kennen das von einfacheren Reflexen (zum Beispiel: Wegziehen der Hand von der heißen Herdplatte) ebenso wie von angelernten, verinnerlichten Abläufen (Bremsen beim Autofahren).
Sobald die Wahrnehmungssysteme des Menschen Alarm geben, unterbricht also das willkürliche Nervensystem für einen Augenblick die Kontrolle über die Muskelfunktion, um die schnellere autonome Reaktion nicht zu behindern. Diese Entkopplung zwischen willkürlichem Nervensystem und Muskulatur dauert nur einen kleinen Moment, danach kann das Bewusstsein sich wieder in die Muskelsteuerung einschalten und sinnvoll mithelfen – oder einen entgegengesetzten „Befehl“ geben: Obwohl Feuer zunächst einen Fluchtreflex auslöst, können wir bewusst in ein brennendes Haus zurücklaufen, um einen Menschen zu retten.
Die kurze neuromuskuläre Entkopplung (Kinesiologieanwender sagen: „Der Muskel schaltet ab.“) zeigt also an, dass das Körpersystem Alarm gibt. Dies tut es aber nicht nur, wenn etwa ein Bär hinter uns auftaucht oder eine Maus durch die Küche läuft, sondern schon bei unterschwellig bedrohlichen Reizen, die wir mit dem Bewusstsein noch gar nicht als Gefahr erfassen, wie zum Beispiel bei ungesunden Nahrungsmitteln, unverträglichen Sonnencremes, elektromagnetischen Feldern oder emotionalen Belastungen.
Die Tragweite dieses Phänomens ist enorm. Es bedeutet nämlich, dass es in unserem Körper Frühwarnsysteme gibt, die über völlig andere – noch unerforschte – Sensoren verfügen als die bekannten Sinnesorgane! Diese „erkennen“ potenzielle Gefährdungen bereits, wenn diese noch ein minimales Ausmaß haben, und würden – wenn man ihren Warnungen folgte – verhindern, dass sich aus der Summe kleiner Negativreize anhaltende Schäden im Gesamtsystem des Menschen manifestieren.
Die Stressreaktion
In Bezug auf den Muskeltest heißt das:
Wenn der getestete Muskel eine gewünschte willkürliche Bewegung kurzfristig nicht ausführen kann, lässt das auf eine offensichtliche oder unterschwellige Gefahr schließen. Daraus ergibt sich im Rückschluss, dass wir den Muskeltest benutzen können, um schädliche Einwirkungen auf den Organismus zu identifizieren. Solche schädlichen Reize nennt man in der Kinesiologie „Stressoren“.
In meiner Arbeitsweise beginnt der Muskeltest damit, dass der sitzende Patient einen Arm in etwa waagerecht vor dem Körper ausstreckt. (Das „Halten“ in dieser Position ist dabei der Auftrag des bewussten Nervensystems.) Der Therapeut sitzt seitlich von ihm, legt seine Hand auf den Unterarm des Getesteten und prüft mit langsam ansteigendem Druck, ob der Arm wirklich gehalten werden kann. Dies spürt er am „Einrasten“ des aktivierten Muskels, das sich für Tester und Proband etwa so anfühlt wie das Einrasten des Sicherheitsgurts im Auto, wenn plötzlicher Zug auf ihn einwirkt.
Das Einrasten (kinesiologisch auch „Sperren“ genannt) ist für den Testenden das Zeichen, dass der Wille des Menschen sich auf die Muskulatur überträgt, und für das Muskelsystem ist es die Kennung, auf welchen Prüfdruck vonseiten des Testenden es sich im weiteren Verlauf einzustellen hat. Dieses „Einrasten“ sollte im Idealfall von Tester und Getestetem (zumindest aber vom Testenden) gespürt werden, sonst ist der Druck zu schwach oder – weitaus häufiger – zu kurz.
Die Testhaltung
Wichtig ist dabei, dass der Druck langsam (über 2 bis 3 Sekunden) und keinesfalls ruckartig aufgebaut wird. Ebenso wenig ist ein Kräftemessen angesagt, weil es nicht um Stärke oder Schwäche geht, sondern nur um das Prüfen der willkürlichen Muskelkontrolle. Bei technisch korrektem Druck kann der Proband den Arm auch in einer längeren Testserie leicht halten und spürt darüber hinaus selbst eindeutig seine Reaktionen. (Wer es richtig erlernen will, findet Ausführliches zur Technik, zum Selbsttraining, zu verschiedenen Testvarianten, Fehlermöglichkeiten usw. in meinem Praxisbuch analytische Kinesiologie.)
Dieser „Leertest“ der Haltereaktion ist die Ausgangsgröße. Im Vergleich mit ihr möchten wir erkennen, wie der Organismus auf unterschiedliche Reize antwortet. Vor dem eigentlichen Test ist es üblich, durch einen eindeutig negativen Reiz zu prüfen, wie sich die neuromuskuläre Entkopplung (= das Nichteinrasten) bei der jeweiligen Testperson darstellt. Es gibt Menschen, deren Arm sich bei gleichmäßigem Druck von oben allmählich und kontinuierlich nach unten bewegen lässt, bei anderen „fällt“ der Arm nach der Entkopplung fast von allein nach unten.
Um unser Muskelsystem als Anzeigeinstrument benutzen zu können, müssen wir es „eichen“. Wir brauchen eine Ausgangssituation, in der der Muskel neutral reagiert (der Arm also mühelos gehalten werden kann), sowie eine Reaktionsweise, die Störung oder Stress signalisiert (bei der der Arm also die Muskelkontrolle verliert).
Smilie
Dazu benutze ich als Einstieg zwei Testbilder, den sogenannten Smilie mit dem Lächeln und den Heulie mit den heruntergezogenen Mundwinkeln. Bei Letzterem registriert der Körper Stress und lässt die Muskulatur entkoppeln, der Testende kann den Arm ohne besonderen Kraftaufwand nach unten drücken, obwohl die Testperson ihn zu halten versucht.
Heulie
Ist der Unterschied zwischen „eingerastetem“ Arm und „entkoppeltem“ Muskel (oder zwischen an- und abgeschaltetem Muskel) eindeutig, kann man mit dem eigentlichen Testen beginnen, indem man den Probanden verschiedenen Reizen aussetzt.
Uns sind üblicherweise Reize vertraut, die wir mit unseren Sinnesorganen aufnehmen, also schöne oder weniger erbauliche Bilder, angenehme oder schrille Töne … Um das zu differenzieren, brauchen wir keinen Muskeltest. Das Besondere an diesem Test ist, dass sogar diese bewusst wahrgenommenen Reize durch einen „Spezialfilter“ unseres Unterbewusstseins laufen, wo sie nach sensibleren Kriterien beurteilt werden. So mag jemand klassische Musik öde finden (= oberflächliche Vorliebe) – das Unterbewusstsein könnte bei Musik von Mozart jedoch mit einem gehaltenen Arm Wohlbefinden signalisieren, während bei der bevorzugten Marschmusik oder dem „angesagten“ Heavy-Metal-Rock der Arm eventuell nachgibt.
Wichtig ist noch zu erwähnen, dass das neuromuskuläre System den Muskel bei Konfrontation mit einem Negativreiz nur für kurze Zeit „abschalten“ lässt. Bei anhaltendem Kontakt mit einem Reiz adaptiert das Körpersystem. (Die Adaptationszeit variiert je nach Reizintensität und beträgt in der Regel nur wenige Sekunden.) Daher lässt der anfangs „schwach“ getestete Arm sich trotz weiterer Reizeinwirkung bald wieder leicht halten.
Erst durch diese Adaptation wird der Muskeltest überhaupt möglich, denn es dürfte keine einzige stabile Ausgangssituation beim Testen geben, die in jeder Hinsicht völlig frei ist von jeglichen negativen Einwirkungen. Gäbe es die Adaptation nicht, würden sämtliche potenziell negativen Reize der Umgebung, angefangen vom Stromkabel über die Tapetenfarbe bis zur Fliege an der Wand, anhaltend einen „starken“ Arm verhindern – und damit gäbe es keinen Muskeltest.
Da das Muskelsystem auch auf unterschwellige Reize reagiert, die über noch unbekannte Rezeptoren aufgenommen werden, gibt der Test Auskunft über Wahrnehmungen, die den uns vertrauten fünf Sinnen weitgehend verschlossen sind.
Das heißt, mit dem Test kommen wir an Informationen heran, die wir sonst nur über äußerst aufwendige und manchmal riskante Wege herausfinden würden. Gerade deshalb ist die große Domäne des Muskeltests vor allem das Austesten von Substanzen auf Verträglichkeit oder auch das Testen von Medikamenten – allein durch Körperkontakt. Ebenso lassen sich Strahlungsfelder nachweisen, sobald sie den Organismus störend beeinflussen.
Nun könnte es ja sein, dass wir möglicherweise vorhandene „Mobilfunkrezeptoren“ im Körper einfach nur noch nicht entdeckt haben, ebenso wie „Messfühler“ für Joghurtdrinks. Doch selbst wenn sich eines Tages nachweisen ließe, dass es ein subtiles Schadensabwehrsystem einschließlich der dazugehörigen Sensoren gibt, erklären sich daraus nicht alle Möglichkeiten des Muskeltestens. Allein schon die Möglichkeit,