auch so die ganze Zeit Angst, dass du wieder irgendetwas anstellst.
ANTON: Ich habe mich doch zu eurem Wohl bemüht.
JOHANNA: Danke, du hast uns schon viel Wohl bereitet.
ANTON: Ich will von hier weg.
JOHANNA: Wir wollen alle weggehen.
ANTON: Ich bin müde.
MARINA: Wir sind alle müde.
ANTON: Das ist alles ermüdend und unangenehm. Ich geh´.
JOHANNA: (Hält ihn fest.) Sitz!
MARINA: Hör auf, nervös zu sein, Lieber. Soll ich dir einen Kaffee machen?
JOHANNA: Lass das, du hast ihn auch so verwöhnt.
MARINA: Was soll ich tun? Ich liebe ihn.
JOHANNA: Ich liebe ihn auch. Aber man darf mit ihm doch nicht die ganze Zeit zu nachsichtig sein. Und woher nimmst du hier Kaffee?
MARINA: Aus der Thermoskanne des Doktors.
ANTON: Lasst uns lieber Cognac trinken. Er hat viel davon. (Öffnet die Bar.)
MARINA: Nein, Lieber, das dürfen wir nicht. Wir müssen in Form sein.
ANTON: Ihr liebt mich so, und ich verursache euch nur Unannehmlichkeiten. Glaubt ihr, dass mich das Gewissen nicht quält?
JOHANNA: Anstelle von Gesprächen über das Gewissen, solltest du dich lieber bemühen, gesund zu werden.
ANTON: Ich bemühe mich. Aber diese Anwandlung ist stärker, als ich.
JOHANNA: Nicht sie ist stärker, sondern du bist schwächer.
MARINA: Du solltest ihm nichts vorwerfen. Das ist nicht der Zeitpunkt dazu.
JOHANNA: Du beschützt ihn ewig.
MARINA: Und du willst, dass ich ihn angreife? (Pause.)
JOHANNA: Es ist Zeit, auseinanderzugehen.
MARINA: (An Johanna.) Gehen wir, ich will dir etwas sagen.
ANTON: Ich geh´ mit euch.
JOHANNA: Nein, bleib hier! So werden wir ruhiger sein.
Marina und Johanna gehen. Bleibt alleine im Sessel des Doktors. Der Doktor tritt ein.
ANTON: Zu wem möchten Sie?
DOKTOR: Ich? Zu niemandem.
ANTON: Der Doktor ist nicht da. Warten Sie im Wartezimmer.
DOKTOR: Der Doktor bin ich!
ANTON: Seit wann?
DOKTOR: Wie, „seit wann“?
ANTON: Seit wann sind Sie Doktor?
DOKTOR: Ich bin es schon immer. Und werde es sein, bis ich verrückt werde. Was dank Ihnen sehr bald passieren wird.
ANTON: Nun, wenn Sie Doktor sind, dann gestatten Sie mir, eine Frage zu stellen. Aber ärgern Sie sich bloß nicht… Erinnern Sie mich, wie ich heiße.
DOKTOR: Haben Sie das denn wieder vergessen?
ANTON: (In die Enge getrieben.) Ja, irgendwie… Ärgern Sie sich bloß nicht.
DOKTOR: Ich ärgere mich auch nicht. Ich bin außer mir. Man kann das Gedächtnis verlieren, aber doch nicht bis zu so einem Grad!
ANTON: (Schuldbewusst.) Zum letzten Mal, Ehrenwort. Ich werd´s nicht mehr vergessen.
DOKTOR: Nun, gut. Sie heißen… (Hält inne.) Sie heißen… (Ist verwirrt.) Und wozu wollen Sie das alles wissen?
ANTON: Nun, wie denn… Vielleicht fragen Sie plötzlich danach?
DOKTOR: Wozu sollte ich fragen? Ich weiß es auch so.
ANTON: Dann also, wie denn?
DOKTOR: Sie heißen… Sie heißen… Warten sie… (Blättert in seinen Aufschrieben.) Sie heißen… Aha. (Feierlich.) Marina Glöckner.
ANTON: Ich – Marina?
DOKTOR: Nein, warten Sie… Das ist offenbar nicht Ihr Name. Aber Sie heißen… Ich hab´s doch aufgeschrieben… (Stöbert wieder in Papieren.) Hier:. (Wiederholt mit zusammengebissenen Zähnen.) Anton Glöckner, und seien Sie verdammt! Und wie viele Frauen Sie haben, wissen Sie?
ANTON: (Denkt angespannt nach.) Ich weiß nicht.
DOKTOR: Und ich weiß es auch nicht. Gehen Sie ins Wartezimmer und erinnern Sie sich. Und stören Sie mich nicht beim Arbeiten. Ich muss… schreiben… (Hält inne.) Verdammt nochmal, was muss ich schreiben?
ANTON: Meine Krankengeschichte.
DOKTOR: Richtig. Woher wissen Sie?
ANTON: Ich weiß nicht.
DOKTOR: Nun gut, gehen Sie mit Gott ins Wartezimmer und sitzen Sie dort ruhig.
ANTON: (Geht zum Ausgang, bleibt aber stehen. Scharf.) Doktor…
DOKTOR: (Fasst sich an den Kopf.) Was denn noch?
ANTON: Wissen Sie, welches mein Hauptproblem ist?
DOKTOR: Fehlendes Gedächtnis.
ANTON: Nein. Fehlendes Geld.
DOKTOR: Das ist für alle das Hauptproblem.
ANTON: Aber für mich besonders. (Unerwartet.) Leihen Sie mir etwas.
DOKTOR: Ich würde Ihnen leihen, aber Sie vergessen, es zurückzugeben.
ANTON: Ich vergesse es nicht. Ich unterschreibe eine Quittung.
DOKTOR: Und verschwinden.
ANTON: Wohin kann ich denn? Mein Pass ist doch bei Ihnen. Im äußersten Fall gibt Ihnen meine Frau das Geld zurück.
DOKTOR: Welche von beiden?
ANTON: (Vertraulich.) Versetzen Sie sich in meine Situation.
DOKTOR: Das würde ich mit Vergnügen machen, aber ich weiß nicht, worin sie besteht.
ANTON: Kommt es denn nicht vor, dass ein Mann zwei Frauen hat?
DOKTOR: (Mit großem Interesse.) Und Sie haben zwei?
ANTON: Eine.
DOKTOR: Welche denn?
ANTON: (Zweifelnd.) Ich weiß nicht.
DOKTOR: Ich verstehe nichts.
ANTON: Ich auch. Doktor, ich brauche dringend Geld. Eine Frage auf Leben und Tod. Leihen Sie mir welches. Ich gebe es Ihnen heute wieder zurück.
DOKTOR: Wie viel brauchen Sie?
ANTON: Wenigstens eintausend Euro.
DOKTOR: „Wenigstens“?
ANTON: Wenn Sie mit eintausend Probleme haben, geben Sie mir zwei.
DOKTOR: Um Sie loszuwerden würde ich sogar drei geben.
ANTON: (Erfreut.) Ich nehme auch vier.
DOKTOR: Vier gebe ich nicht. Drei auch. Aber tausend gebe ich. Unter der Bedingung, dass ich Sie hier nie mehr sehe.
ANTON: Abgemacht.
DOKTOR: (Nimmt Geldscheine aus dem Geldbeutel.) Nehmen Sie! Und – kehrt um, vorwärts Marsch!
ANTON: Zu Befehl!
Der strahlende Anton eilt davon. Der Doktor kehrt an den PC zurück. Aber die Arbeit klappt nicht. Marina tritt ein.
MARINA: (Beunruhigt.) Wo ist mein Mann?
DOKTOR: Er ist hier. Ich habe gerade erst mit ihm gesprochen.
MARINA: Sie sehen ziemlich betrübt aus. Ist etwas passiert?
DOKTOR: Ich muss zugeben, ich bin in eine teuflisch unangenehme Situation gekommen. In eine richtige Falle.
MARINA: Erzählen Sie, um was geht es? Vielleicht kann ich Ihnen helfen.
DOKTOR: Nein, das können