute mochte sie gar nicht, sie ging Unannehmlichkeiten lieber aus dem Weg, um sich an dem Schönen zu erfreuen. Sie versuchte das Unbehagen hinunterzuschlucken, ein wenig mühsam, wie ein Bulgare, der zum ersten Mal in einem guten Restaurant Weinbergschnecken schlürft. Sie wollte das Vorgefallene abschütteln, Cecils Unzufriedenheit. Sie legte keinen Wert darauf, sich über die Dinge klar zu werden. Sie nahm sie so, wie sie waren, basta. Das Einzige, was sie verstanden hatte, war, dass sie nichts verstand, genauso wie im Unterricht. Sie grübelte nie über etwas nach, sie paukte die Lektionen und betete sie an der Tafel herunter. Sie tat es mit einem gewissen Gefühl von Überlegenheit, und wenn die Lehrerin kurz davor war, sie auf den Boden der Realität zu holen, senkte Maria intuitiv den Blick, und der