Kürze für Eilige:
Widersprüche kinesiologischer Anwendungen und einige spezielle Phänomene des Muskeltestens stellen die Glaubwürdigkeit der Methode infrage. Meine Suche gilt den Prinzipien, mit denen solche Widersprüche sich integrieren oder auflösen lassen. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass der Muskeltest in seinen Prinzipien besser verstanden wird, und ihm dadurch zu mehr allgemeiner Anerkennung verhelfen.
Kinesiologie – ein Einblick, nicht nur für Einsteiger
Der rote Faden:
Was Kinesiologie allgemein ist und was speziell die analytische Kinesiologie ausmacht. Wie und warum der Muskeltest funktioniert und inwiefern er in Medizin und Psychotherapie oft Unglaubliches bewirken kann
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Über Kinesiologie kann man in zwei Minuten das Allerwichtigste sagen – man kann sie in zwei Stunden im Überblick erklären – in zwei Tagen kann man recht gut die grundsätzlichen Prinzipien bis zur einfachen Anwendung vermitteln – zwei Wochen braucht man, um die Grundlagen der Methode zu erfassen oder in die wesentlichen Kinesiologierichtungen hineinzuschnuppern – und Jahre dürfte man brauchen, um sie kreativ oder gar virtuos einzusetzen. – Beginnen wir mit der knappsten Kurzformel für neugierige Neulinge:
Ein zentrales Arbeitsinstrument in der Kinesiologie ist das Prüfen von Muskelreaktionen, der Muskeltest (im Folgenden oft nur „Test“ genannt). Damit kann man Auswirkungen unterschiedlichster Reize auf einen Menschen (oder ein anderes Wesen) nachweisen. Besonders wertvoll ist diese Fähigkeit, wenn damit auch unterschwellige Reize identifiziert werden, die das Bewusstsein nicht registriert. Dieser Muskeltest aus der Kinesiologie ist Gegenstand unserer Betrachtungen in diesem Buch.
So einfach sich das Wort Kinesiologie übersetzen lässt, so wenig kann man aus dem Namen allein herleiten, was diese Methode ausmacht. „Kinesiologie“ kommt aus dem Griechischen und setzt sich zusammen aus kínesis = Bewegung und lógos = Lehre, heißt also wörtlich „Bewegungslehre“. Das lässt fälschlicherweise an Sport oder an eine Trainingsmethode oder eventuell noch an Rehabilitationsmaßnahmen oder Tanztherapie denken – alles das ist jedoch nicht gemeint.
Ich zitiere im Folgenden zunächst einen Text von Ingeborg Weber, Leiterin der Internationalen Kinesiologie Akademie (aus der Einführung in deren Ausbildungsprogramm 2013):
„Kinesiologie …
… ist die Lehre von der Bewegung und beschäftigt sich im engeren Sinne mit dem Zusammenspiel der Nerven, Muskeln und Knochen, ihrem Einfluss auf Körperhaltung und Bewegungsabläufe.
Darüber hinaus arbeitet die Kinesiologie mit der seelischen, geistigen und der übergeordneten spirituellen Ebene. Ihr Ziel ist es, Bewegung in festgefahrene Emotionen, Denkweisen, Glaubenssysteme und Verhaltensmuster zu bringen, um den Menschen seine Balance, seine Mitte und seinen Platz in der Welt finden zu lassen. …
Aus der chiropraktischen Entwicklung heraus arbeitet die Kinesiologie auf der körperlichen Ebene bei verspannten hypertonen Muskeln oder geschwächten hypotonen Muskeln mit verschiedenen Korrekturen, die von Dr. George Goodheart entwickelt wurden.
Frank Chapman entdeckte die neurolymphatischen Reflexpunkte und dass eine Massage dieser Punkte die Entgiftung der Lymphe anregt. Goodheart stellte dann die Verbindung der einzelnen Punkte zu den entsprechenden Muskeln her. Terence Bennet erforschte die neurovaskulären Kontaktpunkte. Bestimmte Punkte am Kopf rufen bei sanfter Berührung eine vermehrte Durchblutung des Gehirnareals hervor. Auch hier konnte Goodheart die Verbindung zu entsprechenden Muskeln herstellen.
Anfang der 70er-Jahre gelang es Dr. Goodheart, aus dem Akupunktursystem der Chinesen über die Meridiane und ihre Verbindung zu Organen die Zuordnung zu bestimmten Muskeln zu finden. Durch Streichen der Meridianverläufe oder Halten von Anfangs- und Endpunkten eines Meridians wird ein abgeschalteter Muskel gestärkt.
Des Weiteren werden Haltungsschwächen, Fehlstellungen und Reflexe der Bewegungsabläufe getestet und durch Korrekturtechniken behoben. Diese Blockaden, die sich auf der geistig-seelischen Ebene auswirken, führen zu Lernschwierigkeiten und können zum Hindernis in der persönlichen Entwicklung werden.
Darüber hinaus kann jeder Muskel als Indikator eingesetzt werden, als eine Art Biofeedback-Instrument. Der Indikatormuskel reagiert als Antwort des Körpers auf einen Reiz oder Stress. So können zum Beispiel getestet werden: Nahrungsmittel, Medikamente, Schadstoffe, Testsätze mit Toxinen, Viren, Bakterien und Parasiten.
Die Kinesiologie beachtet das Symptom und stellt dann die Verbindung zur Ursache her, um aus dem ganzheitlichen Ansatz den Menschen zu heilen. Diese universalen Möglichkeiten des diagnostischen und therapeutischen Vorgehens haben zu einer raschen Ausbreitung der Kinesiologie in der ganzen Welt geführt.“
In Kürze und in meine eigenen Worte gefasst heißt das: Was die Begründer und Anwender unter Kinesiologie verstehen, beruht grundsätzlich auf einem Wechselspiel zwischen Unterbewusstsein und Muskelsteuerung. Einbezogen werden unterschiedliche reflektorische Behandlungen oder auch Bewegungsabläufe, um Störungen auf körperlicher, emotionaler oder mentaler Ebene auszugleichen.
Analytische Kinesiologie
Auf der Ebene der Methodik erweitert die von mir entwickelte analytische Kinesiologie das Spektrum der Kinesiologie um eine Variante, die geeignet ist, die Praxis auch solcher Ärzte und Therapeuten, die nicht auf Kinesiologie als Arbeitsgrundlage festgelegt sind, um ein sehr hilfreiches Instrument zu bereichern. Zwar weist sie Ähnlichkeiten mit anderen bereits bekannten Richtungen wie Health Kinesiology, Neuralkinesiologie oder auch Psychokinesiologie auf, unterscheidet sich aber in einem wesentlichen Punkt: durch Reduktion. Sie führt keine neuen Elemente in die Kinesiologie ein, sondern ist eher eine minimalisierte Version, ein Grundgerüst. Dadurch wird sie handlich und ist in unterschiedlichem Kontext leicht zu nutzen. Sie beschränkt sich auf einige wesentliche Prinzipien und reduziert die Methodik.
Was die analytische Kinesiologie ausmacht, darauf möchte ich im Folgenden etwas ausführlicher eingehen, weil ihre Unterschiede zu anderer kinesiologischer Methodik die Probleme bewusst machen, denen ich in diesem Buch nachgehe. Und so können Sie die nachfolgenden Abschnitte unter zwei verschiedenen Blickwinkeln lesen: einerseits als Information über den Ursprung meiner Fragen, andererseits als Einblick in meine Arbeitsweise, der Sie vielleicht neugierig macht auf „mehr“ (– was Sie dann beispielsweise in meinem Praxisbuch analytische Kinesiologie vertiefen können).
Um verständlich zu machen, wie es überhaupt dazu kam, dass ich innerhalb der Kinesiologie „eigenmächtig“ etwas veränderte, lade ich Sie zu einem kurzen Exkurs über meine persönlichen Hintergründe ein: In meiner Praxis als Allgemeinärztin galt mein Interesse im Wesentlichen der zentralen Frage, wodurch ein Mensch krank geworden war. Ich störte mich an dem gängigen medizinischen Ansatz, nur Symptome zu bekämpfen. Mich ließ die Idee nicht los, dass es bei (chronisch) Kranken erkennbare Einflüsse geben könnte, die die Krankheitsentstehung entscheidend begünstigt oder hauptverantwortlich verursacht hatten. Keine noch so gute Behandlung konnte dann heilsam wirken, solange diese schädigenden Einflüsse nicht erkannt und so gut wie möglich behoben wurden. Andererseits würden sich sehr wahrscheinlich viele Symptombehandlungen erübrigen, wenn die tatsächlichen Krankheitsursprünge gebannt wären.
Denn schon bei kurzfristigen, akuten Erkrankungen ist ja deutlich zu erkennen, dass der Körper äußerst unterschiedliche Einwirkungen mit einem begrenzten Spektrum von Symptomen beantwortet: Schmerzen, Durchfall, Atemnot, Hautausschläge und einige weitere – sehr lang ist die Liste körperlicher Grundbeschwerden nicht. Lang aber ist die Liste der Faktoren, die hinter jedem einzelnen Symptom stehen können: Kopfschmerzen können durch zu lange Arbeit am Computer, durch falsche Körperhaltung, durch einen „faulen“ Zahn, durch einen Alkoholkater, durch einen Infekt, durch seelische Konflikte, durch Fehlsichtigkeit oder vielerlei mehr entstehen; und jede dieser Arten von Kopfschmerz bräuchte andere therapeutische Konsequenzen. Stützt man sich nur auf die Untersuchungstechniken