Vladislav Bajac

Das Buch vom Bambus


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Klang Einfluss zu nehmen, da wir ja nicht wussten, welche Klänge gut und welche schlecht waren. Diesmal war das für mich bedeutungslos. Der Meister ließ es mich indirekt wissen.

      »Cao, wenn der Gast kommt, von dem ich gesprochen habe, halten wir ein Cha-no-yu ab. Dich habe ich ausgesucht, damit du uns bedienst und Gesellschaft leistest. Ich möchte, dass der Tee so ist, wie er sein soll, und du auch.«

      Mit einer Verbeugung zeigte der Rōshi das Ende meines Besuchs an. Die Entscheidung duldete keinen Widerspruch. Abgesehen davon hatte sie eine Ehre für mich zu sein.

      Ryokai brach in Freude aus, als ich mich seiner Hartnäckigkeit beugte und ihm erzählte, was mir der Meister aufgetragen hatte.

      »Weißt du, Cao, seit ich hier bin, ist mir noch nicht die Ehre einer solchen Einladung zuteil geworden. Jetzt wirst auch du auf deine Art die erste offene Bestätigung erfahren, dass du nicht umsonst hier bist.«

      »Immer langsam, Ryokai. Warte erst mal ab, bis alles vorbei ist, dann sehen wir, ob du recht hast.«

      Der angekündigte Besuch ließ nicht lange auf sich warten. Schon wenige Tage später wurde der Gesandte, dessen Eskorte außerhalb der Klostermauern geblieben war, ins Empfangszimmer geführt. Vor dem Zimmer legte er die mitgebrachten Geschenke ab: mehrere Rollen Seide, Bögen geschöpften Papiers, Tuschen, ein Dutzend Paar Holzsandalen und eine große Schreibtafel mit Ständer.

      Dem Brauch entsprechend wurde der Gast allein gelassen, um auf den Rōshi zu warten.

      Ich setzte im Nachbarzimmer über glühender Kohle das Wasser auf und rief mir die kurze Anleitung in Erinnerung, die vom Begründer der Teezeremonie Sen no Rikyū stammte. In ihr gab es keine unbekannten Eigenschaften, unverständlichen Botschaften oder höheren Kräfte. Das Wasser musste kräftig sieden und über die zerkleinerten Teeblätter gegossen werden, wobei mit dem Geschmack versucht werden sollte, im Winter ein wärmendes und im Sommer ein kühlendes Gefühl zu erzeugen. Als ich die Schalen und den Teekessel bereitgestellt hatte, läutete ich mit dem Holzschwengel die Glocke, um den Beginn der Zeremonie und mein Eintreten anzukündigen.

      Auf der Tatami mir gegenüber saß der Meister in würdevoller Ruhe und zeigte keinerlei Regung, als ich erschien. Ihm gegenüber saß ein kräftiger Rücken in einem farbenprächtigen Kimono. Das Rückgrat bedeckte ein langer, ordentlich in glänzendes Band gewickelter Zopf. Ich kniete mich zwischen die beiden und zeigte mit einer Verbeugung an, dass es nun an der Zeit war, sich in Stille und Dankbarkeit dem Tee zuzuwenden. Sie erwiderten meine Verbeugung. Ich drehte mich dem Rōshi zu und goss Tee in seine Schale. Unsere Blicke trafen sich. Ich zuckte zusammen, denn sein Gesicht verriet kaum merklich Erwartung und bevorstehende Missbilligung. Ich senkte den Blick und wandte mich dem Gast zu. Während ich ihm Tee einschenkte, sah ich ihm ins Gesicht. Er blickte mich nicht an, sodass ich meine Überraschung angesichts der pausbäckigen Wangen, des ausgeprägten Doppelkinns und der kleinen runden Augen offen zeigen konnte. Meine Hand zitterte kein bisschen. Ich kehrte an meinen Platz zurück und trank wortlos die Flüssigkeit. Den Meister sah ich erst wieder an, als ich mit einer neuerlichen Verbeugung den Raum verließ. Sein Gesicht war so ausdruckslos, dass man es noch nicht einmal eine Maske hätte nennen können.

      Das Zimmer betrat ich an diesem Tag – der Gesandte war da schon längst auf dem Rückweg in die Residenzstadt – noch einmal, um das Geschirr zum Abwaschen zu holen. Ich stellte es zum Trocknen auf einen Ständer, wo es bis zu seiner nächsten feierlichen Begegnung mit dem Mund eines wichtigen Besuchers aufbewahrt werden sollte. Interessant, dachte ich, dass es noch nie vom Mund einer Frau berührt worden ist.

      Über ein halbes Jahr hatte es in meinen Gedanken keinen Platz für eine Frau gegeben. Was hatte denn das schon wieder zu bedeuten? Der Meister schien auch auf diese Frage eine Antwort zu haben. Als ich am nächsten Tag zu ihm gerufen wurde und ihm erneut gegenübersaß, sagte er:

      »Der Gesandte des Shoguns heißt Meno. Mit ihm werden wir fortan in Kontakt stehen. Er ist zum Vermittler zwischen Kloster und Herrscher bestimmt worden. Ich denke, dass der neue Shogun etwas länger als sein Vorgänger herrschen wird, weil er, wie ich Menos Worten entnommen habe, sehr durchschnittlich begabt, also sehr vorsichtig ist. Er wagt es nicht, allzu spürbare und jähe Veränderungen einzuführen, was ihn wahrscheinlich an der Macht halten wird. Außergewöhnliche Menschen waren nie als Herrscher genehm. Um Shogun zu sein, bedarf es anderer Eigenschaften. Was dich anbelangt, Cao, so hast du deine Sache gut gemacht, außer in einem Moment. Für dich war dieser Augenblick eine Überraschung, für mich nicht. Aber mach dir nichts daraus. In Zukunft kannst du mit den anderen Brüdern Almosen sammeln gehen.«

      Ich hatte ihn also doch zufriedengestellt. Jetzt konnte ich Ryokais Glückwünsche entgegennehmen und mich unter seinesgleichen willkommen sehen.

      XVI

      Beschleunigen? Ja. Eigentlich durch Vorgehensweisen, die die Ereignisse beschleunigen könnten.

      Sie schlich sich in Sungs Arbeitszimmer und legte ihm eine eingewickelte Handschrift ins Regal. Und wartete.

      Sung betrat das Zimmer und verließ es bis zum Abend nicht mehr. Als er erschien, ganz verzückt, mit feinen Spuren der Überraschung im Gesicht, kannte Chio bereits seine Frage:

      »Wer hat die Handschrift gebracht?«

      In der Frage schwang auch ein wenig Angst mit.

      »Niemand. Das heißt, ich.«

      »Aber woher hast du das? Weißt du, was das ist?«

      »Ich denke schon. Das ist mein Geschenk. Und woher ich das habe? Das ist doch unwichtig. Ich habe die Handschrift besorgt.«

      Sung sah sie misstrauisch an. »Sie hat sie besorgt!«

      Sie mochte ihm nicht sagen, woher sie das Material hatte. Reichte es ihr, ihm eine Freude zu machen oder verbarg sie ihre Quelle, weil sie mehr wusste, als er annahm, mehr als er wusste? Er beschloss, sie nicht zu bedrängen. Er hatte sie bereits soweit kennengelernt, dass ihm klar war, nichts aus ihr herausbekommen zu können, was sie nicht wollte.

      Und er überraschte sie. Er näherte sich ihr und presste seine Lippen lange auf ihre Stirn. Sie errötete. Er ging zurück ins Zimmer und machte sich abermals an die Lektüre der Schrift.

      Mein Name ist Obuto Nissan und ich bin der Hüter der Bambushaine. Ich werde versuchen, euch etwas von dem zu vermitteln, was ich über dieses Riesengras weiß. In diesem Teil werde ich über japanischen Bambus sprechen. Und dieser ist, wie auch die Menschen, anders als der im chinesischen Kaiserreich oder in Indien. Und meinen kenne ich am besten.

      Bis kurz vor dem Ende meines langen Lebens, da ich dieses schreibe, habe ich sechshundertsechzig Bambussorten kennengelernt, die ich in dreizehn Hauptarten eingeteilt habe. Die meisten habe ich mit Erfolg im Hain der Insel Kyūshū gepflanzt, deren Klima dem Bambus ganz besonders bekommt. Unsere Menschen leben mit dem Bambus von Geburt bis zum Tod und bemerken dabei nicht, wie sehr sie von ihm abhängen, wie sie ihn nutzen und was sie noch aus ihm herstellen könnten. Ich bin der Ansicht, dass er bei uns stärker im Alltag genutzt wird als in China. Selbst die Häuser aus Holz und Papier haben Decken aus Bambus, schmückende Reliefs, Dachrinnen, Abflüsse und Tokonoma aus Bambus. Aus Bambus flechten wir Körbe, fertigen Pfeifen, Pfeil und Bogen, Bänke, Stühle, Liegen, Blumenampeln; glückbringende Figuren, Vogelscheuchen, Gartenzäune, Gerätschaften für die Teezeremonie und vieles mehr.

      Ich hatte sogar eine Frau aus Bambus. In der Einsamkeit, in die ich mich so viele Jahre zurückgezogen hatte, erhörte ich einen chinesischen Besucher, und nach seinen Erläuterungen flocht ich einen zylinderförmigen, anderthalb Meter langen Korb, den ich in heißen Nächten umarmte und ein Bein über ihn legte. Auf diese Weise konnten die ihn durchdringenden Lüftchen mich kühlen und mir einen friedlichen Traum bescheren.

      Wenn ich euch sage, dass ich auch eine Tochter aus Bambus hatte, werdet ihr mir das nicht glauben. Aber sie kam wirklich aus einem Bambus zu mir und verschwand auch wieder dorthin. Allerdings ist das eine lange weitere Geschichte.

      Während