im amerikanischen Geschäft kannten Jimmy“, erzählte Grant.
Im Frühling 1968 sah Page mit seinen Rüschenhemden und seiner Dandy-Frisur bereits aus wie ein Siebzigerjahre-Rockstar in Lauerstellung. Die restlichen Yardbirds hinkten da bereits hinterher. Als die Gruppe zu ihrer nächsten US-Tour aufbrach, fiel sie bereits auseinander.
Richard Cole hatte zuvor die New Vaudeville Band als Tourmanager betreut, doch als er nun von Grant angeheuert wurde, um sich um die Yardbirds zu kümmern, war er schockiert von dem, was er vorfand. „Jimmy hatte das Kommando über eine offenbar auf hoher See havarierte Band übernommen“, sagte er.
Als die Band in Los Angeles eintraf, suchten Cole und Page in ihrem Hotel am Sunset Strip eine Handleserin auf. Die Wahrsagerin untersuchte Jimmys Handfläche und sagte: „Schon sehr bald wirst du eine Entscheidung treffen, die dein Leben verändert.“
Zwei Tage später verkündeten Jim McCarty und Keith Relf, dass die Yardbirds Geschichte seien. Das war ein Schock für Page. Während sie im Studio immer noch um einen kohärenten Sound rangen, war er doch überzeugt, dass ihre Live-Show den Weg in die Zukunft wies. Doch dann ließ das Duo McCarty und Relf eine weitere Bombe platzen: Sie planten nämlich eine auf Harmonien basierende Popgruppe im Stil der Turtles zu gründen, die im Jahr zuvor mit „Happy Together“ einen Hit gelandet hatten. „Mir stand der Mund offen“, sagte Page.
Bis es jedoch dazu kommen konnte, mussten noch ein paar Shows absolviert werden. Cole und Henry Smith realisierten rasch, dass die Band sich genau in der Mitte geteilt hatte. Auf der einen Seite nahmen McCarty und Relf Aufstellung, auf der anderen positionierten sich Page und Chris Dreja, die die Yardbirds gerne am Leben gehalten hätten. Beide Lager boten ihrer Road-Crew neue Jobs an.
„Jim und Keith kamen zuerst an und sagten: ‚Wir gründen eine neue Band und hätten euch gerne dabei‘“, berichtet Smith. „Einen Tag später sagte Jimmy Page dann genau dasselbe. Peter lenkte mich in Jimmys Richtung. Er wusste um das Potenzial von Jimmys Spielkunst und die Begeisterung, die er entfachen konnte. Peter hatte bereits eine Vision.“
Hand in Hand mit dem Aufstieg des FM-Radios öffneten auch immer mehr College-Säle und Clubs ihre Pforten für Konzerte. Die finale Yardbirds-Tour machte Halt in hippen Underground-Locations wie dem Grande Ballroom in Detroit und dem Fillmore Auditorium in San Francisco des Konzertveranstalters Bill Grahams. Dort war das Publikum, das Grant und Page erobern wollten, als die Band wieder in Amerika weilte. Allerdings war die Band auch hier geteilter Meinung.
Der Club Thee Image in Miami, ein umfunktionierter Ballsaal samt eigenem Meditationsbereich, war ein Paradebeispiel für diese neuen Auftrittsorte. Der Besitzer Marshall Brevetz bot den Yardbirds 5.000 Dollar, wenn sie an ihrem freien Tag dort einen Gig spielten. „Jimmy und Chris wollten spielen“, erzählte Grant. „Die anderen beiden waren aber dagegen. So kam es zu einem großen Streit im Holiday Inn.“ Das war das Ende der Yardbirds.
Zwei Fotos aus dieser Zeit verdeutlichen Peter Grants damalige Rolle. Die Yardbirds-Weihnachtskarte von 1967 zeigte die Mitglieder der Band auf Motorrädern, während ihr Manager im Santa-Claus-Kostüm zwischen ihnen stand. Am letzten Tag ihrer finalen US-Tour schoss Chris Dreja ein Porträtfoto, das ihn mit seiner Kriegsbeute zeigte. Peter grinste in die Kamera: Er hatte sich Hundert-Dollar-Noten in den Mund, die Ohren und die Nase gestopft und zu seinen Füßen lag noch mehr Geld. Diese Fotos zeigten, dass er sich zu amüsieren verstand, und sagten viel darüber aus, wie die Yardbirds ihren Manager und sich selbst wahrnahmen.
Als sie im Juli wieder nach Großbritannien zurückkehrten, gingen die Bandmitglieder ihre eigenen Wege. Jahre später legte Peter Grant den genauen Zeitpunkt der Geburt von Led Zeppelin auf eine gemeinsame Autofahrt mit Jimmy Page fest, die sie wenig später unternahmen: „Wir fuhren die Shaftesbury Avenue hinab und passierten das Savile Theatre. Ich sagte: ‚Was wirst du jetzt machen? Wirst du wieder als Studiomusiker arbeiten?‘ Er antwortete: ‚Nein, ich gründe eine neue Band.‘“ Grant erkannte die Gelegenheit und ergriff sie am Schopfe. „Sobald Jimmy wusste, dass Peter ihm Rückendeckung geben würde, waren sie ein perfektes Team“, sagt Simon Napier-Bell. „Jimmy war von Natur aus ein wenig labil und sensibel und Peter rüstete ihn mit einem Schutzanzug aus.“
In den darauffolgenden Tagen fielen die Namen unterschiedlicher Sänger wie Steve Winwood und Steve Marriott. Diese Namen waren tatsächlich schon während der „Beckʼs Bolero“-Session diskutiert worden. Doch Page hatte es auf einen anderen Sänger abgesehen. Terry Reid war ein Teenager aus Cambridgeshire, dessen heiseres Organ ihm später den Spitznamen „Superlunge“ einbringen sollte. Page hatte ihn zwei Jahre zuvor bei einer gemeinsamen Tour mit den Yardbirds kennengelernt. Seine Stimme verwischte die Grenzen zwischen Soul, Blues und Pop: „Er verkörperte genau das, wonach ich suchte.“
Grant wurde damit beauftragt, Reid ausfindig zu machen. Dieser hatte jedoch gerade ausgerechnet bei Mickie Most unterzeichnet. Terry wurde also ins Büro von RAK gerufen. Wie er später erklärte, erinnerten ihn Grant und Most an die beiden Zeichentrick-Elstern Heckle und Jeckle – der eine streitlustig, der andere hinterlistig. Reid wurde Zeuge, wie die beiden eine Münze um das Recht warfen, ihn managen zu dürfen. Grant gewann.
Reid zog Jimmy Pages Angebot, sich dessen neuer Band anzuschließen, in Betracht: „Er erklärte mir, was er vorhatte. Ich war sehr geschmeichelt und sagte, dass wir es ja versuchen könnten, sobald ich von der nächsten Tour zurückkäme.“ Reid sollte nämlich auf ihrer US-Abschiedstour vor Cream auftreten. „Aber Jimmy sagte, dass er sofort loslegen wollte.“
Da schlug ihm Reid einen Sänger vor, der mit einer Band in Derbyshire auftrat. „Terry sagte, dass er einen Sänger kennen würde, der echt toll wäre“, erinnerte sich Grant. Sein Name? Robert Plant. Wenn man ihn heute nach Peter Grant fragt, antwortet Plant: „Er war wie ein großer Bruder für mich – und so denke ich noch heute über ihn.“
Es war der 20. Juli 1968, als Grant zum ersten Mal auf seinen jüngeren Bruder in spe traf. Plant trat an diesem Tag mit seiner Gruppe Obs-Tweedle in einem Lehrer-College in Walsall auf. Grant, Page und Chris Dreja trafen vor Ort ein und wurden von einem großgewachsenen, langgliedrigen Jungen willkommen geheißen, der einen Pulli der Universität Toronto trug und eine wilde Lockenmähne auf dem Kopf hatte. Alle hielten ihn für einen Roadie. „Es stellte sich heraus, dass es Robert war“, so Grant.
Geboren im August 1948, war Robert Plant bei weitem jünger als Peter Grant und selbst Jimmy Page war ein paar Jahre älter als er – ein Umstand, der sich auf die Beziehung zu beiden Männern auswirken sollte. Plants Vater war Bauingenieur und wollte, dass sein Sohn, der in der Grammar School mit guten Leistungen auf sich aufmerksam gemacht hatte, einmal Wirtschaftsprüfer wird. Allerdings brach Robert die Ausbildung nach gerade mal zwei Wochen wieder ab. „Ich war ein Junge, der Elvis Presley für sich entdeckte und sich davon den Kopf verdrehen ließ“, sagte er.
Der Teenager Plant begeisterte sich für Elvis, Gene Vincent und den Blues. In seiner Lieblingsanekdote schlug sein fuchsteufelswilder Vater den Stecker von seinem Plattenspieler ab, nachdem er die Nummer „I Like It Like That“ von Chris Kenner aus New Orleans „17 Mal hintereinander“ abgespielt hatte.
Nachdem er seinen gutdotierten Bürojob gekündigt hatte, wurde Plant zu einem festen Bestandteil der Blues-Szene der Midlands. Das Geld war knapp und so arbeitete er eine Zeit lang als Asphaltierer für eine Baufirma: „Ich wurde wegen meiner Haare verarscht und weil ich immer sagte, dass das nur eine Übergangslösung wäre, weil ich unglaublich berühmt werden würde.“
Plant nahm für CBS zwei Solo-Singles auf, die sich leider nicht verkauften. Die britische Blues-Koryphäe Alexis Korner nahm sich seiner an, woraufhin Talentsucher vorsichtiges Interesse an seiner nächsten Gruppe, der Band of Joy, entwickelten. Doch der große Durchbruch ließ weiterhin auf sich warten.
Als Grant und seine Entourage in Walsall eintrafen, waren es immer noch ein paar Wochen bis zu Plants zwanzigstem Geburtstag. Seiner zu jener Zeit schwangeren Freundin Maureen hatte er versprochen, dass er, sollte er es nicht bis zu diesem Datum mit der Musik zu etwas gebracht haben, sie an den Nagel hängen würde. Da hatte er noch einmal Glück gehabt! Weder Page noch Grant konnten mit Obs-Tweedle viel anfangen, doch ihren Sänger fanden sie hervorragend.
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