Wenn nun richtig ist, was oben gesagt wurde, dass nämlich Wissenschaft von der konkreten Lebenswelt ausgeht, dass sie in einem Akt der Abstraktion, der Idealisierung und Präzisierung bestimmte Züge der Realität deutlicher hervorhebt als es unsere lebensweltliche Intuition jemals könnte, wenn weiter richtig ist, dass wir das Ergebnis dieser Abstraktion, Idealisierung und Präzisierung wieder in den Referenzrahmen der vielgestaltigen Lebenswelt einordnen, um unser wissenschaftliches Tun zu verstehen, dann gibt es eine direkte Entsprechung zwischen Richters Bezug auf die realistische Photographie und dem Bezug des Materiebegriffs zur physikalischen Forschung: Wir treten einen Schritt zurück von der photorealistischen Präzision unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse und sehen uns der Vieldeutigkeit ursprünglicher Lebenswelterfahrung erneut ausgesetzt. Dies irritiert uns ungemein, aber es ist womöglich wahrer (falls man wahr steigern kann), als die photorealistische Präzision unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse. Von daher gesehen gibt es nichts dagegen zu sagen, wenn Physiker die Ergebnisse ihrer Wissenschaft im Licht lebensweltlicher Erfahrung erneut deuten. Erforderlich wäre nur, dass sie diese Deutung als Deutung kenntlich machen und dass wir sie nicht zum Korpus der Wissenschaft als solcher rechnen oder mit Prigogine so tun, als wären die Sozial- und Geisteswissenschaften nun plötzlich Teil der Physik geworden oder als hätten wir Personalität in gewissen Hirnwindungen entdeckt.
Würde hingegen die fundamentale Differenz zwischen Wissenschaft und Lebenswelt beachtet, dann wäre die Abhängigkeit all unserer Deutungen von der praktischen Lebenswelt als ihrer Basis offensichtlich. Bezüglich des Materiebegriffs, der hier vor allem interessiert, müssten wir dann seine substanzielle Abhängigkeit vom dualen Begriff des Geistes zugestehen. Der Materialismus wäre am Ende. Er ist nicht imstande, sich konsistent zu artikulieren: „Matter is, what science studies.“ Die Materie bleibt dem Materialisten ein ignotum X und von daher ist die Selbstsicherheit, mit der er seine Weltanschauung zum intellektuellen Standard erhoben hat, einfach nur die Kehrseite einer Unfähigkeit, den differenzierten Blick zu wagen und auf die pseudoreligiöse Sicherheit eines alles überwölbenden und alles erklärenden Materieprinzips zu verzichten.
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