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Bildwerte


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erwähnt Benjamin nicht, dass es sich um stereoskopische Bilder handelte. Dennoch heißt einer der Abschnitte in Einbahnstraße »Stereoskop«. Der Begriff wird hier von Benjamin figurativ verwandt, um Momente der raumzeitlichen Verschiebung in der modernen Stadt zu beschreiben. Dies deutet darauf hin, dass die Praxis fester und unvergessener Teil der damaligen Kultur war, so dass der Apparat selbst als aufschlussreiche Metapher dienen konnte.

      Eine solche alternative Genealogie oder Ahnengeschichte des illegitimen Bruders des monokularen Kinos sieht 3D – wenn auch vom gleichen Vater, der Camera Obscura abstammend – als blutsverwandt mit den Zigeunerschönheiten des Rummelplatzes und der wandernden Laterna Magica. Diese Genealogie verdeutlicht somit den Hauptpunkt meiner dritten kontraintuitiven Behauptung: 3D ging 2D in der mechanischen Bildproduktion voraus, dennoch gewann 2D dank der Überlegenheit der Fotografie und ihres kulturellen Status das Duell um die Vorherrschaft als Standard. Die Wiedereinführung von 3D ist somit nicht nur die zwanghafte Rückkehr der unterdrückten Identität des Kinos, sondern könnte auch das nahende Ende der Vorherrschaft der Fotografie über die Kino-Ontologie bedeuten, und wäre daher fast schon eine Voraussetzung für ein besseres Verständnis der Fragen »Was ist ein Bild?« und »Was ist Kino?« im digitalen Zeitalter. All dies zeigt, dass die Bedeutung von 3D vielleicht weniger darin besteht, der alles entscheidende Faktor für das künftige Schicksal des Kinos zu sein, sondern eher darin, uns ein besseres Verständnis seiner Vergangenheit(en) zu ermöglichen.

      Was ist heutzutage ein Bild?

      »Etwas sehen, etwas als etwas sehen und etwas in etwas sehen sind drei Grundfälle des Sehens; im Bildsehen kommen sie zusammen. – Überschaubare Flächen, die in ihrer Erscheinung etwas zur Erscheinung bringen, verlangen ein komplexes Sehen. […] Der allgemeinste Begriff des Sehens ist der des Etwas-Sehens: Alle Lebewesen, die überhaupt sehen können, können in dieser Weise sehen. Sie sind in der Lage, Objekte und Bewegungen kraft visueller Wahrnehmung auszumachen.