Johannes Herrmann

Moritz von Sachsen (1521-1553)


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      Schwierig wurde, dass Moritz seit 1539 gegen alle neuen politischen Pläne seiner Mutter bei seinem ersten Entschluss geblieben ist. Er lehnte auch eine vorausgenommene Trauung zur Ehe mit einer königlichen Prinzessin ab. Wenn er getraut wäre, müsste er sich der anderen Frauen enthalten. Deshalb wollte er gleich die richtige Hochzeit haben, denn er könnte über Jahre sonst keine Treue halten. Moritz scheint strenge Grundsätze über die Ehe aus dem altgläubigen Dresden und dem evangelischen Torgau mitbekommen zu haben. Er wollte nicht auf das Heranwachsen eines königlichen Kindes warten.

      Katharina benutzte die Ehepläne als Druckmittel gegen die berechtigten Erbschaftsanspüche Christines von Hessen. Als Tochter musste diese beim Erbe am Barvermögen beteiligt werden. Philipp meinte, dass der Anteil seiner Frau ungefähr 50000 Gulden betrage. Katharina suchte die schon abgesprochene Ehe zu hindern, um bei Philipp einen Verzicht auf die Zahlung zu erreichen. Sie verbot Moritz eine Zusage, ehe sie mit Landgraf Philipp über das Erbe verglichen wäre. Elisabeth von Rochlitz meinte, dass nur Katharina die Ehe verhindere.32 Schließlich hätten ihr beide Elternteile lange schon gesagt und auch geschrieben, dass sie Moritz keine andere geben wollten, wenn sie ihm gefiele. Kurfürst Johann Friedrich wiederum war nicht für die Heirat, weil damit Hessen ein größeres Gewicht im Schmalkaldischen Bund bekam.

      Moritz war mit all diesen Plänen anderer über ihn immer noch die geschobene Figur im politischen Schachspiel. Herzog Georg suchte durch Moritz den altgläubigen Bestand der Kirche im albertinischen Sachsen zu sichern. Georg von Karlowitz und der Adel wollten sich ihre Mitregierung im Herzogtum sichern, Elisabeth von Rochlitz suchte mit der Vermittlung einer Ehe von Moritz mit der hessischen Nichte zu verhindern, dass dieser zur Ehe mit einer Tochter König Ferdinands bewegt würde. Sie wollte außerdem einer Idee Herzog Georgs begegnen, die Nachfolge vielleicht dem Schwiegersohn Landgraf Philipp anzubieten.

      Schließlich wollte Elisabeth persönlich durch einen Besuch in Dresden unmittelbar nach Weihnachten 1539 gegen den Widerstand der Herzogin Katharina zur Ehe vermitteln. Als diese das erfuhr, zog sie mit ihrem gesamten weiblichen Hofstaat zwei Meilen vor die Stadt auf ein Dorf. Moritz ließ sich zwingen, die Mutter zu begleiten, weil diese sonst ein Vierteljahr oder länger mit ihm kein Wort mehr geredet hätte.33

      Elisabeth wollte sofort wieder kehrtmachen, weil dieses Verhalten für beide Fürstinnen beschämend wäre. Aber Hans von Heinitz, ein herzoglicher Rat, vermittelte. So bat Herzog Heinrich Elisabeth, für eine Unterredung am nächsten Morgen zu bleiben. Er konnte sie aber nur in einem für fürstlichen Besuch ungeeigneten, sehr engen Zimmer unterbringen. Elisabeth schreibt dazu ihrem Bruder: Ich hort auch sagen, dey hertzgen solt yern soun darumb vor mir geflogett haben, das sey sorge het, ich oberret yn zu etwas meins leybgutz halben, auch der heurezt halben; zum andern das ich ein hemlichen koundragk mit ym mach, des erbest halben, das er solt keyn egeld fortter von Dir zu den 20000 Gulden, dey sey Dir geben. Es soll gewist sein; hatt auch gesaget, ich hetz yn auf sey.34 Elisabeth hatte besonders Moritz treffen wollen. Er entschuldigte sich danach bei Elisabeth. Sie sollte auf ihn nicht zornig sein, es wäre alles ohne seine Schuld geschehen. Er hätte es tun müssen.35

      Die Ablösung von der Mutter und dem unter ihrer Lenkung stehenden Vater wurde ein schwieriger Prozess, in dem Moritz ab 1540 aber eigenständig handelte. Er erreichte im Februar vom Vater, als dieser allein ohne Katharina nach Freiberg ritt, die Genehmigung, um Pfingsten nach Hessen zu reisen. Heinrich stand auf der Seite von Moritz. Schon nach der Sommerreise 1539 hatte er Moritz bezüglich Agnes gefragt: Kriegen wir sie, oder kriegen wir sie nicht?36

      Philipp von Hessen suchte ab 1539 in sein eigenes Verhalten Ordnung zu bringen. Als bewusster Christ vermochte er seine sexuelle Freizügigkeit nicht mehr mit der evangelischen Ethik zu vereinbaren. Er hielt sich deshalb zeitweise für unwürdig, am Abendmahl der Gemeinde teilzunehmen. Dazu war er für die siebzehnjährige Margarete von der Sale, eine Hofdame seiner Schwester Elisabeth, entflammt, deren Mutter jedoch eine Ehe, nicht nur ein Konkubinat ihrer Tochter mit dem Landgrafen forderte. Dieser kam auf den Gedanken, eine geheime Nebenehe mit der jungen Dame zu führen, da das nach dem Alten Testament möglich sei. Nach großem Druck vonseiten Philipps gaben Luther und auch Melanchthon mit sehr schwerem Herzen am 10. Dezember 1539 den geheimen Beichtrat, der Landgraf könne eine solche Nebenehe führen. Aber diese Geheimehe, die nach außen als fürstliches Konkubinat gelten sollte, kam ins geheime Gerede. Bigamie stand im deutschen Recht unter Todesstrafe.

      Als dann das Gerücht der Doppelehe durchdrang, meinte Katharina, sie könne nun die Zahlungen aus der Erbschaft gänzlich sparen, weil Landgraf Philipp als Bigamist gegen das Reichsrecht gehandelt habe und deshalb die Summe nicht mehr vor dem Reichskammergericht einklagen könne. Statt der Werbung um Agnes wollte sie von Moritz, dass er exakte Kunde über die Doppelehe aus Hessen zurückbrächte.

      Moritz aber wurde von Philipp ganz offen persönlich unterrichtet. Darauf brachte er seine Werbung um Agnes vor. Die Eltern gestatteten beiden eine ganz persönliche Unterredung. Nur von fern sahen sie ihnen zu.37 Als die jungen Leute miteinander einig waren, wurde die Ehe nunmehr von den Eltern und Moritz fest zugesagt.

      Nach seiner Rückkehr musste Moritz den Tatbestand der zweiten Ehe des Landgrafen zugeben. Er hatte in Hessen der Nebenfrau Margarete von der Sale einen offiziellen Besuch gemacht und Philipp versprochen, sich um die Sicherheit von deren Mutter zu bemühen. Moritz’ Eltern holten aber die Mutter zwangsweise zu einem Verhör nach Dresden. Katharina verbreitete dann die Tatsachen über Philipps Moral an deutschen Fürstenhöfen.

      Schrittweise bekannte Moritz den Eltern seine feste Ehezusage an Agnes. Katharina lehnte die Ehe völlig ab. Heinrich meinte, man könne unter diesen Umständen keine nähere Verwandtschaft eingehen. Moritz, der sich seiner Neigung sicher war, schrieb zwischen allen Stühlen, es weis got, das ich es gerne auff allen seitten gut sege (sehe).38 Moritz war sich aber sicher, er wosste um der 10000 gulden (weder) E. F. Gn. (Landgraf Philipp) noch das freulein (Agnes) zu verlassen.39

      Katharina, dieweil I. F. Gn. Alles unter handen hatte, wollte nicht, dass Moritz als Vertreter seines Vaters zum Reichstag zog. Moritz durfte auch nicht den Kurfürsten Johann Friedrich aufsuchen. Er musste den väterlichen Hof nach Schlesien begleiten. Philipp drängte auf Erbschaft und Vollzug der Ehe. Katharina und die ihr ergebenen Hofräte unter Anton von Schönberg suchten vor dem nahen Beginn von Moritz’ Herrschaft ihre Position zu verbessern.

      Auf Anfrage riet Kurfürst Johann Friedrich, Moritz solle einer umfänglichen Erhöhung des Wittums für Katharina um 3000 Gulden und einer Teilung des albertinischen Staates zwischen ihm und seinem Bruder August durch ein Testament des kranken Vaters nicht zustimmen.40

      Moritz drängte über Wochen hin auf Erlaubnis zur Reise nach Hessen. Schließlich erklärte er dem Vater, dieser habe immer gesagt, er solle eine nehmen, die ihm gefiele. Ihm gefalle nun des Landgrafen Tochter. Im Juli hatte Moritz das „lebliche“ (muntere) Frauenzimmer grüßen lassen.41 Er habe in seinem Herzen beschlossen, sie und keine andere zu haben. Darauf meinte Heinrich schließlich, dann sei er auch damit zufrieden. Danach bat Moritz durch den obersten Rat Katharinas, Anton von Schönberg, seinen Vater um Urlaub nach Hessen. Heinrich stimmte zu, doch solle Moritz erst Weihnachten und die Taufe des Sohnes seiner Schwester in Dresden abwarten, bevor er abreise.

      Mutter Katharina aber war mit der Haltung des Sohnes nicht zufrieden. Sie hatte Moritz schon im Sommer vorgeworfen, dass er nicht gern bei den Eltern sei. Ja, er wolle sich wohl zu einem Absalom machen lassen, dem Sohn, der seinen Vater König David verriet. Sie lehnte die Abreise ab. Aus der Zusage des Vaters wurde wieder ein schweigendes Abwarten. Wahrscheinlich war für Katharina auch schwierig, dass der erstgeborene Sohn, der Ende 1532 als noch Elfjähriger Freiberg verlassen hatte, 1539 als fast erwachsener junger Mann zurückkam, der sich nicht mehr allein vom Wort der Mutter lenken lassen wollte. In der Zwischenzeit hatte sie ihn immer nur vorübergehend auf Besuch gesehen.

      Moritz zerschnitt schließlich den Knoten. Er schrieb dem Vater, es hinge für ihn auch Ansehen und Leumund als sächsischer Fürst daran, dass er reite und sein Eheversprechen einlöse.42 Er reiste von Dresden nach Mügeln, das zum Reichsterritorium des Bischofs von Meißen gehörte. Dort fühlte er sich wohl etwas