Joe Layden

Van Halen


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getroffen habe. Als ich ihn kennenlernte, steckte er schon einigermaßen tief im Suff und trank jeden Abend beachtliche Mengen Starkbier von Schlitz.

      Ich mochte Eugenia, die Mutter der Brüder Van Halen. Allerdings war sie eine komplizierte und unglückliche Frau, und meine Sympathie beruhte in erster Linie auf Mitgefühl. Sie litt nämlich unter etwas, von dem ich vermute, dass es sich um eine psychische Krankheit handelte, die sich in ihrer irrationalen und mitunter lähmenden Angst vor den Zeugen Jehovas manifestierte. Ich verstehe zwar, dass die Zeugen Jehovas fast alle von uns verwirren, die wir nicht ihrer spezifischen christlichen Überzeugung und Glaubensauslegung angehören, doch Eugenias Gefühle gingen weit darüber hinaus. Immerhin verängstigten sie Eugenia regelrecht. Ich habe keine Ahnung, was dieser Phobie zugrunde lag, doch ich weiß, dass sie übertrieben und irrational war. Während des Zweiten Weltkriegs waren die niederländischen Juden und Zeugen Jehovas (und andere Bevölkerungsgruppen) zusammengetrieben und in Konzentrationslager verfrachtet worden. Eugenia glaubte fest daran, dass ihr die Zeugen Jehovas von Amsterdam gefolgt waren und sie vernichten wollten. Sie nahm einen mitunter beiseite, als ob sie einem ein Geheimnis verraten wollte. Dann offenbarte sie ihre Ängste und ihren Argwohn. Irgendwann fragte sie, ob man „einer von ihnen“ sei und vorhabe, ihr Leid anzutun.

      Als mir dies zum ersten Mal widerfuhr, nahm ich an, sie würde scherzen. Das tat sie nicht. Sobald ich ihr versicherte, ich sei kein Zeuge Jehovas auf Mission, ihr zu schaden, fragte sie, ob ich einen von „ihnen“ auf dem Weg zu ihrem Haus gesehen hätte. Lauerten sie etwa irgendwo in der Nähe? Vielleicht sogar in den Bäumen? Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Sie tat mir einfach nur leid. Ihr verschreckter Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, dass dieses albtraumhafte Szenario nichts als die Wahrheit für sie darstellte – und dies hatte eine lähmende Wirkung auf sie.

      So unbegründet und vernunftwidrig dies auch alles war: Ihre Angst führte dazu, dass Eugenia über weite Strecken zu einer Gefangenen in ihrem eigenen Haus wurde. Zwar traten die Jungs oft vor Jan im Publikum auf, doch ihre Mutter ließ sich nur selten bei Konzerten blicken. Als ihr Reichtum immer größer wurde, fragte ich mich, ob sie auch alles taten, um ihrer Mutter zu helfen. Vielleicht machten sie das ja. Eventuell gab es private Therapien, medizinische Behandlungen und Interventionen. Ich kann nur annehmen, dass sie diesbezügliche Versuche unternahmen und ihre Mühen leider erfolglos blieben.

      Alex schien mitunter wegen seiner Abstammung zu hadern. Zumindest teilweise. So erwähnte er etwa, er habe „Schlitzaugen“. Ich konnte nicht sagen, ob er nun scherzte oder nicht, aber ich hasste es, wenn er so daherlaberte, was in der Regel der Fall war, wenn er getrunken hatte. Keine Ahnung, was er sah, aber mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass die Form seiner Augen, die er von seiner Mutter geerbt hatte, etwas Negatives wäre. Auch die Frauen, die ihn anschmachteten, schienen sich nichts dabei zu denken. Er war ein attraktiver Kerl – so wie Eddie auch –, und gemeinsam minderten sie trotz Alex’ Unsicherheit auf keinen Fall den Wert der Marke Van Halen.

      Alex trank, da er genetisch dazu veranlagt war – und er war unter der Obhut eines Vollprofis dazu erzogen worden. Aber ich vermute, dass es auch damit zu tun hatte, dass er immer im Schatten seines weitaus innovativeren jüngeren Bruders stand. Von Anfang an hatte ich das Gefühl, dass die Beziehung der beiden Brüder zueinander durch die exakt selbe Sache erschwert wurde, die sie auch so eng zusammenschweißte, nämlich die Musik – und eben besonders dadurch, dass Edward ganz klar der begnadetere Künstler von ihnen war. Das ist keine Schande. Aber es muss schon schwierig für Alex gewesen sein, wie sein kleiner Bruder sich zu einem Superstar entwickelte. Versteht mich bitte nicht falsch, Alex war schon auch gut – verdammt gut sogar – und sollte später mal Platz 51 in der Liste der 100 besten Drummer aller Zeiten des Rolling Stone belegen. Er konnte sein Schlagzeug teuflisch gut bearbeiten, und seine Beiträge versahen Edwards Riffs, Michaels rhythmischen Vortrieb und Davids leidenschaftlichen Gesang mit einem Rückgrat. Doch Edward war so etwas wie eine Inselbegabung. Mir fällt kein besserer Begriff ein. Er lebte und brannte für sein Handwerk – auf eine Art, die sich die meisten Menschen nicht einmal ansatzweise vorstellen können. Das zeigte sich daran, wie er mit der restlichen Welt kommunizierte – alles wurde bei ihm durch die Linse der Musik gebrochen. Sie flog ihm ganz natürlich zu, intuitiv, aber sogar noch mehr als das. Es schien so, als fungierte er als eine Art Medium des Universums, durch das arschgeile Akkorde und atemberaubende Solos übertragen würden.

      Alex wusste das, und ich glaube, er verstand und schätzte dies mehr als die meisten Leute dies getan hätten. Vielleicht ist es auch eine Frage der Nähe. Wenn sie nicht dazu gezwungen worden wären, sich stets die unmittelbare Umgebung miteinander zu teilen – nicht nur als Kinder, sondern auch als Erwachsene, die gemeinsam der Musikbranche standhalten mussten, gemeinsam aßen, tranken, arbeiteten, tourten und Musik machten –, vielleicht hätte das Ganze dann anders ausgesehen. Alex war immer der größte Unterstützer und Fürsprecher seines Bruders, aber ich müsste lügen, wenn ich behauptete, dass ich nie mitbekam, wie es ihn einholte.

      Ich sage nicht, dass er Eddie nicht liebte, denn ich bin mir sicher, dass er das tat. Allerdings war es faszinierend und irgendwann auch deprimierend, wie sich ihre Beziehung veränderte und zu sehen, dass das Kräfteverhältnis völlig aus den Fugen geriet. Und doch befreite sich Edward nie zur Gänze von Alex’ Einfluss.

      Im schlimmsten Fall konnte Alex extrem eifersüchtig sein – und viel mehr als Eddie war er in der Lage, sich unerklärlicherweise richtiggehend gemein zu verhalten, was vor allem auf die späteren Jahre der Band zutraf – damit meine ich die Spätphase meiner eigenen „Amtszeit“ –, als er endgültig abstürzte.

      Als ich zum ersten Mal sah, wie ein Streit zwischen Alex und Edward eskalierte, kam dies irgendwie überraschend. Es ereignete sich bei dieser ersten Tour, und ich versuchte ihr Hotelzimmer zu verlassen, als es sich zutrug. Sie hatten natürlich getrunken. Als Manager war es mir immer lieber, wenn meine Bandmitglieder kifften, anstatt sich mit Whiskey volllaufen zu lassen. Auch wenn Gras illegal war, führte es im schlimmsten Fall höchstens zu einer langweiligen Unterhaltung. Doch sobald Alex und Edward soffen, war es nur eine Frage der Zeit, bis wieder alte Wunden der Geschwisterrivalität aufgerissen wurden.

      Wir waren damals alle im Hotelzimmer herumgesessen, hatten getrunken und gequatscht. Plötzlich starteten Edward und Alex ihre eigene kleine Diskussion, mit deren Thema ich absolut nicht vertraut war. Ich meine damit eigentlich, dass ich kein Wort verstand, da sie anfingen, sich auf – wie ich später erfuhr – Niederländisch anzuschreien, der Sprache ihres Mutterlandes. Das war einer der seltsamsten Vorfälle, die ich jemals sah. Diese beiden üblicherweise gelassenen südkalifornischen Rocker, die sonst in einer Art bekifftem Surfer-Kauderwelsch sprachen, standen schlagartig Nase an Nase, spuckten und fauchten und knurrten sich in einer anderen Sprache an, als ob sie plötzlich besessen wären. Ich trat den Rückzug an, als sie immer lauter wurden. Es war einfach ein bisschen zu verrückt und erbärmlich, sogar im Kontext des Rock ’n’ Roll. Doch noch bevor ich es zur Türe geschafft hatte, gingen sie sich schon gegenseitig an die Gurgel, schlugen sich ins Gesicht, zogen sich an den Haaren und rollten über den Fußboden wie besoffene Idioten.

      Als wir sie trennten, dachte ich mir nur: Ach du heilige Scheiße … da habe ich es ja mit ein paar völlig Irren zu tun.

      Die Wahrheit ist eigentlich sowohl einfacher als auch komplizierter. Wenn man die Geschichte der Brüder Van Halen gerne romantisieren möchte, kann man auf die angeblich so kosmopolitische und künstlerische Erziehung der Jungs durch ethnisch unterschiedliche Eltern mit kreativer Ader verweisen. Auf dem Papier trifft dies zu. Doch die andere Seite der Medaille offenbarte, dass sie aus einer völlig gestörten Familie stammten, die ihnen weder emotionale noch finanzielle Stabilität bot.

      In mancherlei Hinsicht wurden sie sehr schnell erwachsen. Sie benahmen sich aber auch noch weit ins Erwachsenenalter hinein wie Kinder. Immerhin klärten Kinder ihre Auseinandersetzung ebenfalls durch körperliche Aggression. Und auch wenn die beiden sanft und hager wirkten, so verströmten Edward und Alex dennoch die Aura von Leuten, die viel Zeit auf der Straße verbracht hatten. Ich hatte schon viele solcher Leute getroffen und war dieser Art von Verhalten schon selbst zum Opfer gefallen, doch ich war dann doch überrascht, es bei den Van Halens zu sehen.

      Ich wurde nur ein paar Mal Zeuge, wie die beiden handgreiflich wurden, und es endete