getreue Abbilder des lebendigen Originals, Abbilder gewiss, und doch auch etwas Eigenes.
Wenn Sie sich also wieder auf die Récamière begeben könnten?«
Die Fußknöchel sind ein Meisterwerk an Proportion und Übergang, die Fersen von einem angenehmen Schwung, und die Achillessehnen haben nun, da die Füße unbelastet und etwas gestreckt sind, eine leichte Kurve, welche übergangslos in jene der Ferse übergeht.
Wie ihre Hände, so sind auch die Füße schmal und feingliedrig, und obwohl die Zehen offensichtlich entspannt sind, treten die Sehnen am Spann fast unmerklich hervor. Die Zehen selbst sind zierlich und gerade, die mittlere und die große Zehe sind etwa gleich lang, die anderen jeweils ein wenig kürzer, die weißen Fußsohlen sind glatt und haben eine wohlproportionierte Wölbung.
»Ja, etwas Eigenes, in der Tat, eine ganz eigenständige Schönheit, diese kühlen Grazien aus weißem Stein, rein und unbefleckt, auf ewig schön. Die Zeitlosigkeit nimmt ihrer Schönheit den Druck, meinen Sie nicht? Und der Betrachter selbst hat ja auch alle Zeit der Welt, er schaut ohne Hast, ungestört hält er Zwiesprache mit dem Objekt.
Ach ja. So muss es sein.«
Auch die Ellbogen sind kleine Kunstwerke, an der Innenseite beider Arme bilden sich im Gelenk kleine Grübchen, obwohl sie unterschiedlich stark gebogen sind. Bei dem stärker abgewinkelten Arm tritt die Gelenkkapsel etwas mehr hervor, bei dem geraderen bildet sich auf beiden Seiten des Ellbogens eine elegant eingezogene Flanke.
»Aber es ist natürlich nicht ganz einfach. Sehen Sie, ich bin in der Tat kein wirklicher Bildhauer. Ich bin nur ein Kopist. Ein technisch ohne Zweifel begabter Kopist, was mich tatsächlich selbst etwas erstaunt, bin ich doch eigentlich alles andere als ein Handwerker, aber letzen Endes eben doch nichts weiter als ein Kopist. Ich bin eigentlich nicht in der Lage, kreativ selbst etwas zu schaffen, ich kopiere das Schöne nur. Ich meißle Schönheit aus Fleisch und Blut in den unbefleckten, weißen Stein.
Und hier tut sich nun tatsächlich ein Problem auf.
Sehen Sie, meine Liebe, ich mag kein Künstler sein, doch nichtsdestotrotz treibt mich eine Mission: Die weibliche Schönheit zu verewigen. Sie lächeln, meine Liebe, ich sehe, Sie haben verstanden, was das für Sie bedeutet: Sie dürfen verblühen, welken, sterben, aber Ihre Schönheit wird Bestand haben. Ist das nicht wunderschön?«
Da sie etwas im Hohlkreuz verharrt, ist die Kurve ihres Bauches etwas gespannt, trotzdem hat der Bauchnabel eine angenehme Tiefe.
»Oh, bitte, hören Sie doch auf zu weinen, ich bitte Sie. Es tut mir leid, manchmal bin ich wirklich ein gefühlloser Klotz. So entschuldigen Sie doch. Hier, nehme Sie mein Taschentuch.«
Da sie auf der Seite liegt, steht das untere Schulterblatt etwas mehr heraus als das andere. Die obere Schulter liegt frei, das weiße Haar bedeckt nur die untere. Auch die Ohrmuschel ist sichtbar, ein Kleinod aus verschlungenen Formen, filigran und in einem zierlichen Ohrläppchen auslaufend.
»Ja, ich war stehen geblieben, dass mich die Mission treibt, und das ist nicht einfach so dahergesagt. Es treibt mich mit Macht. Und, wie bereits erwähnt, ich bin auf das Modell angewiesen, und das ist tatsächlich wörtlich gemeint. Ohne die gegenwärtige Vorlage aus Fleisch und Blut kann ich praktisch keinen Hammerschlag tun. Gut, ich sehe, Sie haben den springenden Punkt noch nicht ganz erkannt, weil Sie keine Vorstellung haben, wie lange ich für eine Statue in der Qualität der unten im Garten ausgestellten Stücke brauche.
Nun, es wird offen gestanden mindestens ein halbes Jahr dauern, ein halbes Jahr, in dem Sie in exakt dieser Pose zu verharren haben, von morgens bis abends.«
Links und rechts von ihrer steinernen Kruppe sind zwei Vertiefungen, darüber die beiden Muskelstränge, die ihre Lendenwirbelsäule flankieren, wegen des leichten Hohlkreuzes in einer eleganten Kurve in den Rückenbereich hinauf laufend.
»Unmöglich sagen Sie? Ja, das hatte ich befürchtet. Sehen Sie, meine Liebe, es ist nun tatsächlich so, dass Sie eigentlich überhaupt nicht vor eine Wahl gestellt werden.
Bitte setzen Sie sich wieder beziehungsweise nehmen Sie Ihre Position wieder ein.«
Durch die Wölbung des Rückens ist der Bauch etwas gestrafft, daher verschwimmt der Übergang zu dem zart gewölbten Schamhügel ein wenig, letzterer ist gleichsam nur zu erahnen, blank und glatt, bevor er in einer dramatischen Kurve zum eigentlichen Geschlecht hinunter führt.
»Lassen Sie das doch bitte einfach sein, meine Liebe. Die Tür ist und bleibt verschlossen, und wenn Sie noch so laut schreien, so hört das doch niemand außer mir.
Ich bitte Sie, zwingen Sie mich nicht, Ihnen weh zu tun. Ich meine, Hämatome sieht man auf der Statue nicht, aber es ist nicht notwendig, ich appelliere an Ihre Vernunft.«
Da die Beine leicht gespreizt sind, läuft die Innenseite ihrer Oberschenkel in die etwas heraustretenden Sehnen des Leistenbereiches aus. Die Scham selbst wird von einer zierlichen weißen Hand verdeckt.
»Sie glauben nicht, wie froh ich bin, dass Sie inzwischen beschlossen haben, zu kooperieren, meine Liebe. Jetzt geht es mir wirklich besser.
Ja, Sie werden mir nun eine lange Zeit als Modell dienen, und glauben Sie mir, ich freue mich auf diese Zusammenarbeit.
Ich weiß, was Sie jetzt denken, und Sie haben teilweise auch recht: Wie wird die Sache wohl enden? Was, wenn die Statue fertig gestellt sein wird?
Nun, um der Wahrheit genüge zu tun, ich weiß es nicht.
Sehen Sie, bei den ersten Statuen habe ich mich der Modelle schließlich entledigt, mit Tränen in den Augen, sie hätten ja noch Jahre der Schönheit vor sich gehabt.
Aber was hätte ich tun sollen?
Sie ruhen nun unter ihren steinernen Ebenbildern.
Doch beim letzten Modell, Caroline, nebenbei bemerkt eine nicht nur schöne, sondern auch mental wirklich bemerkenswerte Frau, ist etwas geschehen.
Ich hatte ihr die Situation dargestellt, mit der ich ja alles andere als zufrieden gewesen bin, und da sie im Verlauf unserer gemeinsamen Stunden genügend Zeit gehabt hatte, nachzudenken, hat sie mir schließlich tatsächlich eine Lösung vorgeschlagen, die mich überzeugt hat.
Wie Sie sicherlich verstehen liegt der Knackpunkt in der Frage, was wohl geschehen würde, wenn ich das Modell nach so langer Zeit freiließe. Was könnte sie nachhaltig zum Schweigen verpflichten? Es ist in der Tat gar nicht so einfach, Versprechen, Schwüre oder Verträge gelten schließlich nicht, und sobald ich sie aus dem Bereich des direkten Zugriffes entlassen hätte, wäre meine Macht über sie nichtig.
Und ich bin andererseits weder willens noch in der Lage, beispielsweise mehrere Frauen dauerhaft gefangen zu halten, das leuchtet Ihnen sicherlich ein, schon gar nicht jene Frauen, die ich schließlich schon verewigt habe.
Dass Caroline noch bei mir weilt, ist wirklich ein sehr großes Entgegenkommen an deren scharfen Intellekt.
Um es kurz zu machen meine Liebe, sie hat vorgeschlagen, dass sie Sie tötet, wenn Ihre Statue fertiggestellt sein wird.
Ein brillanter Gedanke, finden Sie nicht?
Nein?
Bitte denken Sie doch objektiv: Indem Caroline sich des Mordes schuldig macht, muss sie ganz zwangsläufig schweigen. Sie könnte mich der Gerichtsbarkeit ausliefern, in der Tat, sie könnte auf ihre Zwangslage aufmerksam machen, in der sie sich zur Tatzeit befunden hat, sicherlich, aber glauben Sie im Ernst, das würde ihr etwas nützen?
Wir würden doch sogar Menschen verurteilen, die kurz vor dem Verhungern ihre toten Artgenossen aufessen.
Wir haben Männer gerichtet, nur weil sie sich einem etablierten Regime nicht widersetzt, sondern unterworfen haben.
Sie wird also schweigen müssen.
Sehen Sie? Carolines Vorschlag ist wirklich ein guter und funktionierender Gedanke, vorausgesetzt, Ihr Ableben, meine Liebe, ist ausreichend belastend dokumentiert, und das ist nun wirklich kein