noch als Captain angesprochen. Sie hätten sich nicht besser um uns bemühen können. Das kleine Boot stand parat und war technisch im besten Zustand, und beim Einsteigen reichte man Dad sogar voller Respekt die Hand. Und schon ging’s los. Und alle schauten wie gebannt zu. Bereit zur Show?
Ich glaube immer noch, dass es ein übermäßig stürmischer Tag gewesen sein muss.
Hawley Lake klingt wie ein harmloser Ort, doch an diesem Nachmittag war es ein vom Wind aufgepeitschtes Gewässer. Als ich das Segel setzte, dämmerte mir schon, welches Schicksal mir bevorstünde. Während das Segeltuch unkontrolliert hin und her flatterte, versuchte Dad mir nach Kräften zu helfen.
„Halt den Klüver!“, schrie er.
„Das mache ich doch!“, schrie ich zurück.
Natürlich machte ich nichts, und das aus einem guten Grund. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was ein Klüver sein konnte. Zumindest wusste ich aber, wie man schwamm! Was sich an dem Tag als überaus nützlich herausstellte.
Möglicherweise lag in dieser Episode einer der Gründe, warum mich Dad nicht daran hinderte, ins Musikgeschäft einzusteigen. Allerdings war meine Marinekarriere noch nicht völlig ins Wasser gefallen.
In Charterhouse zählte der Militärdienst zu den Pflichtübungen: Army, Air Force oder Navy.
Ungefähr 80 Prozent der Jungen waren in der regulären Army, weil dort die Dienstzeit begann, und weil es sie nicht juckte, zu den eher interessanten Streitkräften zu wechseln. „Der Marsch“ stellte die größte Herausforderung des Armeedienstes in Charterhouse dar. Überraschenderweise ging man während dieser Tortur durch einige wunderschöne landschaftliche Flecken. Die Route führte über Haslemere und durch den Devil’s Punchbowl. Allerdings betrug die Strecke 50 Meilen. Als ich an die Reihe kam, brachte ich die Prüfung zufriedenstellend hinter mich, aber dennoch musste ich sie wiederholen. Ich weiß nicht, was geschehen war – vielleicht hatte da ein Taxi eine Rolle gespielt –, doch danach verließ ich den Haufen und ging zur Navy.
Zurückblickend gesehen war das eine unüberlegte Entscheidung. Im Winter hockten wir drinnen herum und übten uns im Knotenknüpfen – das ist kein Scherz –, und im Sommer segelten wir auf den Frensham Ponds. (Das Segeln fiel mir leichter, als Dad mich nicht mehr dabei beobachtete.) Es gab jedoch einen großen Vorteil. Jedes Jahr im Zeitabschnitt, den wir Cricket nannten, musste der Haufen aus der Army in voller Ausrüstung und mit Rucksack feldeinwärts marschieren – und das unter brütender Sonne. Diesen Tag verbrachte ich meist auf dem Rücken liegend im Bootsschuppen bei Frensham Ponds. Ich trank mit Ant Cidre, der auch schon herausgefunden hatte, wie man seine Zeit am besten verbrachte.
Wenn man gut beim Sport war, zeigte Charterhouse ein anderes Gesicht. Ich wusste, dass Golf nicht mit Rugby oder Football mithalten konnte – wer in diesen Sportarten glänzte, befand sich hinsichtlich der Popularität in einer anderen Liga –, aber ich glaubte auf meinen Erfolg in The Leas aufbauen zu können. Dann erteilte mir Chare ein Verbot. Für ihn war Golf ein Spiel der Individualisten, das sich gegen das Establishment richtete, besonders auch, wenn es ein Rebell wie ich ausüben wollte.
„Rutherford, ich untersage es dir! Du musst am Teamsport teilnehmen.“
Was sollte man machen? Danach bedeutete Sport in Charterhouse Kricket, das in Liga C, viertes Team, zu einer wahren Teamleistung ausartete.
Man erreichte den weit abgelegenen Teil eines weit abgelegenen Feldes und überlegte sich ein Ergebnis. Am Ende des Tages hatte man sich in die Aktivität so hineingesteigert, dass man tatsächlich glaubte, 50 Runs gepackt zu haben. Man kehrte in sein Haus zurück und fühlte sich wie ein Held.
Ich konnte gut ohne Golf leben – auch, weil man damals ziemlich dämliche Ausrüstung tragen musste –, aber ich konnte nicht ohne die Musik leben.
Und darum verbot mir Chare das Gitarrespielen.
Ich hielt mich im oberen Teil des Hauses in einer Art Zimmer zum Entspannen auf und spielte zu Sgt. Pepper Gitarre. Das Album war gerade erschienen, und ich hatte noch nie etwas Aufregenderes gehört. Vermutlich hatte Chare ein unerfreuliches Meeting der Hausvorsteher gehabt, denn er stürmte daraufhin in den Raum, wütete und packte mich beim Kragen. „Rutherford“, zischte er zwischen den Zähnen hindurch, „das ist ab jetzt verboten. Du wirst nicht mehr Gitarre spielen, Rutherford.“ Er drückte mich nach unten und verpasste mir Schläge mit dem Holzstock. Es war 20 Uhr, und ich trug schon meinen Schlafanzug. Nach dem Zwischenfall machte ich trotzdem weiter, und es gab niemanden, der mich aufhalten konnte. Es lag wohl auch daran, dass das wichtigste Konzert meiner Charterhouse-Karriere in wenigen Wochen stattfinden sollte.
Ich war bei The Anon eingestiegen. Ant stellte die treibende Kraft hinter der Band dar, doch ihrem Sänger Richard Macphail fiel der Name ein. Ursprünglich wollte er die Gruppe „Anon“ nennen, was dem Namen eines unbekannten Dichters ähnelt, doch niemand kam mit dem Namen ohne den Artikel klar.
Rich lässt sich nur als großartig beschreiben. Er konnte singen, sah gut aus und hatte die Bewegungen eines Sängers drauf: Wir nannten ihn Mick Phail, da seine Show der eines Jaggers ein wenig ähnelte. Er hatte eine unglaublich lebensfrohe Natur, war einfach ein sehr positiver Mensch. Nach dem Ende seiner Schulzeit ließ er sich die hellblonden Haare bis zu den Ellbogen wachsen. Ich sah ihn häufig barfuß bei Konzerten.
Zur Besetzung zählten auch Rob Tyrell an den Drums – Mein Gott, der Mann war gut – und Rivers Job am Bass, der mit Ant die Vorschule besucht hatte. Rivers Job – hat man schon mal einen cooleren Namen gehört? Er war sehr klein. Der Bass wirkte für seinen Körper viel zu groß, was aber gleichzeitig auf irgendeine Art passte. (Rivers verließ Charterhouse nach den O-Levels. Das nächste Mal sah ich ihn mit der Savoy [Brown] Blues Band in einem Pub in Guildford, die damals große Erfolge feierten. Ich schaute zur Bühne hoch und dachte: „Der schafft’s wirklich …!“) Nach Rivers’ Ausscheiden übernahm ich den Bass.
Ant war der bessere Gitarrist, und so empfand ich den Instrumentenwechsel nicht als Degradierung, sondern als zwangsläufige Entscheidung. Trotzdem muss ich mich wohl über etwas geärgert haben, denn kurz darauf verließ auch ich beleidigt die Band. Ant verhielt sich allgemein egoistisch. Entweder man tanzte nach seiner Pfeife, oder es lief gar nichts. Wahrscheinlich dachte er, dass ich wegen mangelnder Fähigkeit zur Disziplin ausgeschieden wäre, was durchaus im Bereich des Möglichen lag. Egal, ich zog mich mit einem gewissen Stolz zurück, was letztlich zur Gründung meiner neuen Band The Climax führte, die nur zwei Semester lang zusammen spielte. Das Beste an uns war wohl der Bandname. Ant besuchte uns in der Halle, wo wir probten, lachte und ging direkt wieder raus.
Während dieser beiden Semester erschien in dem Schulmagazin von Charterhouse ein Artikel mit der Überschrift: „Warum nicht Pop?“ Man beschrieb darin auch The Climax, die „einen passablen Sound“ spielten, obwohl wir eher „einem Schatten als der Realität“ glichen (wahrscheinlich eine faire Einschätzung). The Anon (ohne mich) wurden mit einem doppelt so langen Artikel geehrt:
Ihre Musik fällt in die Kategorie Rhythm and Blues, mit Nummern von den Stones, den Yardbirds, John Mayall’s Bluesbreakers und The Cream. Dazu spielen sie noch eine stattliche Anzahl Eigenkompositionen …
Die Gruppe vertritt eine interessante Sichtweise: Sie streiten energisch ab, dass sich die Musik auf ihre Arbeit auswirkt … „Wir müssen wissen, ob es funktioniert oder nicht, da wir uns schon einigen Ärger eingehandelt haben.“ Als Reaktion auf die Schwierigkeiten, denen man sich als Gruppe stellen muss, hegen sie die Hoffnung auf mehr Freiheit in der Zukunft. Momentan lässt sich die Einstellung ihrer Eltern eher als lauwarm beschreiben. Es wird dringend Geld für neues Equipment benötigt. Da sie eine Schulband sind, sehen sie sich mit der Schwierigkeit konfrontiert, Termine während der Ferien abzusprechen … Doch solche Frustrationen – und da sind sich alle einig, werden durch die Zeit kompensiert, wenn die Band zusammen ist und gut spielt.
Meine Eltern reagierten sicherlich auch „lauwarm“, doch sie zeigten es nicht. Wenn Mum mich bei Ferienbeginn abholte, lud ich das Equipment in den Kofferraum ein. Sie drehte sich noch nicht mal um, obwohl ich zu der Zeit schon eine Box mit vier 12“-Inch-Lautsprechern besaß sowie eine Höfner Verythin