Valentin Krasnogorov

Heute oder nie!


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angerufen und mich Marina genannt.

      DOKTOR: (In die Enge getrieben.) Ach, ja, richtig… Das hab´ ich vergessen… Aber, verstehen Sie, ich bin nicht sicher…

      MARINA: (Marina öffnet ihre Handtasche, steckt das Taschentuch hinein, nimmt die Puderdose heraus und bringt sich in Ordnung. Als sie die Puderdose zurück legt, ruft sie freudig aus.) Oh! Es scheint, ich hab` ein Dokument dabei. Und sogar mit Foto. Das ist mein Führerschein. Hier, bitte, schauen Sie.

      DOKTOR: Das muss nicht sein, ich glaube Ihnen.

      MARINA: Jetzt glauben Sie, nach fünf Minuten hören Sie wieder auf, zu glauben. Wie alle Männer. Schauen Sie trotzdem. (Der Doktor nimmt unwillig das Dokument in die Hand.) Was steht da?

      DOKTOR: „Marina Glöckner“.

      MARINA: Ist der Stempel in Ordnung?

      DOKTOR: In Ordnung. (Er gibt ihr das Dokument zurück. Sie steckt es in die Handtasche und zieht Fotos hervor.)

      MARINA: Mein Mann hat Ihnen erzählt, dass wir in derselben Schule gelernt haben?

      DOKTOR: Welcher Mann? Anton? Er hat.

      MARINA: Hier, schauen Sie, wie wir als Kinder waren. Lustig, nicht wahr?

      DOKTOR: Sie haben sich fast nicht verändert.

      MARINA: Danke. Und hier sind wir beide schon erwachsen.

      DOKTOR: Das war wahrscheinlich kurz vor der Hochzeit?

      MARINA: Ja.

      DOKTOR: Wie schön Sie sind!

      MARINA: (Verführerisch.) Wollen Sie sagen, dass ich jetzt nicht mehr so bin?

      DOKTOR: Jetzt sind Sie noch besser.

      MARINA: Danke. (Steckt die Fotos weg.) Ich sehe, Sie sind ein Frauenheld. Ich weiß nicht, ob eine Frau hierher kam, aber von was ich überzeugt bin ist, dass Sie auch sie zum Abendessen eigeladen haben.

      DOKTOR: Ich schwöre Ihnen, ich habe niemanden eingeladen! Und überhaupt kam niemand hierher! (Verwirrt.) Oder kam doch? Verdammtes Gedächtnis… Es scheint, ich sollte die Praxis aufgeben. (Gießt sich die nächste Portion Tropfen ein.)

      MARINA: (Nimmt ihm das Fläschchen weg.) Hören Sie auf, Tropfen zu nehmen. Sind Sie Arzt, oder kein Arzt?

      DOKTOR: (Stöhnt.) Ich bin Arzt. (Verwirrt.) Oder kein Arzt? (Fasst sich.) Was rede ich da für Unsinn! Natürlich Arzt.

      MARINA: Und wenn Sie Arzt sind, dann bringen Ihnen die Patienten auch Cognac. Bringen sie, oder bringen sie nicht?

      DOKTOR: (Unsicher.) Natürlich bringen sie.

      MARINA: Also, dann trinken Sie einen Doppelten. Das hilft sofort.

      DOKTOR: Das prüfen wir sofort. ffnet die Bar.) So viel Cognac. (Erfreut.) Das heißt, ich bin Arzt. (Ergreift eine Flasche.) Schließen Sie sich an?

      MARINA: Ich habe Ihnen noch nicht verziehen.

      DOKTOR: Ach, lassen Sie doch. Trinken wir. (Gießt mit zitternden Händen Cognac in zwei Schwenker ein.)

      MARINA: (Beobachtet ihn mitleidig.) Mein Lieber, schauen Sie sich im Spiegel an: Verwirrter Blick, zitternde Hände. Was geht mit Ihnen vor?

      DOKTOR: Ich gebe zu, dass ich heute nicht ganz in Form bin. Müdigkeit, Gedächtnisverlust, verwirrte Gedanken, Schwindelgefühle… Ich fürchte, das alles nennt sich mit einem Begriff – Alter.

      MARINA: Dummes Zeug. Sie brauchen bloß eine warme, fürsorgliche, weibliche Hand, das ist alles. Haben Sie eine Frau?

      DOKTOR: Frau? Lassen Sie mich nachdenken… (Grübelt.) Ich bin jetzt in so einem Zustand, dass ich mich sogar daran nicht mehr erinnere. (Erinnert sich.) Was rede ich denn da? Natürlich erinnere ich mich. Ich bin Witwer, schon viele Jahre. Die Kinder sind erwachsen, leben einzeln, ich habe sie schon lange vergessen. Übrigens, um die Wahrheit zu sagen, haben sie mich vergessen. Ich bin völlig einsam… Ich verstehe nicht, was mit meinem Gedächtnis passiert ist? Das kam so unerwartet…

      MARINA: Leiden Sie bloß nicht darunter.

      DOKTOR: Ich leide auch nicht. Wenn Sie in der Nähe sind. Wissen Sie, ich beneide sogar Ihren Mann. Ich würde auch mit Freuden alles zum Teufel vergessen: Einsamkeit, ermüdende Arbeit, Steuerinspektoren, neidische Kollegen, streitende Nachbarn, beharrliche Patienten mit ihren dauernden Beschwerden und Krankheiten, und gleichzeitig meine eigenen. An nichts denken, sich an nichts erinnern, neben einer schönen Frau sitzen mit einem Cognac, vergessen, dass du alt für sie bist, oder bald alt wirst, alles vergessen und nur die momentane Minute genießen…

      MARINA: Also dann lassen Sie uns doch für den Augenblick leben. Buße, Bedauern, Nachdenken, die kommen danach, aber jetzt lassen Sie uns des Lebens freuen. (Hebt ihr Glas.) Auf unsere Gesundheit und unsere Erfolge! Auf das Glück!

      DOKTOR: Danke. Mir ist so leicht mit Ihnen. Von Ihnen geht irgendein Licht aus. Sie sind wahrscheinlich sehr glücklich.

      MARINA: Denken Sie nicht, dass ich es leicht habe. Ich weiß, was Einsamkeit ist.

      DOKTOR: Sie haben Anton.

      MARINA: Apropos, ich muss kontrollieren, ob er nicht gegangen ist. (Geht und kehrt schnell wieder zurück. Der Doktor besieht sich derweilen kritisch im Spiegel.)

      DOKTOR: Alles in Ordnung?

      MARINA: Ja. Es erscheint Ihnen wahrscheinlich seltsam, dass ich mich um ihn sorge, aber ich liebe ihn sehr. So sehr, dass ich bereit bin, ihm zuliebe große Dummheiten zu machen. (Kurzes Schweigen.) Aber das befreit mich nicht von Einsamkeit.

      DOKTOR: Ich verstehe. (Nimmt sie an der Hand.)

      MARINA: (Ohne die Hand zurückzuziehen.) Es ist Zeit für mich, zu gehen.

      DOKTOR: Beeilen Sie sich nicht.

      MARINA: Ich muss Anton heim bringen. (Will gehen.)

      DOKTOR: (Hält sie fest.) Dann treffen wir uns heute?

      MARINA: Wenn Sie es sich nicht anders überlegen oder vergessen.

      DOKTOR: (Ereifert sich.) Ich – anders überlegen? Vergessen? Ja, ich… (Erinnert sich plötzlich wieder an die über ihn gekommene, seltsame Vergesslichkeit und unterbricht sich selbst.) Ich schreibe es auf. Für alle Fälle. (Macht einen Vermerk in seinem Tagebuch.)

      MARINA: (Erhebt sich.) Und vergessen Sie nicht, die Krankengschichte und die Bescheinigung vorzubereiten.

      DOKTOR: Für Sie mache ich alles, was Sie wünschen. Soll ich Sie begleiten?

      MARINA: Nein, danke. Ich bitte Sie, sorgen Sie dafür, dass mein Mann nicht weg geht, solange ich ein Taxi suche.

      Marina geht hinaus. Der Doktor, nachdem er lebhafter geworden ist und vor sich hin pfeift, setzt sich an den PC. Der Mann tritt ein. Er verhält sich völlig anders, als beim ersten Besuch. Seine Manieren sind selbstsicher und entschlossen.

      DOKTOR: Sie wieder?

      MANN: Wie Sie sehen.

      DOKTOR: Was wollen Sie denn eigentlich?

      MANN: Ich führe eine kleine private Nachforschung durch.

      DOKTOR: Ich habe gleich begriffen, dass Sie ein Schnüffler sind.

      MANN: Ich bin kein Schnüffler. Ich bin Finanzist.

      DOKTOR: Falls Sie Steuerinspektor sind, zeigen Sie einen Ausweis vor.

      MANN: (Hart.) Wo ist Marina?

      DOKTOR: Haben Sie etwa sie verfolgt?

      MANN: Kann sein.

      DOKTOR: Leider kann ich mit nichts helfen. Sie ist, wie Sie sehen, nicht hier.

      MANN: Ich habe doch gesehen, wie sie vor zwanzig Minuten hier herein kam.

      DOKTOR: