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Bildwerte


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für Tele-Präsenz (Computermonitore, Videobildschirme) und solche für Tele-Aktion (Radar, Touchscreens, Infrarot, Laser); eine Unterscheidung, die ebenfalls nützlich ist, um zu verdeutlichen, was beim Einsatz von 3D-Bildern im Nichtunterhaltungssektor auf dem Spiel steht. Manovich fordert dazu auf, Bilder nicht nach Wahrheit und Fiktion, realem oder imaginärem Bildinhalt zu unterscheiden, sondern stattdessen zu differenzieren zwischen Simulation (virtueller Handlung) und »Dissimulation« (virtueller Präsenz) oder, wie er schreibt, zwischen »Handeln und Lügen«.64 Wenn eine mögliche Zukunft der Bildgestaltung darin besteht, dass sie Teil des »Kriegs zwischen Überwachung und Tarnung« (Manovich) sein wird, dann steht hinter der »Rückkehr des 3D« in der Unterhaltungsbranche und deren Einsatz in Industrie, Ingenieurswesen, Design und Militär die allgemeine kulturelle Entwicklung weg vom »Sehen« und hin zum »Handeln«. Avatar ist hier ein gutes Beispiel für den Punkt, an dem Simulation und Handlung ununterscheidbar werden.65 Camerons wirtschaftliche, militärische und wissenschaftliche Mission auf Pandora gleicht dem heutigen Einsatzspektrum von 3D: »computer game environments • unmanned surveillance and combat vehicles • oil-exploration, land-surveying • weather prediction, conservation, and environmental politics.«66

      Das erweiterte Ensemble und dessen Wechselwirkungen

      Erstens: Das Bedürfnis, dem projizierten Licht eine räumliche Form und Materialität zu verleihen, scheint der flachen Kinoleinwand vorausgegangen zu sein. Letztere war vom gerahmten Bildfeld der Malerei geprägt und entlieh ihr die Simulation von Tiefe durch perspektivische Darstellung und Proportionierung des Bildraums. In gewisser Hinsicht kann man also tatsächlich von einer Art Wiederkehr der 3D-Bilder sprechen: Einer Wiederkehr nämlich, die den unbeweglichen Betrachter vor der starren, rechteckigen Leinwand wieder zum historisch kontingenten Akteur macht. Dies geschieht in einem zwar übergangshaften, aber trotzdem notwendigen Arrangement, also durch einen anhaltenden transformativen Prozess, dessen Gesamtlogik uns derzeit noch zu entgehen scheint, weshalb sein Verlauf weder normativ noch teleologisch klar bestimmt werden kann.

      Mein zweiter Punkt betrifft ein erweitertes Verständnis der stereoskopischen Bildgestaltung. Demgemäß symbolisiert 3D paradoxerweise weiterhin die verschiedenen Eigenschaften, Gebrauchsweisen und Oberflächen dessen, was wir immer noch »Bildschirm« nennen, was aber gleichzeitig den waagrechten Horizont und die starre Perspektive abschafft. Somit wird eine Art schwebende Präsenz eingeführt, immateriell, unsichtbar und allgegenwärtig, die eine nicht weniger formalisierte Illusion darstellt als die lineare Monokularperspektive, als diese noch implizit vorgab, die Erde sei flach und der Mensch die einzige vor Gott bedeutende Kreatur. Die Illusion der Ubiquität und Gleichzeitigkeit kompensiert heute die Tatsache, dass wir nicht mehr als ein Staubkorn im Universum sind, verwoben mit Koordinatennetzwerken, an jedem Raumzeitpunkt verfolgbar und überwachbar, und dennoch in einem wellenförmigen, mobilen und variablen »Inneren« schwebend, dem kein »Außen« mehr entspricht, egal wie vernetzt und wuchernd dieses Innere – euphemistisch »online sein« genannt – auch zu sein verspricht.

      Mein dritter und letzter Punkt befasst sich mit einigen der erwähnten Haupt-akteure: Hollywood und die Unterhaltungsindustrie, die Avantgarde und Poeten der Obsoleszenz und die militärisch-industriellen Nutzer des visualisiert-virtualisierten Raumes. In jedem der Fälle wurde versucht, die Kernziele dieser Akteure in Form von kontraintuitiven oder alternativen Genealogien herauszuarbeiten. Was Hollywood betrifft, ist D3D kein Spezialeffekt, sondern ein Mittel zur Anpassung und Vereinheitlichung des Projektionsstandards. Die energische Werbekampagne ist keine Panikreaktion, sondern Teil des Versuchs, alle Plattformen und Bildschirme, groß und klein, fixiert und mobil durch einen Standard zu vereinen. 3D ist entgegen allen Erwartungen keine Erweiterung des realistischen Bildraumes, sondern fungiert als Ergänzung zu unseren Klang- und Tonräumen.

      Was die verschiedenen Avantgardebewegungen betrifft, so haben diese in der Moderne – von William Turner über den Kubo-Futurismus, Dadaismus und Surrealismus bis hin zu Ken Jacobs und Harun Farocki – die Hegemonie der Renaissanceperspektive kontinuierlich in Frage gestellt. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts waren allerdings nicht länger Fotografie und Malerei, sondern Skulptur und Performancekunst die treibenden Kräfte hinter den zeitbezogenen Stereoräumen. Die Poetik der Obsoleszenz wiederum hat verschiedene alternative Genealogien des Kinos am Leben erhalten und sich, die Fotografie übergehend, immer auf die Phantasmagorie rückbezogen. Dadurch verspricht sie dem Kino eine mögliche Zukunft als Kunstinstallation: Digitales 3D-Kino ist Bild als Raum und Raum als Bild.

      Jene, die 3D für militärisch-industrielle Zwecke verwenden (wie auch die Generation der Computerspieler), definieren das Bild neu: Es ist nicht länger eine zu betrachtende Darstellung, sondern eine Reihe von Handlungsanweisungen. In diesem Zusammenhang umfasst 3D auch Ton, Sonar, räumliche Datenaufzeichnung sowie die Verwendung des Bewegtbildes als Zeitindex. Der Blick selbst spielt hier gegenüber anderen Informationsquellen nur eine untergeordnete Rolle. Angesichts der Betonung der Kontrolle