gewesen, der es verstand, seine Verhandlungspartner zu gewinnen. Die größte Wirkung hat sein persönliches Verhandeln gehabt, wenn er Kompromisse suchte. Anderthalb Jahr später schrieb Moritz dem Landgrafen Philipp: Das weiß Gott, dass ich es gern auf allen Seiten gut sehe. In Eisenach und Frankfurt hatte er Gelegenheit, die Bräuche von Ausgleichs- und Vertragsverhandlungen von außen kennen zu lernen. Wo eine Vielzahl von Fürsten beteiligt war, gab es Regeln, die sich in den letzten Jahrzehnten eingebürgert hatten. Man sprach über Vertragstexte, die vorher konzipiert waren und in den Verhandlungen durch mündliche Voten verändert wurden, die meist auch noch schriftlich übergeben wurden. Es ist nicht anzunehmen, dass Moritz, der sich als künftiger regierender Fürst wusste – mit 16 Jahren galt man in dieser Zeit als regierungsfähig –, kein Interesse für den Ablauf der Geschehnisse gehabt hat.
Moritz wird Luther nur selten persönlich begegnet sein. Nach dem Tode des Kurfürsten Johann 1532, des Vaters von Johann Friedrich, war die ernestinische Familie und damit auch die ernestinische Politik aus der direkten Nachbarschaft Luthers und der Reformatoren in Wittenberg nach Torgau und Weimar umgezogen. Luther war außerdem in den Jahren, die Moritz in Torgau verbrachte, durch die Vertretung des Wittenberger Stadtpfarrers Johann Bugenhagen sehr belastet und in Wittenberg gebunden. Bugenhagen ordnete gerade die Einführung der Reformation im Königreich Dänemark. Luther erzählte später von Pfingsten 1539, dem Beginn der offiziellen Reformation im albertinischen Sachsen, von der Rückfahrt aus Leipzig nach Grimma nichts von Moritz, der mitreiste, sondern vom vertrauten Gespräch mit Herzog Heinrich im Kloster Eicha. Er hörte sich die Klagen Heinrichs über die langen Mühen mit seinem großen Bruder Georg an. Heinrich beklagte damit, ohne seine Frau zu nennen, die Fremdbestimmung seines Lebens. Wie würde der in Eicha abseits stehende Moritz einen eigenen Lebensweg finden?
Die hessische Hochzeit: Moritz und Agnes
Herzog Georg ging 1538 für die Erhaltung des bisherigen Glaubens in Sachsen auf Brautschau für seinen behinderten Sohn Friedrich, das weiß Elisabeth von Rochlitz schon im Mai 1538 zu berichten.18 Georg hat dann Friedrich in der Hoffnung auf Enkel noch im Januar 1539 mit Gräfin Elisabeth von Mansfeld vermählt. Gegen diese Pläne stellte Elisabeth von Rochlitz im Herbst 153819 ein anderes Paar. Moritz sollte Agnes, die Tochter des Landgrafen Philipp, heiraten. Philipp von Hessen würde diesem Plan nicht hart widerstehen können, er war mit einer Tochter Georgs des Bärtigen verheiratet und gehörte zur Verwandtschaft. Schon längere Zeit hatte Elisabeth das für ihren Schützling Moritz erstrebt. Wollte sie ihn in den hessischen Einfluss führen?
Obwohl mit Herzog Georg, Herzogin Elisabeth, Georg von Karlowitz und Landgraf Philipp die einflussreicheren Personen handeln, sind Moritz und seine Mutter Katharina die bestimmenden Figuren auf dem mühseligen Weg zu seiner Hochzeit in Hessen. Zwischen beiden geht es im Grunde nicht um ein Recht der Eltern, den Partner des Kindes zu bestimmen, sondern auf der Seite von Moritz um die Freiheit aus der persönlichen und politischen Vormundschaft der Mutter und auf Katharinas Seite um ihre politische Macht im albertinischen Sachsen, das sie durch ihren müden, alten und vielleicht schon vergesslichen Mann lenken konnte.
Gleichzeitig bestanden in Dresden Pläne, Moritz wieder an den Hof zu bringen und ihm dann einen Aufenthalt am königlichen Hof mit hohem Unterhalt schmackhaft zu machen.20 Die Hochzeit mit einer der Töchter des Königs wurde überlegt. Elisabeth berichtet auch, dass Kaiser und König nicht zu einer Ehe des behinderten Herzogs Friedrich, wie Herzog Georg plante, sondern zur Ehe des Herzogs Moritz rieten. Durch eine Ehe ohne Vollzug könnte Moritz eine Tochter des Königs Ferdinand heiraten. Böhmen würde 50000 Gulden stiften und die noch kleine Tochter des Königs zur Erziehung nach Sachsen geben.
Elisabeth meinte, es wäre das für Johann Friedrich und die Evangelischen nicht gut, dass Herzog Moritz dorthin gezogen würde.21 Sie wollte mit ihrer Hochzeitsvermittlung im Sinne Gottes handeln. Denn sie war sich sicher, dass Herzog Heinrich und seine Söhne bewusst evangelisch waren. Im Herbst 1539 lehnte Herzog Heinrich auch eine königliche Heirat endgültig aus Glaubensgründen ab.
Als Herzog Georgs letzter Sohn einen Monat nach seiner Hochzeit Ende Februar starb, machte Georg von Karlowitz einen Versuch, Moritz nach Dresden zu locken. Er sicherte ihm zu, dass er in seiner persönlichen religiösen Haltung keinesfalls beeinflusst werden solle. Damit setzte er bei Moritz eine evangelische Grundhaltung voraus.22 Man hatte am Hof in Dresden Moritz als direkten Nachfolger von Herzog Georg in Erwägung gezogen, um die bestehende, altgläubige Ordnung zu sichern und das künftige Mitregieren der Landschaft doch zu erreichen. Moritz sollte Elisabeth von Mansfeld, die Witwe des gerade Verstorbenen heiraten.
Auf jeden Fall sollte Moritz wieder seinen Wohnsitz bei Georg in Dresden nehmen. Bei seinem Glauben sollte er bleiben können, aber öffentlich mit Georg die Messe besuchen. Wollte man damit ein Verfahren wieder aufleben lassen, das wohl schon beim ersten Dresdener Aufenthalt 1534 bis 1537 in Brauch war? Man wollte, dass sich Moritz der altgläubigen Ordnung in Dresden einfügte und für seine Umwelt seine evangelische Haltung verlor. Karlowitz versuchte ihn, wie schon gesagt, im März 1539 nach Dresden zu bringen, um ihn zum direkten Nachfolger Georgs zu machen. Auch die Herrschaft Katharinas mit Hilfe von Herzog Heinrich wollte Karlowitz damit vermeiden. Er war einem politischen Handeln in Gegensätzen abhold. In Religionsdingen suchte er noch Anfang 1539 in Leipzig mit einem Religionsgespräch einen Ausgleich zwischen den altgläubigen und den evangelischen Christen.
Herzogin Katharina focht heftig gegen die Pläne Herzog Georgs,23 Moritz zu seinem direkten Nachfolger zu machen. Sie wäre damit von jedem persönlichen Einfluss ausgeschlossen worden. Moritz verwies für die Antwort auf das Angebot von Karlowitz an Kurfürst Johann Friedrich und seinen Vater, von denen er abhängig wäre.24
Für Moritz war der Weg zum Ehebett mit Agnes von Hessen kompliziert. Anfangs waren seine Eltern schon zur Fastnacht 1539 in Freiberg mit dem Abschluss einer Ehe in einiger Zeit einverstanden. Elisabeth von Rochlitz erreichte von ihnen die Zusage, Moritz eine Tochter des Landgrafen Philipp zu geben, wenn diese ihm gefalle. Darauf schrieb Herzogin Elisabeth an Moritz nach Frankfurt, er solle auf dem Rückweg Agnes von Hessen besehen. Gefiele sie, wollte Elisabeth sich weiter bemühen.25 Sie wiederholte damit auch das eigene Schicksal, denn sie hatte als vierzehnjährige Hessin Johann, den achtzehnjährigen Sohn Herzog Georgs, geheiratet.26 Moritz meinte dazu, wenn es zur Heirat führe, wollte er an Elisabeth denken. Und fügte an, was Gott für ihn zu Heil und Wohlfahrt habe und worum er den Allmächtigen bitten wolle, das würde wohl geschehen.27 Leben, Ehe und Gebet gehörten von Anfang an bei Moritz zusammen. Das war später auch in den eigenhändigen Briefen an seine Frau so.
Ob Moritz schon auf dem Heimweg Agnes in Marburg oder Kassel „besehen“ hat, ist nicht festzustellen. Sicher kam Katharina mit ihm im August 1539 nach Hessen, um Näheres zur Ehe zwischen Moritz und Agnes zu klären. Herzogin Elisabeth war zu dieser Zeit ebenfalls in Kassel.28 Zugleich sollte der Erbteil der Landgräfin Christine am Barvermögen ihres Vaters, Herzog Georg, mit der Aussteuer von Agnes verrechnet werden. Die Eheabsprachen erfolgten damals immer zwischen den Eltern, mit zwölf und siebzehn Jahren mussten die jungen Leute nicht gefragt werden. Moritz’ eigenes Handeln bestand darin, dass er sich Agnes 1539 gefallen ließ.
Agnes war aber schon länger mit Erich II., dem Erben von Braunschweig-Kahlenberg, versprochen. Diese Verlobung hat Landgraf Philipp vor der Ankunft Katharinas mit Moritz rückgängig gemacht. Er hat dafür den Kahlenbergern seine Tochter Anna angeboten. An deren Stelle hat sich Moritz’ Schwester Sidonie zu Erich in eine, allerdings bald unglückliche Ehe gedrängt. Obwohl sie zehn Jahre älter war als Erich II., zog sie den Sechzehnjährigen im Marburger Schloss in ihre Arme.29
Das albertinische Sachsen bedeutete für den hessischen Landgrafen und seine Tochter wesentlich mehr als Braunschweig-Kahlenberg. Die miteinander vermittelten Brautleute fanden Gefallen und Freude aneinander, die Bestand hatten. Moritz hatte sich für diese seine erste persönliche Begegnung viel vorgenommen, nur, wenn er von Agnes freundlich und nicht mit Tränen empfangen würde, wollte er die Sache weiter verfolgen. Er fand ein lächelndes Fräulein vor. Nach einem Brief Elisabeths von Rochlitz hat Moritz bei dem Aufenthalt im Sommer Philipp von Hessen die Hochzeit mit Agnes zugesagt.30 Moritz erzählt selbst, dass er in Melsungen an der Fulda die Zusage gab.31