Moritz zurückkäme, grundsätzlich für die Ehe. Andernfalls sündige Moritz gegen Gott. Die Abreise könne den Vater unter die Erde bringen, und Moritz verliere außerdem die Gunst von Vater und Mutter.43 Moritz antwortete, die Mutter habe ihn vielfältig auf die Verlobung hin geleitet. Er tue, was christlich und ehrlich sei und könne dadurch die Gunst der Eltern nicht verlieren.44 Die Mutter kündigte ihm in scharfer Antwort bei Vollzug seiner Ehe die zeitliche und wohl auch ewige Strafe Gottes an, wegen des Verstoßes gegen die auch von Luther gepredigte Ordnung und gegen das Vierte Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren“.45
Moritz und seine Gemahlin Agnes, Gemälde von Lucas Cranach d. J., auf Lindenholz, 1559
Moritz war, nachdem er die knapp dreizehnjährige Agnes gesehen hatte, bei seiner Zusage aus dem Sommer 1539 geblieben. Vorher hatte er auf die Pläne Herzog Georgs aufschiebend und abweisend geantwortet. Er wollte evangelisch bleiben. Nun wollte er ohne großen Aufschub heiraten und an beidem trotz der ganz anderen Interessen seiner Mutter, der Stände und der Altgläubigen festhalten. Er machte sich auf seinen selbstständigen Weg.
Moritz reiste nach Hessen, obwohl durch Katharina noch Räte in Leipzig und in Weißenfels aktiviert wurden, um ihn aufzuhalten. Er bat in Marburg Landgraf Philipp am 9. Januar 1541 dringend um den sofortigen Vollzug der Ehe. Philipp versuchte zusammen mit seiner Gemahlin, den überstürzten Vollzug der fest beschlossenen Ehe um einige Zeit aufzuschieben, er konnte aber bei Moritz nichts erreichen.46 Dieser schrieb zugleich aus Marburg an Katharina, er habe nicht als ungehorsames Kind gehandelt, sondern zu dieser Ehe wäre er, wie öffentlich bekannt, vom Vater und ganz besonders von der Mutter so weit bewegt worden, daß wir als ein gehorsames Kind darein gewilligt und demnach soweit eingelassen, dass wir niemals nicht zurück mögen.47
Philipp war von Katharina vor der unordentlichen, ungöttlichen Ehe seiner Tochter gewarnt worden. Er nahm jedoch Moritz in Schutz und wunderte sich, dass sie nun das ablehne, was sie gefördert und niemals widerrufen hatte.48 Am 11. Januar 1541 wurde das junge Paar in Marburg wohl in der Elisabethkirche getraut, ohne jede Einschränkung auf eine nur rechtliche Ehe. Moritz ist damit sicher der erste Mann, den Agnes kannte. Sie war bei der Hochzeit nicht ganz 14 Jahre alt. Wie weit sich Moritz zu dieser Zeit schon dem anderen Geschlecht zugewandt hatte, wissen wir nicht. Die Marburger Hochzeit wird ohne jeden öffentlichen Glanz gewesen sein. Fürstenhochzeiten sind sonst lange geplante, über Tage dauernde Feste gewesen. War Moritz so sehr unter Druck? Hat Philipp seine politische Basis erweitern wollen? Fürchtete Moritz ein Kommen seiner zungenfertigen Mutter Katharina? Nur Tatsachen konnten sie bremsen!
Danach war Moritz mit zwanzig Jahren in seinem persönlichen Leben eine eigenständige Person. Viel länger dauerte es, bis er auch als Landesfürst selbstständig und frei von den Wünschen anderer zu entscheiden lernte. Moritz war Anfang 1541 eine allseits begehrte Figur im politisch-konfessionellen Spiel. Die Mutter Katharina, der Onkel Georg, der Vetter Johann Friedrich, die sächsischen Stände, Elisabeth von Rochlitz, der Landgraf und sogar König und Kaiser wollten durch seine Person ihre Pläne erreichen. Moritz aber ließ sich wohl von der ihm vertrautesten Person, Elisabeth von Rochlitz, und dann von Landgraf Philipp beraten. Er wollte seinen selbstbedachten Lebensweg gewinnen, das musste ihn immer wieder von anderen trennen.
Leider schloss Philipp, als seine Doppelehe allgemein bekannt wurde, einen Vertrag mit dem Kaiser am 13. Juni 1541 in Regensburg, der ihn vor der Reichstrafe wegen Bigamie bewahrte. In diesen Vertrag zog er Moritz mit hinein. Moritz folgte seinem Schwiegervater, durch den er gerade ein eigenes Leben gewonnen hatte. Er ratifizierte diesen Vertrag, der ihm wohl nur vorgelesen wurde, in einem eigenen Brief an den Kaiser am 23. Juni 1541 vom hessischen Friedewald aus, den Herzog Georgs Kanzler Pistoris entworfen hatte.49
Der wirkliche Grund für die Mühen, die Moritz mit seiner Mutter Katharina und durch sie mit dem Vater 1540/41 hatte, sind weder die Erbschaft noch Philipps Doppelehe, sondern der feste Wille der Herzogin, weiter an der Macht zu bleiben. Sie suchte die Ehe ihres Sohnes zu verhindern, mit der sie ihren Einfluss auf den Sohn verloren hätte. Katharina schrieb an Landgraf Philipp, dass ein Kind das höchste Gut wäre, das einem Mann von Gott auf Erden gegeben würde, deshalb dürfte Philipp Moritz nicht zum Ungehorsam gegen die Eltern führen. So redete sie von sich durch die Person ihres Mannes.50 Sie wollte mit Moritz nicht ihren politischen Einfluss verlieren. Nachdem er die Nachfolge des verstorbenen Vaters angetreten hatte, bemühte sie sich, die bisher bewohnten Gemächer der regierenden Herzogin im Dresdner Schloss zu behalten und nicht an die junge Agnes abzutreten. Als die hessischen Räte, die Moritz im Namen des Landgrafen bei Regierungsbeginn halfen, das verhinderten, verließ sie wütend Dresden und nahm ihren Witwensitz im Freiberger Schloss ein.
Es gibt einen schmalen Band von originalen, ganz persönlichen Briefen im Dresdner Archiv, der nur Briefe von Moritz an Agnes enthält, aber keine Antworten von Agnes. Diese Moritz-Briefe sind vermutlich bei der Übersiedlung von Agnes aus Dresden in den Witwensitz nach Weißenfels und dann nach Weimar mitgenommen worden. Wohl erst durch die Reichsacht gegen Johann den Mittleren sind sie mit anderen Aktenbänden aus dem ernestinischen Archiv wieder nach Dresden gekommen. Johann Jenitz, der Geheimsekretär von Kurfürst August, hielt vielleicht Moritz betreffende Briefe, den er nur als Vorspiel zu dessen Nachfolger sah, ohnehin nicht für sehr wichtig. Es gibt in Hessen im Marburger Archiv mehr Briefe von Moritz als in Dresden.
Moritz hatte von Anfang an ein freundliches Bild von Agnes. In einem Brief an Landgraf Philipp lässt er 1540 das lebliche (lebensvolle, lebenslustige) Frauenzimmer grüßen. Die Neigung zwischen Moritz und Agnes ist immer beständig geblieben. Auch in späteren eigenhändig geschriebenen Briefen von Moritz stehen zärtliche Formulierungen, zumeist nur der Empfängerin wirklich verständlich. So heißt es im Oktober 1550: jn soma jch will diesen winter bey dir bleiben vnd wollen mit einander birn braten wan sie chussen so wollen wir sie aus nehmen vnd mit gottes chulff ein guts mutlein haben amen.
In einem seiner letzten Briefe schreibt Moritz: ist es meglich so kom ich zu dir kann es aber nit sein vnd du wollest mich ihe ansprechen so magstu in die nehe zu mir komen so will ich fleis vorwenden das ich dir mog das badt gesegne ich befil dich got der helf vns mit freuden zusamen vnd geb uns genad das wir hinfuro lang lang lang mogen besamen wonen vnd das vorrichten das wir lang beidt gewunst haben amen. Agnes weilte da längere Zeit in Bad Ems zur Kur gegen Unfruchtbarkeit.51 Es ist eine Last für Agnes und Moritz gewesen, dass ihnen nach der Tochter Anna, 1544 geboren, und dem Sohn Albrecht, der nach knapp einem halben Jahr 1546 schon starb, keine anderen Kinder geschenkt wurden. So kann Landgraf Philipp ermahnen, als er ihr im Brief gestattet, seinen kleinen Sohn Georg nach dem Tod der Landgräfin in Pflege zu nehmen: Sie sollten nicht so faul sein wie in den letzten Jahren und selbst zu einem Sohn kommen.52
Es ist möglich, dass zwischen Moritz und seiner Frau eine Rhesusunverträglichkeit bestanden hat. Das erste Kind wuchs normal heran, das zweite Kind war auf Dauer nicht lebensfähig. Danach hat Agnes nur noch Fehlgeburten gehabt. Herzogin Katharina von Mecklenburg schrieb ihr am 5. Juli 1550, sie wünschte ihr von Gott Gesundheit, da Agnes von einer „Leibesschwachheit“ befallen wäre. Sie sollte ihr berichten, dann wollte sie dazu „mütterlich“ raten. Es handelte sich wohl wieder um eine Fehlgeburt.53 Nachdem Agnes nach Moritz’ Tod 1555 Herzog Johann Friedrich den Mittleren, einen Sohn Johann Friedrichs d. Ä., geheiratet hatte, erlitt sie im Oktober wieder eine Fehlgeburt. Ihr Tod kurz danach am 2. November 1555 hatte aber seinen Grund im Lungensiechtum, wie ihr Mann ausführlich an Landgraf Philipp berichtete.54
Bis zuletzt bestand eine tiefe und intime Zuneigung von Moritz zu Agnes. Zwischen den Eheleuten hat es eine Art Privatsprache gegeben, ganz persönliche Sprachformen, die in den üblichen Wörterbüchern nicht zu finden sind. Was steckt hinter dem gemeinsamen birn braten wan sie chussen?55 Ist Moritz der Hahnfürst, wenn er an Agnes schreibt und befil hier mit got meine hunner furstin?56 Moritz bittet Agnes zu berichten, wie es deinem Forbrig gat desgleichen wie die gerten sthan.57 Sehr frei kann er ihr schreiben: du kenist mein Sitten das ich so gern schreib als ich bet darumb sols tu vnbekemertsein das ich nit mer geschriben hab Ich hoff zu got Ich will