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zunächst Anlass für Reflexionen über den Begriff der »Rückkehr« selbst. Bedient man sich hier einer alternativen Genealogie des Kinos, notwendig geworden nicht zuletzt durch Phänomene, die meist dem Übergang vom analogen (Zelluloid-basierten) zum digitalen (post-Zelluloid) Kino zugeordnet werden, dann versteht man 3D am Besten als »nie ganz verschwunden« oder die Wiederkehr des 3D als eine »Rückkehr des Unterdrückten«. Sobald man die Geschichte des 3D nicht nur bis in die Fünfziger (oder Zwanziger, oder in die Zeit der Brüder Lumière um 1900)26 zurückverfolgt, sondern 3D auf noch längere Sicht betrachtet und sich des beachtlichen Einsatzes von stereoskopischen Bildern im 19. Jahrhundert27 erinnert, kommt man auch schnell auf die Phantasmagorien des 18. Jahrhunderts zu sprechen, ebenso auf Panoramabilder, Dioramen und andere räumliche Projektionsmethoden, die seit Jahrhunderten neben den monokularen existiert haben.28 Anstatt von der »Rückkehr« des 3D zu sprechen, wäre es besser, ein weiteres Mal auf die Logik des Supplements zurückzugreifen. Dieser gemäß blieb 3D, aufgrund bestimmter historischer und ideologischer Einflüsse, unsichtbar oder unbemerkt, obgleich 3D sowohl der Photographie als auch dem Bewegtbild immer immanent war. Es lohnt sich, für einen Moment anzunehmen, dass Kino nicht aus einer Serie sich bewegender Einzelbilder besteht, nicht nur eine bildliche Kunstform ist, die auf zweidimensionaler Ebene die Illusion dreidimensionaler Tiefe produziert und durch die rasche Abfolge von solchen Einzelbildern die Illusion von Bewegung erzeugt. Macht man sich von diesen tradierten Vorstellungen einmal frei, so kann das Telos des Kinos recht plausibel in der Eliminierung jeder Art von Rahmen und sonstiger Einschränkungen des Wahrnehmungsfeldes gesehen werden, also in dem Bestreben, sein technisches Gerüst und die damit verbundene Repräsentationsgeometrie selbst abzuschaffen. Ein solcher Ansatz, der bereits in den Fünfzigern in André Bazins ironischem Sinnieren über das Kino (»Kein Kino mehr!«) zu finden ist, wird auch von Akira Lippit vertreten:

      Die andere große Herausforderung an die Perspektive bestand natürlich im Kubismus und Futurismus. Diese brachen den homogenen Raum der Renaissancemalerei in Segmente auf, welche die zeitliche Abfolge und die räumlichen Bewegungen des Beobachters repräsentierten. So stand zum Beispiel Eadweard Muybridges Chronofotografie dem Kubismus sehr nahe, wie Marcel Duchamps berühmtes Werk Nude Descending A Staircase (1912) belegt. Die Popularität und Verbreitung der 2D-Fotografie sowie die Vorteile, welche die scheinbar unmittelbare, apparativ nicht gestützte monokulare Bildbetrachtung gegenüber die Stereoskopie genoss, favorisierten allerdings im Kino eine Repräsentationsweise, die zweidimensionale Bilder auf die flache, umrahmte Leinwand projizierte und so die Illusion räumlicher Tiefe auf ähnliche Weise bot wie die Zentralperspektive im piktografischen Raum: ein einziger Fluchtpunkt, Tiefenwirkung, Schatten und gestaffelte Farbschemata, die genau bemessene Gradierung von Größe und Distanz der Objekte sowie Proportionierung des Raums und der menschlichen Gestalten.

      Eine der bekanntesten und eloquentesten Beschreibungen des Kaiserpanoramas im Berliner Tiergarten stammt von Walter Benjamin. Es findet sowohl in Einbahnstraße als auch in Berliner Kindheit um 1900 Erwähnung: