Joe Layden

Van Halen


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sein Gesicht.

      „Scheiße, Mann, dann bin ich ja zehn Zentimeter kleiner.“

      David war mit knapp 1 Meter 85 nicht gerade zu kurz geraten. Außerdem war er schlank und muskulös und scheute nicht davor zurück, seine behaarte Brust zu präsentieren. Keine Frage, auf der Bühne machte er durchaus was her. Doch das reichte ihm nicht. Er wollte über allen stehen – seinen Bandkollegen, dem Publikum … einfach jedem.

      Fürs Erste gab er sich jedoch einsichtig. Als ambitionierter Musiker zeigte er sich gewillt, sein überdimensioniertes Ego einer besseren Darbietung unterzuordnen.

      „David, du siehst unbeholfen aus da draußen“, sagte ich. „Das willst du doch nicht. Das lenkt nur von der Show ab. Ihr Jungs seid doch eine athletische Band. Das ist es, was die Leute sehen wollen.“

      Widerwillig stimmte David zu, woraufhin auch die anderen einlenkten. Dieser Abend im Aragon Ballroom markierte somit das erste und letzte Mal, dass Van Halen mit hohen Absätzen auftraten. David stieg tatsächlich auf Capezios um. Die anderen drei trugen fortan Sneakers. Van Halen waren nie eine Glam-Band. Sie standen für Gitarren-Rock und avancierten zu einem der dynamischsten Live-Acts der späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahre. Und von diesem Augenblick an kleideten sie sich auch dementsprechend.

      Als wir die Location hinter uns ließen, sah ich die Road-Crew, die immer noch beim Truck stand.

      „Wieso seid ihr noch hier?“, erkundigte ich mich.

      Ein paar von ihnen lachten auf diese abgebrühte Art, wie ich es oft aus den Kehlen solcher Männer vernommen hatte – ein wissendes Lachen, das sich einstellt, wenn man schon fast alles gesehen hat und zur Erkenntnis gelangt ist, dass Murphys Gesetz in Bezug auf das Tourleben kein Scherz ist.

      Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.

      Der Erste, der sich zu Wort meldete, war Red. Laut ihm hatte einer der Jungs das Licht brennen lassen, weshalb die Batterie nun leer war. Red versicherte mir, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche. Der Servicedienst der Truckfirma sei bereits auf dem Weg, um die Batterie wieder aufzuladen. Sie würden uns dann im Hotel treffen.

      Als wir schließlich beim Holiday Inn City Center eintrafen, sehnten wir uns alle danach, nach diesem langen und anstrengenden Tag unsere Kehlen anzufeuchten. Ich schlenderte direkt an die Bar. Pete und Tommy begleiteten mich. Die Jungs aus der Band warteten bereits auf uns.

      „Mögt ihr Typen Jack Daniel’s?“, fragte Michael Anthony.

      „Na klar!“, erwiderte ich. „Wer tut das nicht?“

      „Nun denn“, sagte Michael mit einem Lächeln. „Die erste Runde geht auf mich.“

      Als wir gerade die zweite Runde in Angriff nahmen, tauchte der Rest unserer Crew auf. Offenbar hatte der Servicedienst ganze Arbeit geleistet. Die Crew hatte daraufhin rasch den Truck beladen und war noch rechtzeitig eingetroffen, um das Ende des Arbeitstages zu begießen. Während der Abend nun voranschritt, ergab sich für mich die Möglichkeit, mit jedem Bandmitglied einzeln zu plaudern. Sie waren sich einig: Sie wollten eine große Band werden und waren bereit, hart für ihr Ziel zu arbeiten und sich auch beraten zu lassen, um es zu erreichen. Trotz all der Probleme, mit denen wir uns an diesem ersten Abend hatten herumschlagen müssen, und der Tatsache, dass es keine wirklich tolle Show wurde, war ich überaus optimistisch.

      Van Halen konnten nicht nur auf ein herausragendes Debütalbum verweisen, nein, mit ein paar kleineren Anpassungen und ein bisschen Glück könnten sie sich zu einem ebenso herausragenden Live-Act entwickeln. Heute denke ich an diese Nacht als beinahe unglaublich unschuldige und glückliche Zeit zurück. Natürlich würden sie nicht viel länger anonym bleiben – und auch mit der Unschuld würde es schon bald vorbei sein. Allerdings ließ sich die ohnehin nie lange konservieren.

      Um Mitternacht waren wir alle müde, und die Bar schloss auch langsam. Wir leerten unsere Drinks und begaben uns zu den Aufzügen. Im Rock-Kontext war es keine sonderlich lange Partynacht gewesen. Dennoch hatten wir einen langen Tag und Abend hinter uns. Als der Aufzug nach oben fuhr, stieß Edward David in die Rippen.

      „Hey, Mann, hast du etwas Krell dabei?“

      David nickte.

      „Yeah, dann komme ich noch rüber in dein Zimmer.“

      Der Aufzug hielt in der achten Etage. Sie verabschiedeten sich höflich und stiegen aus. Pete und ich waren in der elften Etage untergebracht. Während der Aufzug weiterfuhr, musste ich mir meine Unwissenheit – und Neugier – eingestehen. Ich war in meinen 31 Jahren ganz schön herumgekommen und hatte die ganze Welt bereist. Dabei hatte ich auch die eine oder andere illegale Substanz konsumiert (doch nur selten exzessiv), aber von „Krell“ hatte ich noch nie gehört.

      „Über was zum Teufel haben die sich gerade unterhalten?“, fragte ich nun Pete.

      Er lachte.

      „Krell ist ein Slangausdruck für Kokain“, weihte er mich ein. Vielleicht versuchte er ja, meine nächste Frage zu antizipieren, als er mich nun seinerseits fragte: „Möchtest du wissen, wie sie zu Gras sagen?“

      „Klar, warum nicht?“

      „Snade“, antwortete er.

      „Snade?“, wiederholte ich. Das klang ja lächerlich.

      „Interessant“, sagte ich. „Woher kommt das?“

      Pete sah mich an. Seine Augen waren von Whiskey und Schlafmangel ganz glasig. Er blickte mich perplex an, als ob er diese Frage zum ersten Mal hörte.

      „Weißt du was?“, sagte er. „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“

      Wir lachten beide, während der Aufzug nach oben kroch.

      In dieser Nacht schlief ich nur wenige Stunden, bevor mich ein Anruf Carl Scotts aus meinen Träumen holte. Bis heute streitet Carl ab, dieses Telefonat getätigt zu haben, aber ich weiß, dass ich das nicht geträumt habe. Seine Stimme klang besorgt, ja, fast schon panisch. Er hatte die Show im Aragon mitverfolgt und war nicht gerade glücklich.

      „Noel, was sollen wir nur unternehmen?“

      Ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.

      „Was meinst du damit?“

      „Die Show“, sagte er. „Es war schrecklich. Wir haben so viel in diesen Act investiert, und so legen die nun los?“

      Ich atmete tief durch. Einerseits lag Carl ja nicht falsch. Es war ganz sicher kein berauschender Einstand für Van Halen gewesen – und Warner (vor allem Carl) auf den Erfolg der Band angewiesen. Andererseits hatte Carl keine Ahnung davon, wie verdammt chaotisch der Tag verlaufen war. Umstände, auf die die Band und auch sonst niemand Einfluss hätte nehmen können, hatten dazu beigetragen, dass ihr Debüt einigermaßen holprig verlaufen war. Dafür, so dachte ich mir, hatten sie eine respektable Leistung geboten. Es war unmöglich, nicht von Edwards Gitarrenspiel beeindruckt zu sein. Und Stiefel hin oder her – es war ebenso offenkundig, dass David das Potenzial besaß, ein toller Frontmann zu sein. Ihnen war nur wenig Zeit und Platz zur Verfügung gestellt worden, und wir alle hatten mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Eigentlich konnten wir sogar von Glück sprechen, dass alles noch einigermaßen glimpflich abgelaufen war. Allerdings sagte ich nichts von alldem. Ich war einfach zu müde. Stattdessen versuchte ich, ihn zu beruhigen und dazu zu bewegen, so schnell wie möglich wieder aufzulegen.

      „Mach dir keine Sorgen, Carl. Gib uns ein paar Wochen, und wir werden voll auf der Höhe sein.“

      „Okay“, sagte er. „Das hoffe ich.“

      3

      Auf Achse

      Wir waren Monster. Wir alle. Nicht nur Alex, Edward, David und Michael, sondern auch die Crew und auch sonst jeder, der uns auf Tour begleitete. Ich schließe mich da gerne mit ein. Denn wenn ich von „Monstern“ spreche, meine ich das nicht böse. Vielmehr meine ich damit, dass die Verhaltensregeln, an die man sich sonst in gepflegter Gesellschaft