Wahrscheinlich wollte Herzog Georg Moritz auch vor dem stetig wachsenden evangelischen Einfluss in Freiberg etwas sichern. Herzogin Katharina verheiratete 1533 ihre älteste Tochter Emilie mit dem bewusst evangelischen Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach, einem der Erstunterzeichner des evangelischen Augsburger Bekenntnisses von 1530. Geschah das im erklärten Gegensatz zur „katholischen“ Erziehung von Moritz in Halle?
Da eine Universität erst entstehen sollte, konnte Moritz in Halle noch nicht studieren. In dieser Zeit bemühte sich der Kardinal Albrecht um die Gründung einer altgläubigen Universität in Halle, die neben dem Dom Platz finden sollte. Eine Genehmigung des Papstes lag schon vor. Der Aufenthalt an einer Universität hätte die Lateinkenntnisse einer Stadtschule vorausgesetzt, die Moritz noch nicht besaß. Herzog Georg hat auf eine Unterrichtung in der Gelehrtensprache Latein gedrängt. Er wollte mit dem Latein, um das sich Schleinitz wohl nicht gekümmert hat, eine höhere Ausbildungsstufe für Moritz erreichen, als durch Katharina bisher verordnet war. Sie meinte vielleicht, was solle der Sohn mehr können als die Mutter. Georg gab aber Moritz den humanistisch gebildeten Christoph von Karlowitz als Reisebegleiter. Karlowitz gewann am erzbischöflichen Hof soviel Anerkennung, dass er im Juli in den Dienst des Erzbischofs treten konnte. Er begleitete zwar Moritz Anfang Januar 1534 zurück nach Dresden, ging dann aber wieder nach Halle, um im Dienst des Kardinals zu bleiben. Moritz rief Christoph von Karlowitz erst nach seinem Regierungsantritt 1541 aus Halle nach Dresden unter seine Räte.
Herzog Georg der Bärtige ließ Moritz auch von Freiberg nach Halle bringen, weil der Hof in Freiberg immer deutlicher dem neuen Glauben zugetan war. Georg jedoch hielt im albertinischen Sachsen am alten Glauben fest und wollte ihn im Freiberger Ländchen wenigstens durch einen altgläubig erzogenen Moritz stützen. Kardinal Albrecht forderte entsprechend, dass in der Begleitung des jungen Herzogs Moritz keine Person der lutterey anhängig sein dürfe.13 Also wird das der junge Karlowitz auch nicht gewesen sein. Zu gleicher Zeit wurde von Herzog Georg der zweite Freiberger Sohn, Severin, an den Hof König Ferdinands nach Wien gegeben. Er ist aber in Innsbruck schon im Oktober des Jahres 1533 verstorben.
Halle mit Burg, Dom und Marktkirche, Kupferstich (Ausschnitt) aus „Beschreibung und Contrafactur von den vornembsten Stetten der Welt“, Köln 1576
Der evangelische Glaube war in den Ländern des ernestinischen Kurfürstentums Sachsen von gut 80 Prozent der Gemeinden anfangs selbstständig angenommen und seit 1526 durch Kurfürst Johann den Beständigen in den Visitationen zum neuen Kirchenwesen geordnet worden. Georg suchte die Ausbreitung der neuen, evangelischen Gedanken soweit ihm möglich zu verhindern. Deshalb schickte er seine Neffen nach Halle und Wien.
Moritz wird sich gefreut haben, in der Hallenser Burg zu wohnen, die mit ihm den gleichen Namenspatron hatte. Kardinal Albrecht ließ ab 1533 ihre Befestigungsanlagen verbessern. Die Burg war erst vom Vorgänger des Kardinals neu errichtet worden und bezeugte die Macht des Erzbischofs über seine Residenzstadt Halle.
Der heutige Dom war als zweite Bischofskirche im Erzstift Magdeburg seit 1520 glanzvoll erneuert und ausgestattet worden. Seine Reliquiensammlung stand in Konkurrenz zur innig gepflegten Sammlung Kurfürst Friedrichs des Weisen in der Wittenberger Schlosskirche. 1533 wurde auch das hohe Dach auf die neu errichteten Umfassungsmauern der Marienkirche am Markt gesetzt. Diese Mauern verbanden die Turmpaare von zwei Vorgängerkirchen. Albrecht hatte den Neubau von der Stadt erzwungen. In diesem Jahr 1533 war auch die Moritzkirche der Augustiner-Chorherren im Innern noch im Bau.
Das alles musste der junge Freiberger Fürstensohn ebenso wie die aufwendige Hofhaltung des Kardinals begreifen und bewundern. Er kannte solch vielfältigen Glanz bisher nicht. Seine bestimmende Mutter Katharina musste und wollte in Freiberg sparen. Das immer wieder erneuerte und umgebaute Freiberger Schloss stammte zum Teil noch aus der Zeit der Romanik des 13. Jahrhunderts, obwohl Herzog Heinrich anfing, es „Freudenstein“ zu nennen. 1549 war über den Gemächern Katharinas eine größere Dachreparatur fällig.14 Erst Moritz selbst hat 1553, kurz vor seinem Tod, dort einen großzügigen Neubau begonnen.
Moritz schrieb im Januar 1533 einen Dankesbrief für seine Übersiedlung nach Halle an Herzog Georg, den er mit der üblichen Kinderrede beginnt, er habe eigentlich nichts zu schreiben. Danach lenkte wohl ein Erzieher die Worte15, da er es nicht durch Werke könne, wolle er seine Dankbarkeit durch die Worte des Briefes zeigen … usw. Wegen einer sich länger hinziehenden Krankheit holte Georg Moritz zu sich nach Dresden. Da in der Ehe seines Sohnes Johann mit Elisabeth von Hessen, der Schwester des Landgrafen Philipp, die Hoffnung auf Kinder immer mehr schwand, wollte sich Georg vielleicht in Moritz einen Nachfolger heranziehen in Erinnerung an sein eigenes frühes Hineinwachsen in die Landesverwaltung.
Bei Herzog Georg, dem frommen Verwalter
Christoph von Karlowitz brachte nach nur einem Jahr den Knaben Moritz wieder zurück. Moritz konnte auch danach in Dresden am Hof Herzog Georgs seine Krankheit nicht gleich überwinden. Herzogin Elisabeth schreibt es als Informantin der Schmalkaldener an Kurfürst Johann Friedrich nach Torgau. Von der Art seiner Erkrankung erfahren wir nichts.
Dresden war für Georg das Verwaltungszentrum der albertinischen Lande. An der Gestaltung des neuen Georgentores am Schloss zeigte er, dass sich sein Leben zwischen dem Leben durch Christus und dem Tod und der Vergänglichkeit der Welt spannte. Die Außenseite des Torbaues stellte den Tod vor die Augen, die Innenseite das neue Leben in Christus.
Georg wollte der getreue Verwalter seiner Lande sein. Er ist am besten als Mensch zu verstehen, der im Tiefsten der Ordnung verpflichtet ist. Er wollte in der Ordnung des „Corpus christianum“, der christlichen Einheit des Mittelalters, leben. Diese geordnete Einheit sah er durch die Schäden der Papstkirche und die Stürme der lutherischen Reformationsbewegung gefährdet. Er wollte Reformen in Kirche und Land, aber keine Unruhe durch die Glaubenserhebung des einzelnen Mönches Luther gegen den Papst, den Herrn der allgemeinen Kirche. Georg wollte keinen Aufruhr der Bauern, Ritter oder Fürsten gegen die Ordnung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
In seiner Kindheit war Georg von seiner Mutter zum Geistlichen bestimmt worden. Sie wollte dadurch den „Ketzertod“ ihres Vaters, des Böhmenkönigs Georg von Podiebrad, wieder gutmachen. Georg wurde aber vom Vater Albrecht zu seinem Stellvertreter in der Staatsleitung bestimmt. Er hatte dadurch die Mühen der Staatslenkung von Jugend an erfahren und beherrschte diese Dinge auf das Beste. Georg wollte als Fürst in beständiger christlicher Ordnung leben und handeln.
Georg war darin sehr erfolgreich. Auf seine 50 Jahre als Regent in Sachsen geht das durchgegliederte dreistufige Verwaltungssystem in Sachsen zurück. Der Hofrat mit wenigen immer am Hof anwesenden Räten lenkte unter dem Fürsten die Geschäfte. Darunter standen die Kreise, die wiederum die Ämter anleiteten. Der Adel war zum Teil dem Amt direkt unterstellt. Höherer Adel dagegen war als „schriftsässiger“ Adel mit seinem Lehensbrief dem Fürsten direkt zugeordnet. Bald hatte jedes Amt neben dem Amtmann einen Schösser, der für Steuern und Finanzen zuständig war. Moritz hat dann dieses Verwaltungssystem in seiner Kanzleiordnung 1547 vollendet.
Georg suchte in Einklang mit den Ständen, d. h. dem Adel und den Städten, zu regieren, die er fast immer jährlich zum Landtag zusammenrief. Die mannigfaltigen Fragen des neuen Bergbaus wurden durch die Bergordnungen geregelt. Schneeberg, Annaberg und Marienberg waren die großen Bergstädte, die zu Lebzeiten Georgs entstanden. Das Silber wurde nicht verkauft oder zu Schmuck oder anderem verarbeitet, sondern fast immer zu Münzen geschlagen. Durch ihren sicheren Silbergehalt wurden die Taler zur bestimmenden zuverlässigen Münze im Reich neben dem goldenen Gulden. Der heutige Dollar in vielen Ländern hat vom Taler seinen Namen.
Ein humanistischer Grundton bestand in Dresden wie in Halle, wenn auch der Hofprediger Cochläus kein Erasmianer war. Georg war viel eifriger als Kardinal Albrecht bemüht, die altgläubige Kirche zu reformieren, um sie dadurch zu sichern. Er suchte auch für die altgläubige Kirche politische Sicherungen zu bauen. Doch der schließlich 1538 erreichte Nürnberger Bund mit den Herzögen von Bayern und Braunschweig gewann keine Kraft. Georg ließ die Klöster durch seine Räte visitieren, um sie zu erhalten.