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Was bildet ihr uns ein?


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höherer Kindergartenbeitrag bezahlt wird, um das Kind nicht in eine öffentliche Einrichtung geben zu müssen. Umgekehrt führt das vereinzelt dazu, dass die öffentlichen Einrichtungen versuchen, bildungsorientierte Eltern durch eine strikte Trennung der Kinder in unterschiedliche Gruppen zu halten. Natürlich wird das nicht offiziell so dargestellt, aber dennoch entspricht es der Praxis. Schnell kommt einem hierbei das Lied von Franz Josef Degenhardt aus dem Jahr 1965 in den Sinn: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder“ – das ist auch heute noch aktuell. Dass Kindern damit kein Gefallen getan wird, ist offensichtlich. Es sei denn, man ist bestrebt, dass in unserer Gesellschaft Kinder von vornherein wissen, in welche Schicht sie gehören und dass sie diese auch nicht verlassen sollen. Kindern muss es aber ermöglicht werden, von klein auf zu erleben, dass sie alle unterschiedlich aufwachsen und dass dies nicht grundsätzlich ein Nachteil sein muss. Im Gegensatz zu Erwachsenen ist es Kindern egal, wo der beste Freund herkommt oder ob die Eltern ein eigenes Haus haben. Kinderaugen haben noch nicht den wertenden Blick und betrachten ihre Spielkameraden anders. Es kommt also nicht darauf an, Kinder voneinander zu trennen, sondern sie vielmehr zusammen aufwachsen zu lassen. Kindertageseinrichtungen können hierfür ein Ort der gemeinsamen Bildung und Betreuung sein.

      Kindheit wird Bildungszeit

      Innerhalb der ersten Lebensjahre wird das elterliche Umfeld um die Kita erweitert.11 Wann genau Kinderkrippe oder Kindergarten zum Lebensumfeld des Kindes hinzukommen, hängt von seinen Eltern ab. Sind diese beispielsweise berufstätig, nehmen sie vielleicht früh eine Betreuung für ihr Kind in Anspruch. Bereits acht Wochen nach der Geburt ist das in Deutschland möglich. Im Jahr 2011 wurde im Schnitt jedes vierte Kind unter drei Jahren betreut. 12 Im bundesdeutschen Vergleich sind die Quoten allerdings sehr unterschiedlich. Einerseits liegt dies an mangelnden Plätzen, andererseits aber auch an unterschiedlichen Einstellungen. Wehrend es in den neuen Bundesländern gesellschaftlich anerkannter ist, Kinder früh in eine institutionelle Betreuung zu geben, ist es in den alten immer noch ein Streitpunkt. Hier werden Eltern schnell als „Rabeneltern“ abgestempelt, wenn sie ihre Kinder früh außerfamiliär betreuen lassen.

      Ob ein Kind früher oder später in den Kindergarten geht, kann seine Entwicklung allerdings beeinflussen. Da die Bildungschancen eines Kindes in Deutschland noch immer stark von seiner Herkunft abhängen und davon, welche sozialen und kulturellen Welten die Bezugspersonen dem Kind eröffnen können, ist gerade für Familien aus bildungsfernen Schichten der Besuch des Kindergartens entscheidend. Dem Kind werden dadurch vielfältige Lerngelegenheiten geboten. Doch auch Kinder aus bildungsnahen Familien profitieren von dem großen Bildungsangebot und werden nicht durch vermeintlich schwächere Kinder in ihrer Entfaltung gehemmt, wie oft befürchtet wird. Zudem konnten Studien zeigen, dass der Kindergartenbesuch einen langfristig spürbaren Effekt auf die Bildung von Kindern haben kann.13

      Durch dieses entdeckte Potential hat sich der Blick auf Kindertageseinrichtungen maßgeblich gewandelt und wirkt sich auch auf die Tagesstätten aus. Schon längst hat eine Kindertageseinrichtung den Status einer Aufbewahrungsanstalt verloren und man spricht von Bildungsorten. Spätestens seit der PISA-Studie14 wird die Phase vor dem Schuleintritt auch als Bildungszeit gesehen. Dass Schüler in Deutschland im internationalen Vergleich schlechter abschnitten, soll damit ausgeglichen werden, dass man mit der Bildung schon vor der Schule beginnt. Und so ist die Liste an Programmen, Maßnahmen und Angeboten, um Kitas zu Bildungsorten umzugestalten, lang. Und der Blick richtet sich immer mehr auf das „Produkt“, das am Ende der Kindergartenzeit herauskommen soll.

      Dies hat zur Folge, dass die Qualität eines Kindergartens verstärkt an der erfolgreichen Anpassungsleistung von Kindern an das System Schule gemessen wird. Anders gesagt: Kitas werden mitverantwortlich für den späteren schulischen Erfolg gemacht. So gehört es nun verstärkt zu ihren Aufgaben, die Kinder auf die schulischen Anforderungen vorzubereiten. So müssen sie beispielsweise schulische Vorläuferkompetenzen vermitteln. Dazu gehört es, durch Reimen, Hören, Lauschen einen bewussten Sprachgebrauch zu entfalten und sich in mathematischem und naturwissenschaftlichem Denken zu üben. Sozial-emotionale Fähigkeiten wie Selbstsicherheit, Disziplin und Verantwortung auszubilden, gehört ebenfalls zum Aufgabenspektrum. Auch motorische Fertigkeiten wie Springen, Laufen, Schreiben müssen ausgebaut werden. Ein langer Aufgabenkatalog, der, auch wenn er auf spielerische Weise vermittelt wird, den Druck und die Erwartungen gegenüber den Kindern erhöht. An sich handelt es sich bei den genannten Vorläuferkompetenzen um ganz natürliche Entwicklungsschritte eines Kindes. Nun aber von einem Aufgabenkatalog zu sprechen zeigt, welche Haltung gegenüber dem Kind eingenommen wird: Nicht das Kind steht im Vordergrund, sondern die künftigen Anforderungen der Schule.

      Ist es für ein Kind aber wirklich so wichtig, dass es den Stift so hält, wie es vorgesehen ist? Oder reicht es nicht aus, dass es eine eigene Form gefunden hat zu schreiben? Es hat wenig Sinn, Jungen und Mädchen nur anhand eines Aufgabenkatalogs zu betrachten. Viel wichtiger ist es, jedes Kind einzeln für sich zu betrachten, also einen individuellen Blick zu haben, denn so kann Sorge getragen werden, dass frühkindliche Bildung nicht zum Fehlstart eines Kindes wird. Damit das erfolgreich funktioniert, braucht es gute Kindergerten und qualifiziertes Fachpersonal.

      Die bessere Fachkraft – ausgebildet oder studiert?

      Neben einem kindgerechten Umfeld muss also auch dafür gesorgt werden, dass die pädagogischen Fachkräfte erkennen können, welche Bedürfnisse, Interessen oder Schwierigkeiten ein Kind hat. Dafür braucht es jedoch entsprechende Rahmenbedingungen, etwa ausreichend Zeit, um individuell auf Kinder einzugehen. Entscheidend ist aber auch, wie Fachkräfte geschult sind. Da die Anforderungen an pädagogische Fachkräfte gestiegen sind, ist in den letzten zehn Jahren eine Debatte um die Professionalisierung in der frühen Bildung entstanden. Hierbei wurde vor allem gefordert, die Ausbildung anzupassen.

      Die derzeitige Erzieherausbildung basierte auf Inhalten, die eine Berufstätigkeit mit Kindern von null bis 18 Jahren vorsieht. Verglichen mit anderen Ländern war Deutschland bisher das einzige Land in Europa, in dem Mitarbeiter im frühkindlichen Bereich keine Hochschulausbildung absolvieren mussten. Seit dem Wintersemester 2004/2005 hat sich aber der Studiengang Frühpädagogik etabliert. Inzwischen gibt es in Deutschland etwa 60 Bachelor-Studiengänge mit teilweise sehr unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Durch die derzeitige Entwicklung von Masterstudiengängen ist davon auszugehen, dass sich die Zahl der Studiengänge weiter erhöht.15 Das ist Chance und Fluch zugleich. Einerseits erhalten die Bildungseinrichtungen dadurch vielseitige Fachkräfte, andererseits ist die Vielfalt für die Praxis unübersichtlich und verwirrend für Arbeitgeber und Studieninteressierte.16

      Mit Blick auf die Bedürfnisse des einzelnen Kindes erscheint die Diskussion um die Aus- und Fortbildung der Fachkräfte sinnvoll. Dennoch wird sie abstrakt und fernab vom Kind geführt. Man fragt sich, wie das einzelne Kind davon profitieren kann, wenn es von einer studierten Fachkraft betreut wird statt von einer Kinderpflegerin oder Erzieherin. Ist es nicht viel wichtiger, dass die betreuende Person in der Lage ist, auf die individuellen Probleme eines Kindes einzugehen?

      Nimmt man das Beispiel der Körperpflege des Kindes, so ist eine Kinderpflegerin oder Erzieherin hier häufig erfahrener als eine akademisch ausgebildete Fachkraft. Geht es allerdings um das Erkennen von Entwicklungsverzögerungen des Kindes, so hat eine akademische Fachkraft gelernt, fachlich fundiert diese gegenüber den Eltern anzusprechen, zu benennen und mögliche Hilfen anzubieten. Es darf bei der Professionalisierung der Ausbildung also nicht darum gehen, den bisherigen Erzieherberuf abzuschaffen. Denn die unterschiedlich ausgebildeten Fachkräfte können sich im Sinne des Kindes gut ergänzen und gegenseitig fördern.

      Auch wenn die Diskussion um die Professionalisierung dringend notwendig ist, so darf der Kindergartenalltag vor lauter Veränderungen nicht vergessen werden. Dies kann gelingen, wenn alle Fachkräfte gemeinsam kindorientiert zusammenarbeiten. Dafür muss allerdings die gegenseitige Skepsis unter dem pädagogischen Personal ausgeräumt werden, um Vorteile, die durch die inhaltlich unterschiedliche Schwerpunktsetzung entstehen, in der Praxis nicht verpuffen zu lassen.

      Im Trend doch fern vom Ziel

      Ein Vorteil,