Jesse Fink

Bon - Der letzte Highway


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Bon war auch er nicht sonderlich berühmt, als wir zusammenkamen. Wir haben eine lange gemeinsame Geschichte und unser gegenseitiger Kontakt riss erst vor ein paar Jahren ab, obwohl ich unsere körperliche Beziehung bereits in den Neunzigern beendete. Ich stellte ihm bei einem seiner Konzerte 2009 sogar meine Tochter vor.“

      Sie verrät mir seinen Namen und ich bin ziemlich perplex, immerhin handelt es sich bei ihm um eine Legende der Siebzigerjahre-Rockmusik, jemanden, der kaum einmal nicht in den Schlagzeilen zu finden ist. Sie trafen sich 1976 in Lakeland, Florida. Auch Bon und er lernten sich kennen und waren durchaus als Freunde zu bezeichnen. Sie teilten sogar ein paarmal die Bühne miteinander, obwohl sie nicht wussten, dass sie mit Holly eine gemeinsame Freundin hatten.

      Als sie 1977 nach New York umzog, schrieb sich Holly an der New School’s Parson School of Design ein und verdiente sich ihr Taschengeld als Model und Promogirl. Im Rahmen dieser Tätigkeit traf sie auch auf Bon. Allerdings umfassten ihre Promo-Aufträge nicht nur AC/DC, sondern auch die J. Geils Band und Foreigner.

      „Zunächst einmal waren Bon und ich vor allem großartige Freunde. Ich ging zu dieser Zeit auch mit anderen Rockern aus, obwohl Bon und die andere Person, die ich erwähnt habe, diejenigen waren, für die ich am meisten empfand. Es war eine wunderbare, auf berauschende Weise aufregende und verrückte Zeit. Ich bereue nichts. All der Alkohol und die ganzen Drogen, die ich damals genommen habe, sowie der Kampf gegen die Sucht, die ich mit Bon teilte, haben mich zu der Frau gemacht, die ich heute bin. Mein ganzes Leben dreht sich im Grunde darum, jenen zu helfen, die von dieser schrecklichen, oft tödlichen Krankheit betroffen sind. Ich ließ Alk und Drogen mit sechsundzwanzig hinter mir und abgesehen von ein paar kurzfristigen Rückfällen lebe ich seit vielen Jahren clean und trocken.“

      Wir teilen uns einen Teller Karipap. Das Essen lässt länger auf sich warten, als es sollte.

      „Anfangs wollte ich ja nicht darüber sprechen, weil so viel Traurigkeit damit verbunden ist. Ich habe nicht viel von dem gelesen, was über Bon geschrieben wurde. Aber das, was ich las, befasste sich ausschließlich mit seiner Sucht. Es waren Geschichten darüber, wie er sich zudröhnte und volllaufen ließ. Das war sicher ein Teil von ihm, aber er war auch ein richtig netter Typ. Ich machte mir eine Menge aus ihm. Er war so lustig – und auch ein sehr sanfter Mensch, eine zarte Seele. Und auch sehr, sehr sensibel.“

      Laut Holly waren sie von „1978 an bis Bon starb“ zusammen, beginnend mit AC/DCs zweiwöchigem Aufenthalt in Miami vor ihrer über 60 Konzerte umfassenden Sommer-Tour, mit der Powerage promotet wurde.

      „Wir empfanden wirklich viel füreinander, aber niemand sagte etwas in der Art wie ‚Ach, von nun an werde ich nur mit dir zusammen sein‘. Ein solches Gespräch führten wir nie, aber es ging langsam in diese Richtung.“

      Holly, Ärztin und Akademikerin, hat unter ihrem früheren Ehenamen ein Buch veröffentlicht. Sie verbrachte die zweite Hälfte ihres bisherigen Lebens damit, Studenten über Suchterkrankungen aufzuklären. Sie hat es echt drauf und unterscheidet sich markant von all den beschäftigungslosen, nach Aufmerksamkeit gierenden Ex-Geliebten diverser Rockstars, die jene Ereignisse, die so viele Jahrzehnte zurückliegen, noch einmal aufleben lassen – und zweifellos davon profitieren wollen. Sie glaubt außerdem an „ihre Version“ eines Gottes.

      „Ich bin Christin und berufstätig. Ich hätte nichts davon, dir gegenüber irgendetwas aufzubauschen. Ich bin eine Suchtkranke auf dem Weg der Besserung und unterrichte inzwischen über das Thema Sucht. Mein Leben ist ruhig und glücklich. Es geht mir ganz sicher nicht darum, ins Rampenlicht zu drängen. Ich habe lange genug intensiv darüber nachgedacht, ob ich diesem Interview zustimmen soll, und habe nur zugesagt, um die Leute wissen zu lassen, wie wunderbar Bon war. Ich habe das Gefühl, ihm das zu schulden, da er während dieser kurzen Zeitspanne so viel Freude in mein Leben gebracht hat. Er war echt ein toller Mensch. Ich möchte einfach kundtun, was für ein liebenswerter Mann er tatsächlich war. Wir waren in erster Linie Freunde, obwohl wir auch Geliebte waren. Ich fühlte mich anfangs nicht zu ihm hingezogen. Bon wirkte wie eine Art Wichtel, ein bizarrer kleiner Wichtel-Typ. Er war ja so winzig. Ich war eine große Blondine und er so ein richtiges Herzchen. Er war einer der liebsten Männer, die ich jemals gekannt habe, und sehr liebevoll. Ich erinnere mich an nichts Schlechtes, was ihn betrifft.“

      Wie veränderte er sich, wenn er trank?

      „Bon war sehr zugänglich, wenn er nüchtern war. Sehr liebevoll und gefühlsstark. Er ließ mich wissen, wie viel ich ihm bedeutete. Wenn er trank, ließ er irgendwie die Rollläden herunter und wurde sehr düster – nicht etwa gewalttätig oder so, sondern traurig. Er verwandelte sich in einen anderen Menschen, eine sehr unglückliche Person. Wir nahmen auch Quaaludes und solchen Kram. Wenn er trank, nahm er so ziemlich alles, was ihm in die Quere kam, und dann wurde er zu einem anderen Menschen – wie alle von uns, die wir unter einer Suchterkrankung leiden. Das war aber nicht er, verstehst du, aber so wird eben hauptsächlich über ihn berichtet: Dass er eben so ein Party-Typ war. Das war er zwar auch, aber er war nicht seine Sucht. Hinter seiner Sucht verbarg sich ein richtig guter Mensch, der vielleicht viel zu sensibel war.“

      * * *

      Das Bild, das Holly von Bons Beziehung zu AC/DC skizziert, vor allem zu Malcolm, unterscheidet sich stark von dem, was die Leute wohl erwarten.

      „Bons Beziehung zu Malcolm war nicht … na ja, sie hingen nicht miteinander ab, sie waren keine …“ Sie holt einen Moment aus, um sich zurechtzulegen, was sie sagen will. „Soweit ich weiß, ging da irgendetwas vor. Ich glaube nicht, dass Malcolm wirklich etwas für Bon übrighatte, was meiner Meinung nach an Bons Sucht lag. Diesen Eindruck vermittelte mir jedenfalls Bon. Und ich kann nicht sagen, dass das nur an Bons subjektiver Wahrnehmung gelegen hätte, weil er eben trank, denn wenn ich zusammen mit Bon auf Malcolm traf, lächelte dieser nie und war auch nicht wirklich freundlich. Daran erinnere ich mich genau. Andererseits machten Bon und ich auch oft einen drauf. Bon war dieser große Hundewelpe. Echt total süß. Malcolm war hingegen mehr so der verkniffene Typ. Ich mochte ihn nicht wirklich, wenn ich ganz ehrlich sein soll. Zwischen ihnen herrschte eine große Spannung. Ich machte mir darüber nicht allzu viele Gedanken und nahm an, dass das an Bons Alkohol- und Drogenkonsum lag. Bon war diese zarte Seele und ein verirrter Junge. Er war sehr unprofessionell, was an seiner Sucht lag, aufgrund derer man sich nicht wirklich auf ihn verlassen konnte.“

      Aber Holly fügt auch hinzu, dass Malcolm nur tat, was er für richtig für die Band hielt.

      „Mit jemandem umzugehen, der an einer Suchterkrankung leidet, ist das Schwerste auf der ganzen Welt. Ich weiß darüber Bescheid. Aber tief drinnen in sich spürte, sah und wusste Bon das auch. Kurz vor Bons Tod traf ich Malcolm. Er war praktisch am Ende seiner Geduld angelangt. Ich weiß auch nicht, warum nichts für Bon unternommen wurde und keine Entziehungskur für ihn zustande kam. Es lag einfach an der Zeit. Es muss extrem hart für Malcolm gewesen sein, seinem überaus begabten Sänger dabei zuzusehen, wie er sich selbst so zugrunde richtete. Seine regelmäßigen Totalabstürze wirkten sich selbstverständlich auch auf den allgemeinen Zustand und das Wohlbefinden der Band aus. Da wäre wohl jeder irgendwann frustriert gewesen. 1980, als er starb, war ich gerade mal zwanzig. Das war ein anderes Leben – und ich habe seit damals viele Leben gelebt, so wie wir alle das seit unseren Jugendjahren getan haben. Auch wenn er nicht sagte, dass er mit dem Trinken und den Drogen aufhören wollte, sprach er doch darüber, wie sein Verhalten sich auf seine Beziehung zu Malcolm und dem Rest der Band auswirkte. Es ging dabei vor allem um Malcolm, der echt etwas dagegen hatte. Er wurde echt sauer auf Malcolm, wenn er trank, aber wenn er nüchtern war, war der Grundtenor eher von Traurigkeit geprägt. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass er aufhören wollte, aber seine Dämonen hatten ihn da schon voll in ihrer Gewalt. Er konnte nicht mehr aufhören. Manchmal hielt er es, wenn wir miteinander abhingen, eine Zeit lang aus, ohne viel abzufeiern, aber das funktionierte immer nur sehr kurz, weil er bereits so tief in seiner Sucht steckte. Auch wenn aufgrund von Bons unkontrollierbarem Missbrauch von Suchtmitteln und seiner Sorge, die Band im Stich zu lassen, zwischen ihm und Malcolm Spannungen in der Luft lagen, so war es doch durchaus verständlich, dass Malcolm von Bon frustriert war.“

      Unser indisches Essen wird uns serviert und wir begeben uns zurück zum Prius.

      * * *

      Nachdem