habe also barfuß auf seinem Parkett gestanden, die Sandalen in der Hand, und hab gewartet, dass er das Geld bringt.
Aber dann ist er mit einem Eimerchen wiedergekommen und hat das Zeug vor mir auf den Boden gekippt, und ich habe vor Schreck einen Schritt rückwärts gemacht, und da ist es an meinen Fußsohlen auf ein Mal kurz ganz heiß geworden, und ich war am Boden festgeklebt.
Ralf hat gelacht und ist wieder weggegangen.
Ich habe geschrien wie verrückt, und da ist er zurückgekommen mit einem Baseballschläger in der Hand – und einer Säge.
Und dann hat er mit dem Baseballschläger zugeschlagen.
An dieser Stelle muss ich zugeben, dass ich gelogen habe.
Nun ja, nicht direkt gelogen, es ist mehr die Erzählperspektive, die nicht so ganz gestimmt hat.
Natürlich hat nicht Nina diese Geschichte erzählt.
Dazu ist Nina bedauerlicherweise nicht mehr in der Lage, ist sie doch inzwischen bereits entsorgt.
Welche pikante Doppeldeutigkeit in diesem Wort liegt.
Nina ist »ent – sorgt«.
In der Tat. Das ist sie. Keine Sorgen mehr für Nina.
Ich liebe es, das Spiel mit der Sprache.
Wort-Spiele.
Noch mehr allerdings liebe ich Frauenfüße.
Ninas zum Beispiel, wirklich bemerkenswert schöne, wohlgeformte und gepflegte Füße, die jetzt in Formalin schwimmen und so fast für die Ewigkeit konserviert sind.
Ich werde jedenfalls noch viel Spaß mit ihnen haben.
Zumal ich, und das erwähne ich jetzt nicht ohne eine gewisse Eitelkeit, dieses Mal das Problem der immer ein wenig hässlich aussehenden Schnittflächen oberhalb der Fußknöchel sehr befriedigend gelöst habe, mit je einer Abschlusskappe aus dünnem, getriebenen Silberblech.
Der Aufwand hat sich wirklich gelohnt, und Ninas Füße sind ihn definitiv auch wert.
Arme Nina – das Leben war wirklich nicht nett zu ihr.
Aber jetzt wird alles gut.
Keine Beratung, kein Verkauf
Nehmen wir einmal an, ich wollte, aus welchem Grund auch immer, eine Geschichte erzählen – was könnte ich da zum Besten geben?
Nun, die Frage stellt sich natürlich nicht konkret, aber so als Gedankenpiel angenommen, bräuchte die Geschichte zunächst einmal eine Hauptfigur, einen Protagonisten, wie man so sagt.
Das könnte zum Beispiel eine junge Frau sein.
Mitte Zwanzig vielleicht.
Gut, zugegebenermaßen bin ich weder eine Frau noch jung, insofern müsste ich mich tatsächlich einer gewissen Vorsicht befleißigen.
Will sagen, es wäre notwendig, dem projizierenden Anteil meiner Phantasie straffe Zügel anzulegen – Sie wissen schon …
Ich denke jedoch, das wäre machbar. Gut also.
Die junge Frau, sie könnte Claudia heißen, ein Name, dessen Klang, wie ich finde, gut zu jener Geschichte passen würde, bräuchte nun natürlich auch ein Umfeld.
Dieses könnte beipielsweise ein Möbelgeschäft sein, kein allzu großes vielleicht, eher ein mittelständisches, etwas dezentral liegendes, ein Familienbetrieb etwa, in dem Claudia schon ihre Ausbildung hätte absolviert haben können.
Das Möbelgeschäft müsste nicht unbedingt florieren, es könnte im Gegenteil in einer längeren Krise gesteckt haben.
Zum Beispiel hätte der Besitzer und Gründer damals in den siebziger Jahren im ländlichen Umfeld zunächst gute Umsätze gemacht, dann aber mit der Zeit doch so sehr den Anschluss verpasst haben können, dass selbst die an sich anspruchlose Klientel nicht mehr zum Kauf zu animieren gewesen wäre.
In dieser Existenzkrise wäre ein Personalabbau die Folge gewesen, welchem Claudia aber sicherlich nicht zuletzt aufgrund ihrer knappen Auszubildendenvergütung und ihrer anschließend geringen Gehaltsentwicklung entgangen wäre.
Indessen gibt es ja immer die Möglichkeit einer Neuorientierung, beispielsweise eine Verjüngung des Sortiments, und diese hätte so aussehen können, dass das Besitzerehepaar – in Erkenntnis der Ursache seiner Misere – bereit gewesen wäre, Claudias jugendlichem Geschmack zu folgen und die Produktpalette, zumindest partiell, auf ein moderneres Publikum abzustimmen.
Ein Eckpfeiler dieser Kampagne hätte eine Werbeprospektserie sein können, welche nicht nur jene neue Stilrichtung zum Inhalt hätte haben können, sondern auch Claudia, genretypisch im Minirock und mit Pferdeschwanz und, warum auch immer, ebenso genretypisch barfuß abgelichtet.
Die Motive wären die üblichen gewesen: Claudia, sich auf Lederpolstern räkelnd, Claudia mit einem Sektglas neben dem jugendlichen Esstisch postiert und – last but not least – Claudia bäuchlings auf dem Bett, frontal in das lächelnde Gesicht fotografiert, während sie neckisch die blanken Unterschenkel nach oben wippte.
Bei letzterem Bild hätte der Fotograf, da er ein Profi gewesen wäre, natürlich darauf geachtet, dass Claudias Fußsohlen frei von Staub- und Schmutzpartikeln gewesen wären.
Ja, so in etwa hätte ich das erzählen können.
Die Geschichte weiter fortspinnend, würde ich dann skizzieren, wie die finanzielle Talsohle langsam durchschritten gewesen wäre und das Unternehmen so weit gesundete, dass sich das Besitzerehepaar nach langen Jahren des Verzichts endlich ein paar Tage Urlaub erlauben würde.
Claudia hätte da den Verkaufsbetrieb als Notbesetzung aufrechterhalten können, ein Vertrauensbeweis, den sie einerseits sicherlich verdient und der andererseits für den Betrieb nebenbei auch die finanziellen Einbußen des Urlaubes deutlich gemildert hätte.
Ja, und dann fehlte natürlich noch die eigentliche Handlung.
Claudia ging, nachdem sie den Eingang verriegelt hatte, pflichtschuldigst noch einmal durch die Verkaufsräume, als plötzlich das Licht ausging. Sie erschrak über den Fakt des Verlöschens an sich, aber auch über die absolute Dunkelheit, die sie nun umfing.
Zuerst dachte Claudia an einen technischen Defekt, an einen Stromausfall etwa, aber ihr Instinkt sagte ihr, dass sie nicht alleine im Raum war.
Claudia erstarrte, doch außer dem beruhigenden Ticken der Standuhren ganz in der Nähe konnte sie kein weiteres Geräusch ausmachen.
Sie entspannte sich etwas und machte sich tastend auf den Weg zum Hinterausgang. Um sich zu orientieren, versuchte sie, das schon tausendfach gesehene Bild der Verkaufsräume vor ihrem inneren Auge entstehen zu lassen. Sie war bei den Esszimmern gewesen, als das Licht ausgegangen war, und bewegte sich nun wohl durch die Abteilung mit den Schlafzimmern.
Claudia fluchte halblaut, denn sie hatte sich das Schienbein an einer Kommode angestoßen.
Doch dann erschrak sie erneut. Ihr war so, als ob sie ein leises Lachen gehört hätte.
Alarmiert und mit aufs Äußerste geschärften Sinnen tastete sich Claudia nun zögernd weiter. Der Geruch von Leder zeigte ihr an, dass sie inzwischen bei den Polstermöbeln angelangt sein musste. Sie blieb abrupt stehen, und tatsächlich hörte sie, dem Nachhall ihrer eigenen Schritte gleich, noch eine andere Person, die dann, etwas zeitverzögert, ebenfalls stehenblieb.
Claudia rannte los, doch sie kam nicht sehr weit. Sie stolperte in der Dunkelheit über einen Sessel, stürzte und fand sich auf dem Teppichboden kauernd wieder. Möglichst lautlos bewegte sie sich auf allen vieren weiter und kroch in die Lücke zwischen den Flanken zweier Sofas, wo sie sich instinktiv schützend zusammenrollte.
Obwohl sie kein Geräusch außer ihrem eigenen, schnellen Atmen hörte und in der Dunkelheit auch