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Was bildet ihr uns ein?


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beispielsweise die Einzigartigkeit der kindlichen Entwicklung im Mittelpunkt steht. In den vergangenen Jahren wurden pädagogische Konzepte entwickelt und in der Praxis erprobt, die auf die neuen Erkenntnisse der Forschung und die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen des Aufwachsens reagieren. Deutschland ist eine Wissensgesellschaft geworden und um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen, sind ein guter Schulabschluss oder gar ein Universitätsabschluss enorm wichtig. Das wirkt sich auch auf die frühkindliche Bildung aus, denn die Qualität dieser beeinflusst den Schulerfolg eines Kindes maßgeblich. Hier darf aber nicht der Schluss gezogen werden, die kindliche Erziehung nur an die Anforderungen der Schule anzupassen. Entscheidend ist nur, dass jedes Kind den Raum und die Unterstützung bekommt, den es für seine Entwicklung braucht. Beispielhaft dafür sind die vom Deutschen Jugendinstitut entwickelten Bildungs- und Lerngeschichten17 und das infans-Konzept18 der Frühpädagogik. Hier werden Spiel- oder Alltagssituationen, und somit indirekt Lern- und Bildungsprozesse, durch die pädagogischen Fachkräfte in einem ersten Schritt meist in schriftlicher Form beschrieben und anschließend reflektiert. Dadurch können Handlungs- und Unterstützungsangebote für das einzelne Kind entwickelt werden. In beiden Konzepten werden die einzelnen Schritte fortwährend dokumentiert. Durch diesen sich wiederholenden Prozess ist es möglich, das Kind mit seinem Zugang zur Welt besser zu verstehen und es entsprechend der individuellen Interessen und Stärken zu unterstützen. Auf dieser Grundlage sollen auch die Lernfelder betrachtet werden, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht im Blickwinkel des Kindes lagen. Dadurch können ihm neue Bildungsmöglichkeiten eröffnet werden. Die Konzepte Bildungs- und Lerngeschichten und infans machen sich stark für einen positiven und stärkenorientierten Blick auf jedes einzelne Kind und distanzieren sich von einer Defizitorientierung.

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      Mittlerweile setzen immer mehr Kitas in Deutschland diese Ansetze um. Doch profitieren Kinder tatsächlich von solch einer Haltung, wie sie in den beispielhaft aufgeführten Konzepten verlangt wird?

      An dieser Stelle kann es nur ein klares Ja geben. Nicht nur unsere eigenen Erfahrungen aus der Kindheit zeigen, dass vor allem Dinge, die einen interessieren oder faszinieren, zum Erforschen angestiftet haben. Auch aktuelle Studien belegen, dass sich individuelle Lernförderung positiv auf Kinder auswirkt.

      Folglich muss man Kindern den Raum geben, ihre eigenen Erfahrungen zu machen und sie bei ihrem Lernprozess mit Material und Hilfestellungen unterstützen. Dies mag simpel klingen, doch scheint es Erwachsenen immer wieder schwerzufallen, ihre eigenen Interessen in den Hintergrund zu stellen und sich am Entwicklungsrhythmus der Kinder zu orientieren. Dadurch kann es zu solch unzähligen Förderprogrammen kommen, die ein Kind schnell überfordern können. Anstatt jeden Tag einen weiteren Kurs zu besuchen, braucht es Zeit.

      Es gibt aber auch kritische Stimmen, die den individuellen Konzepten vorwerfen, die Kinder dadurch nicht ausreichend zu unterstützen, zu spät einzugreifen oder gar zu ignorieren, wenn Entwicklungsverzögerungen auftreten. Die Kritik ist berechtigt, doch muss auch klargestellt werden, dass dies nicht passiert, wenn die Konzepte korrekt umgesetzt werden. Wenn man die Konzepte ernst nimmt, so wird durch die Beobachtung und Dokumentation ein genaues Bild jedes einzelnen Kindes in einer Kita vorliegen und kein Kind unbeobachtet bleiben. Somit kann viel schneller und gezielter in kritischen Situationen gehandelt werden, wovon vor allem benachteiligte Kinder profitieren. Es ist also wichtig, dass mehr Kitas diese Konzepte umsetzen, wobei es wichtig ist, dass Fachkräfte einer Tageseinrichtung gezielt zusammenarbeiten. Eine Herausforderung, die es anzunehmen gilt. Den immer mehr Kitas, die inzwischen mit solchen Konzepten arbeiten, gebührt große Hochachtung, denn sie stellen mit aller Konsequenz die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder in den Fokus pädagogischer Arbeit. Diese Bemühungen sollten auch Akzeptanz und Einfluss außerhalb der Kitas finden, so beispielsweise in der Schule.

      Viele Köche verderben den Brei

      Da die Qualität der Kindergerten so entscheidend für den Bildungserfolg ist, hat jedes Bundesland sogenannte Orientierungspläne erstellt. Darin wird festgelegt, wie der Kindergartenalltag gestaltet sein soll, sprich: Es wird versucht, eine einheitliche Qualität in Kindergerten zu garantieren.21 Da jedes Bundesland einen eigenen Orientierungsplan entwickelt hat, in manchen Ländern heißt er auch Bildungsplan, unterscheiden sie sich allein schon im Umfang. Wehrend beispielsweise der Orientierungsplan von Niedersachsen22 insgesamt 60 Seiten umfasst, ist der bayerische23 Plan 253 Seiten stark. Sicherlich kann aufgrund der Seitenzahl keine Aussage darüber getroffen werden, wie sinnvoll und hilfreich diese sind. Dennoch zeigt sich daran die unterschiedliche Herangehensweise – denn diese liegen sehr wohl auch inhaltlich vor. So gibt es z. B. unterschiedliche Vorgaben in Bezug auf die pädagogische Orientierung sowie die Verbindlichkeit für die einzelnen Einrichtungen. Wehrend der bayerische Bildungsplan ausführlich die Lernwege und -ziele für die Kinder vorschreibt, wird dies im nordrheinwestfälischen24 Bericht eher offengehalten. Im Berliner Bildungsprogramm25 wird den Fachkräften wiederum vermittelt, wie sie die einzelnen Bildungsaspekte mit dem Alltag der Kinder verknüpfen können, ohne dass es sich gleich um „Unterrichtseinheiten“ handelt.

      Wie sich die unterschiedlichen Bildungs- beziehungsweise Orientierungspläne auf die Bildung der Kinder auswirken, ist bislang nicht erforscht. Klar ist jedoch, dass durch die unterschiedliche Ausrichtung der Pläne bereits innerhalb Deutschlands ungleiche Voraussetzungen für frühkindliches Lernen entstehen. Hier werden Probleme, die im schulischen Kontext bereits altbekannt sind, wie unterschiedliche Lehrpläne oder Lehrbücher, bereits in die frühe Kindheit vorgezogen, so dass Kinder mit verschiedene Voraussetzungen eingeschult werden. Wenn nun auch noch Aspekte von sozialer Benachteiligung hinzukommen, mag man sich die Auswirkungen kaum vorstellen. Es ist demnach fragwürdig, inwieweit diese Pläne tatsächlich eine Verbesserung für Kinder darstellen, wenn jedes Bundesland seinen eigenen Masterplan verfolgt.

       Ein Gütesiegel allein sichert keine Qualität

      Mit der gesetzlichen Verankerung26 der Pflicht, mehr Kindergarten- bzw. Krippenplätzen in Deutschland zu schaffen, rückte auch zunehmend die Frage nach der Qualität der Kitas27 in den Fokus der Öffentlichkeit. Da die mangelnde Qualität eines Kindergartens zu einer Hürde für das Kind werden kann28, ist die Frage nun, wie diese garantiert werden kann.

      Die sogenannte Nationale Qualitätsinitiative im System der Tageseinrichtungen29, an der sich seit 1999 zehn Bundesländer beteiligen, ist exemplarisch für die aktuellen Qualitätsbestrebungen in Kindertageseinrichtungen der Länder. In diesem Zusammenhang entstand der Nationale Kriterienkatalog, anhand dessen nun die Qualität von Kindertageseinrichtungen überprüft werden kann. Zudem wurde mit der Veröffentlichung „pädagogische Qualität entwickeln“30 Hilfestellung zur internen Evaluation in Tageseinrichtungen für Kinder gegeben. Mit dem deutschen Kindergarten-Gütesiegel31 wurde im gleichen Zuge eine Möglichkeit der externen Evaluation bzw. Qualitätserhebung geschaffen.

      Durch diese Verfahren können bestehende Strukturen und Prozesse stetig überdacht werden. Zudem ist es so möglich, die pädagogische Arbeit weiterzuentwickeln und auf neue Herausforderungen zu reagieren. Dadurch beeinflussen sie also indirekt die Entwicklung der einzelnen Kinder.

      Aus Kindersicht kann dies nur gutgeheißen werden, da angestrebt wird, die pädagogische Arbeit ständig zu optimieren. Solche Verfahren können aber nur dann für Kinder von Nutzen sein, wenn Kitas verpflichtet werden, diese Vorgaben auch umzusetzen. Ist dies nicht garantiert, wie zurzeit in Deutschland der Fall, ist die Qualität der Kindertageseinrichtungen sehr unterschiedlich. Inwieweit Kinder adäquat betreut und gefördert werden, ist dann mehr oder minder dem Zufall überlassen. Ob dies nun in Form eines Gütesiegels oder durch anderer Maßnahmen umgesetzt wird, ist dabei dann nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr ein verpflichtendes, verlässliches und nachvollziehbares System, das es möglich macht, bundesweit die Umsetzung von Qualitätsstandards zu überwachen. Deshalb muss es sich die Bundesregierung zur Aufgabe machen, die Qualitätsstandards in den Kitas zu überprüfen und verstärkt einzufordern.

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