eine Art Mafia-Capo in einer der kurios anmutenden fiktiven Sequenzen. Allerdings hatte er da keinen Text. Die Backstage-Szene, in der wir die rollende Kadenz von Grants Südlondoner Akzent und seine Kanonade von unflätigen Profanitäten zu hören bekommen, bleibt uns noch lange nach Ende der Filmvorführung im Gedächtnis.
Led Zeppelin sind die Stars von The Song Remains the Same. Doch ihr Manager übernimmt den Part des unbesungenen Helden.
Peter Grant wirkte irgendwie immer schon, als wäre er von einem Filmdreh abgehauen und hätte beschlossen, auch weiterhin in seiner Rolle zu bleiben. Damals wussten wir noch nicht, dass er in seinem früheren Leben tatsächlich auch Schauspieler gewesen war. Die unbändigen Haare, der zerzauste Bart, die alten Ringe und die Seidenschals gehörten zu seinem Kostüm.
Grant entstammte der Vorkriegsepoche, einer Welt des Varieté-Theaters und der Grammophon-Schallplatten, lange bevor es Fernsehen und Rock’n’Roll gab. Er war eine Generation älter als Led Zeppelin.
Das Londoner West End war in den späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren Peter Grants vornehmliche Wirkungsstätte gewesen. 1982 war vieles noch wie eh und je. Von jenem Soho, wie man es im 21. Jahrhundert kennt, mit seiner Al-Fresco-Gastronomie und kosmopolitisch angehauchten Barkultur, wagte damals noch kein Bauherr zu träumen.
Im Anschluss an den Film verlassen wir das Kino und begeben uns ins nächste Pub. Wenn man in den frühen Achtzigerjahren eine beliebige Gasse entlang schlenderte, war man umgeben von einem Gewirr aus Peep Shows, Nepplokalen und Geschäften, die die Boulevardpresse als „Schmuddelbücherläden“ bezeichnete. Zu Grants Zeiten war das alles nicht viel anders gewesen. In weniger als fünf Minuten gelangt man vom Kino zur Old Compton Street. Genau hier kontrollierte der 21-jährige Peter Grant die Eintrittskarten im Café 2iʼs, während britische Möchtegern-Rock’n’Roller im Keller auf einer Bühne auftraten, die aus Milchkästen zusammengebaut war.
Noch näher, in der Wardour Street, lag einst das Flamingo, jener die ganze Nacht geöffnete Jazz- und Blues-Club, in dem Grant in den Tagen von Georgie Fame and the Blue Flames den Eingangsbereich bewachte. Vom Flamingo aus konnte man in weniger als zehn Minuten zum einstigen Murrayʼs Cabaret Club in der Beak Street gelangen. In den späten Fünfzigerjahren nippten dort Mitglieder der königlichen Familie und Gangster aus dem East End Seite an Seite ihren Champagner, während Grant mit seiner Concierge-Kappe und Uniform am Eintritt stand und Taxis für Ganoven und ihre Showgirl-Gespielinnen orderte.
In den frühen Sechzigerjahren, als er für Sharon Osbournes Vater, den Konzertveranstalter Don Arden, arbeitete, war Grant oft in den Büros der Musikverleger in der nahen Denmark Street und Konzert-Locations wie dem originalen Marquee und dem 100 Club zu Gast. Als die amerikanischen Rock’nʼRoll-Pioniere Gene Vincent und Chuck Berry zum ersten Mal nach Großbritannien kamen, war Grant zur Stelle, um sie von Gig zu Gig zu chauffieren und ihre Gagen einzutreiben.
Später, als heimische britische Pop-Acts wie die Animals und die Yardbirds den Kinderschuhen entwuchsen, war auch Grant wieder mit von der Partie, um aufsässigen Clubbesitzern, die sie um ihr Geld bringen wollten, eine Lektion zu erteilen.
Wie ein riesiger, schnauzbärtiger Zelig war Peter Grant immer irgendwo mit dabei, als sich dieses marode und windige Unterfangen schrittweise zu dem entwickelte, was wir heute als das moderne Musikbusiness kennen.
Zehn Jahre, nachdem ich zum ersten Mal The Song Remains the Same in einem Porno-Lichtspieltheater im West End gesehen hatte, hielt ich mich gerade im Marquee auf, als sich herumsprach, Led Zeppelins sagenumwobener Ex-Manager befände sich im Gebäude. Alle Augen wandten sich schlagartig von der Bühne ab und fixierten stattdessen den großgewachsenen bärtigen Gentleman, der in der Nähe der Band stand. Grants Aufmachung hatte sich verändert: Die Schals und Ringe waren von einem unauffälligen Anzug abgelöst worden. Auch wirkte er viel schmächtiger als noch im Film.
Inzwischen war es mir geglückt, ein paar Musikzeitschriften der unteren Kategorie davon zu überzeugen, mich als Autor zu verpflichten. Sie versorgten mich großzügig mit Konzertkarten und kostenlosen Schallplatten, seltener jedoch mit Gehaltsschecks. Nach der Show wurde mir Einlass in den Green Room des Marquee Clubs gewährt und Grant mir vorgestellt. Völlig aus dem Nichts heraus fragte er mich nach meiner Meinung zur Band, die wir gerade gesehen hatten.
Gab es darauf etwa eine richtige oder falsche Antwort, wunderte ich mich. Ich sagte, dass ich mir nicht ganz sicher wäre. Er meinte, dass es ihm ebenso ginge, der Gitarrist ihm aber imponiert hätte. Ich fragte mich, wie es wäre, Nachwuchs-Gitarristen zu beurteilen, wenn der Gradmesser Jimmy Page hieß. Grant klang genauso wie in The Song Remains the Same, nur ohne die Schimpfwörter.
Er hatte Led Zeppelin und den Madison Square Garten weit hinter sich gelassen, doch manche Dinge hatten sich nicht verändert. Er befand sich in Begleitung eines Bodyguards, der rhythmisch auf seinem Kaugummi herumkaute und seine Augen langsam von rechts nach links und wieder zurück schweifen ließ, so als würde er eine besonders langsame Partie Tennis verfolgen.
Niemand hatte vor, Grant auf die Pelle zu rücken, doch schon bald fiel mir auf, dass jeder in seiner Nähe den Hals reckte, um einen Blick auf ihn zu erhaschen.
In der nächsten Stunde unterhielt Grant unsere kleine Abordnung mit mehreren ausgewählten Anekdoten. Er hatte sein Leben in Tourbussen und Flugzeugen verbracht, war ein versierter Geschichtenerzähler und schilderte nun, wie ein betrunkener Gene Vincent einst versucht hatte, ihn mit seinem eigenen Wagen zu überfahren, und wie er bei seiner ersten Zusammenkunft mit Robert Plant von diesem um Rat für sein kompliziertes Liebesleben gefragt wurde. „Er erzählte mir, dass er in zwei Schwestern verliebt wäre“, enthüllte Grant mit einem verschwörerischen Grinsen im Gesicht.
Ein paar Monate später lief mir Grant bei einer Preisverleihungszeremonie erneut über den Weg. Eine Reihe alter Geschäftsbekanntschaften, Musiker und anderer Jünger umschwärmten ihn mit erwartungsfrohen Mienen. Immer wieder hörte man lose Versatzstücke der Unterhaltungen: „Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnern kannst, Peter. Ich war mit Bad Company 1976 mit auf Tour.“ Und so ging das dahin.
Jeder im Raum kannte Grants Ruf. Wir hatten alle die Geschichten von brutalen Auseinandersetzungen und verbalen Einschüchterungsversuchen gehört. Die Gesichter ein paar älterer Musikkritiker verfinsterten sich immer noch, wenn sein Name fiel. 1992 hieß es jedoch, er hätte sich geändert und wäre auf seine alten Tage etwas weicher geworden. Aber stimmte das auch wirklich?
Jahre später erzählte mir Peters Sohn Warren von einer Episode bei einem Wohltätigkeitsessen. Als sie im Aufbruch begriffen waren, eilte jemand zu seinem Vater, um diesen rasch zu begrüßen. Peter reagierte darauf mit einer wüsten Schimpftirade. Sein Opfer lauschte wie versteinert. Erst später, als Peter und Warren draußen auf ein Taxi warteten, wurde Grant bewusst, dass er den armen Kerl mit einem Anderen verwechselt hatte.
Diese Geschichte bringt Grants Reputation gut auf den Punkt. Nichts an ihm war so, wie es schien. Er war ein Meister darin, den Mythos, den Tratsch und die Gerüchte verbreiten zu lassen – und den „echten“ Peter Grant geheimzuhalten.
Dieser bahnbrechende Manager revolutionierte das Geschäft und trug seinen Teil dazu bei, die moderne Musikindustrie zu dem zu formen, was sie heute ist.
Zum Zeitpunkt seines Todes 1995 steckte ein Film über sein Leben bereits seit über fünf Jahren in der Entwicklungsphase fest. Er sollte letzten Endes nie gedreht werden. Und wenn er gemacht worden wäre, dann hätte ihn ohnehin jeder für unrealistisch gehalten.
Peter Grants Geschichte begann für mich im Jahr 1982 in einem Kino in Soho. Über dreißig Jahre später entpuppte sie sich zugleich als Freudenfest und als abschreckendes Beispiel – und vor allem als faszinierendes menschliches Drama. Denn das Leben schreibt immer noch die besten Geschichten.
Peter Grant war ein gewöhnlicher Mann, der ein ganz außergewöhnliches Leben lebte. Außerdem war er ein Mann mit Geheimnissen. Viele davon nahm er mit ins Grab. Ein Umschlag, der Papiere hinsichtlich seiner rätselhaften Abstammung enthielt, wurde quasi als Grabbeigabe mit ihm bestattet.