Joe Layden

Van Halen


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Freunde, nennt man Vermächtnis.

      All dem zum Trotz hatte ich, als ich mich nun anschickte, die Band vor ihrem ersten Konzert der Tour zu treffen, immer noch keinen einzigen ihrer Songs gehört – ein Kunststück, das sich rückblickend nur schwer erklären lässt. Als ich nun nach Chicago reiste, erschütterten Van Halen gerade die Branche in ihren Grundfesten und waren mehr als gerüstet für ihre erste Show im Vorprogramm von Ronnie Montrose und den (bald schon) Rock-Legenden von Journey. So begann eine höllische Tour, die sich – ganz egal, was alles noch folgen sollte – als absolut erinnerungswürdig erweisen würde.

      Als die Musiker am 28. Februar 1978 in Chicago aus dem Flugzeug stiegen, waren sie genau gleich gekleidet wie das letzte Mal, als ich sie getroffen hatte. Das war, wenn ich daran zurückdenke, schon ziemlich süß und erfrischend. David stammte aus wohlhabendem Elternhaus, weshalb er sich die Klamotten eines reichen Jungen hätte leisten können, doch er trug beide Male dasselbe Outfit wie jeder andere südkalifornische Junge, der in einer Band spielte: Jeans, T-Shirt und Stiefel. Die anderen Jungs hatten keinen Pfennig in der Tasche und wollten sicher nicht viel für Klamotten ausgeben. Auch wenn ich vielleicht sentimental klinge: Alle vier hatten sie Sterne in den Augen und trugen ein Lächeln im Gesicht. In diesem Augenblick fühlte ich mich enorm angezogen von ihnen. Sie waren prädestiniert dafür, Stars zu werden, aber ich glaube nicht, dass sie das bereits realisiert hatten. (Falls David das tat, dann war das höchstens auf einer abstrakten Ebene.) Ihr Album war gerade erst drei Wochen zuvor erschienen, und sie hatten seitdem noch keinen Gig absolviert. Sie wussten nicht, was sie erwartete. Andrerseits tat ich das selbst ja auch nicht.

      Der erste Tag stand ganz im Zeichen von Anreise und Akklimatisierung, was mir eine willkommene Atempause verschaffte. Es standen zwei Tage lang Proben im „SIR Studio and Instrumental Rentals“ auf dem Programm, bevor die Band schließlich am 3. März ihren ersten Gig im Aragon Ballroom spielen sollte, einer Location mit 5.000 Sitzplätzen in der West Lawrence Avenue, rund acht Kilometer außerhalb des Chicagoer Stadtzentrums gelegen. Ich bekam diese Sessions häppchenweise mit, aber über weite Strecken musste ich mich logistischen Fragen widmen. Die Band begleitete auf diesem Trip eine handverlesene sieben- oder achtköpfige Crew, darunter auch ein Schlagzeugtechniker namens Gregg Emerson, ein Highschool-Kumpel von Alex, und Rudy Leiren, ein Gitarrentechniker, dessen Qualifikation für den Job in erster Linie darin bestand, dass er eng mit Edward befreundet war. (Ich hingegen brachte meinen alten Freund Gary Geller alias Red Roadie mit, damit er die Doppelfunktion als Bühnenmanager sowie als Basstechniker für Michael Anthony ausfüllen konnte.) Hier traf ich zum ersten Mal auf unsere Road-Crew; alle wirkten wie anständige Typen, nicht weniger geplättet und albern als die Band selbst. Ich hoffte, dass sie einen guten Job machen würden, weil ich wusste, dass ich sie nicht würde feuern können, da sie eben mit Eddie und Alex befreundet waren. Jedoch muss man ihnen zugutehalten, dass Rudy und Gregg ihre Arbeit sehr ernst nahmen … Aber hey, wofür gibt es schließlich Vetternwirtschaft?

      Bevor sich Van Halen der Tour-Karawane anschlossen, hatten Journey und Montrose bereits in Davenport, Iowa, und Racine, Wisconsin, gespielt. Wie ihr euch vorstellen könnt, umfasste das Publikum im Aragon Ballroom locker doppelt so viele Leute. Ich will hier niemanden beleidigen, aber im Vergleich dazu waren Davenport und Racine tiefste Provinz – Regionalliga, wenn man so will. Chicago stellte dagegen die oberste Spielklasse dar, und Van Halen traten nicht nur an, um mitzuspielen, nein, sie wollten triumphieren.

      Das hier war eine großartige Gelegenheit, und wir wollten sie nutzen. Zwar stellten wir die Vorband und standen ganz unten auf dem Plakat, doch würden wir in Locations auftreten, die immerhin zwischen 2.500 und 8.000 kreischenden, betrunkenen Fans Platz boten. Auf dem Papier schien es der perfekte Auftakt zu Van Halens erster Tour mit einem Major-Label im Rücken zu sein. Für eine Band, die gerade erst Fuß fasste, war dies eine ziemlich coole Ausgangslage. Wir waren auf die Tour eingeladen worden, da Journey – sie hatten, nachdem ihnen jahrelang der Durchbruch verwehrt geblieben war, mit Steve Perry einen neuen Sänger engagiert, ihren Sound überarbeitet und nun das bald schon alles verändernde Album Infinity veröffentlicht – noch nicht groß genug waren, um als Kassenmagnet zu funktionieren. Ronnie Montrose, eigentlich der Frontmann der Band Montrose, einer Formation, die vor dem Ausstieg ihres Leadsängers Sammy Hagar zwei Jahre zuvor, äußerst populär gewesen war, begann außerdem, langsam aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verschwinden.

      Van Halen brachten eine Menge Schwung in die Sache, und sobald sie angekündigt wurden, begann der Vorverkauf in die Gänge zu kommen. Wir waren neu, frisch und aufregend. Doch Journey waren zu diesem Zeitpunkt der bekannteste der drei Acts, weshalb ihnen die Rolle des Headliners zufiel. Damit hatten wir kein Problem. Das eröffnete den Jungs die Möglichkeit, vor einem größeren Publikum als je zuvor aufzutreten und an ihrer Live-Präsentation zu feilen, ohne sich dabei jener Erwartungshaltung stellen zu müssen, mit der sich der Headliner konfrontiert sah. Wenn sie gut genug wären, würden sie diesen ohnehin von der Bühne fegen.

      Eine Tour gehorcht den Regeln der Leistungsgesellschaft. Es kann schon eine große Herausforderung darstellen, wenn man vor einem Publikum auftreten muss, das fast ausschließlich aus Fans des Headliners besteht. (Später nannten wir die Vorband „T-Shirt-Acts“, da sie auf die Bühne mussten, wenn die Fans noch draußen standen, um sich mit Merchandise-Artikeln einzudecken.) Doch manchmal, wenn es eine Band echt draufhat, gelingt es ihr, das Publikum für sich zu begeistern. Genau so eine Band waren Van Halen, daran bestand kein Zweifel. Wir waren uns sicher, dass es nicht lange dauern würde, bis alle Augen auf uns gerichtet sein würden.

      Aber nichts ist jemals wirklich einfach, wenn man auf Tour ist.

      Wir trafen im Aragon am frühen Nachmittag ein und richteten uns in einer winzigen Garderobe ein. Wir hatten kaum Platz, und der Raum war schlecht beleuchtet, das war jedoch ganz sicher nicht außergewöhnlich. Aber es reichte selbstverständlich, um sich seine Straßenkleidung auszuziehen und in die Bühnenklamotten zu schlüpfen. Zum Teufel noch mal, diese Jungs hatten sich jahrelang in ihren Autos oder der Umkleidekabine ihrer alten Highschool umgezogen – falls sie das überhaupt taten.

      Eine neue Band auf Tour zu begleiten, ist deshalb so schön – und witzig –, weil keiner hohe Ansprüche stellt und alle sich pflegeleicht geben. Obwohl alle ein wenig nervös waren, zeigten sich Van Halen in erster Linie begeistert darüber, mal aus Südkalifornien herauszukommen. Abgesehen von David waren sie noch nicht unbedingt weit gereist. Und nun standen sie hier in Chicago. Sie waren total aus dem Häuschen und scherten sich einen Dreck um ihre Garderobe.

      Leider war nicht nur die Garderobe ein wenig zu klein. Ihr müsst verstehen, dass nicht immer genug Platz für die Ausrüstung einer jeden Band vorhanden ist, wenn man drei Acts am selben Abend in ein und derselben Location bucht. Als Headliner genossen Journey gewisse Vorrechte. Montrose stand in der Hierarchie an zweiter Stelle. Da zwischen den Auftritten der einzelnen Acts nicht genügend Zeit ist, um das Equipment ab- und wieder aufzubauen, müssen sich die Crews untereinander arrangieren. Die Verstärker und Instrumente des Headliners werden ganz hinten auf der Bühne platziert. Der mittlere Act wird auch räumlich in der Mitte positioniert. Und die Vorband muss damit Vorlieb nehmen, was vorne am Bühnenrand noch übrig ist. Nachdem eine Band ihr Set beendet hat, wird ihr Kram dann abgebaut oder zur Seite geräumt.

      Als wir anfingen, unser Equipment vor Journeys und Montroses Wand aus Verstärkern und Drums aufzustellen, blieb uns fast kein Platz mehr. Die anderen beiden Bands hatten so lange mit ihrer Ausrüstung gebraucht, dass unsere Crew nun unser Equipment durch den Vordereingang auf die Bühne bringen musste. Auf der Bühne selbst blieb David, Edward und Michael gerade mal eine Fläche von vier bis fünf Meter Breite. Für David (und bis zu einem gewissen Grad auch Edward) stellte dies eine ernsthafte Einschränkung dar. Schließlich war er daran gewöhnt, frei über die Bühne und sogar hinaus ins Publikum zu sprinten. Er nutzte einfach jeden Quadratzentimeter für seine Darbietung aus.

      Während die Jungs immer noch in der Garderobe abhingen, ging ich in die Arena hinaus, um die Lage zu checken. Die Bühne war hoffnungslos überfüllt. Überall standen Ausrüstungsgegenstände. Verworrene, miteinander verknotete Stromkabel bildeten regelrechte Nester auf dem Hartholzfußboden und stellten ein weiteres potenzielles Hindernis dar. Mein erster Zwischenstopp führte mich zum Mischpult, wo Tom Broderick, unser Tontechniker, gerade schwer beschäftigt war.