Nané Lénard

SchattenHaut & SchattenWolf


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an. Und so ein Duft beschleunigte den Vorgang.

      Hetzer kam mit Glas und Flasche zurück. Er schenkte Kruse ein und sich selbst nach. Er war froh, jetzt nicht allein sein zu müssen. Das lenkte von den Gedankenspiralen ab.

      „Warst du eben schon mal hier?“

      „Nö, wieso?“

      „Kurz bevor du gekommen bist, haben Gaga und Emil ein Mordsspektakel gemacht. Da dachte ich, du hättest vielleicht schon mal geklingelt und ich hätte nichts gehört, weil ich in der Küche war oder so.“

      „Nee, das war ich nicht. Ich bin jetzt erst gekommen. Aber ich glaube, es steht bei dir was vor der Tür. Das wollte ich dir eben schon sagen. Ich hab es nur im Angesicht des vierbeinigen Feindes vergessen.“

      „Ach so, was denn?“

      „Ein Topf oder eine Auflaufform oder so. Wenigstens sah es so aus.“

      „Ach, das wird Moni gewesen sein – meine Nachbarin. Sie stellt mir manchmal was zu essen vor die Tür, wenn sie Eintopf macht. Das könne man nicht in so kleinen Mengen kochen, meint sie. Für sie allein lohne es sich nicht. Dann brauche ich ja morgen nicht zu kochen. Ich hole den Topf nachher rein. Da steht er ja schön kühl. Prost Peter!“ – „Prost Wolf!“

      Hetzer setzte das Glas ab und begann seine inzwischen wieder lauwarme Paprika zu essen.

      „Du“, sagte Peter, „es hat noch einen weiteren Grund, dass ich hier bin, nicht nur, um dir deinen Rosé wegzutrinken. Du weißt doch, dass ich Hinz und Kunz kenne in Rinteln und auch einige von Benno Kuhlmanns Spezis aus der Politikerszene. Ich weiß jetzt noch ein sehr delikates Detail aus seinem Leben. Ich habe quasi eine inoffizielle Befragung in Kleinenbremen durchgeführt, bevor ich zu meiner Mutter gefahren bin.“

      Peter Kruse grinste geheimnisvoll und nahm noch einen Schluck Wein.

      „Nun mach es doch nicht so spannend!“

      „Ich weiß jetzt, wer Bennos Geliebte ist – oder sind.“

      „Hä?“

      „Na ja, es ist ein Paar. Der Kerl ist bi.“

      „Gibt’s doch nicht! Der predigt doch andauernd gegen Homosexualität und dergleichen. Also, wenn ich alles geglaubt hätte, aber so etwas bestimmt nicht. Da kann man doch mal sehen, dass man bei den Ermittlungen nichts außer Acht lassen kann, auch nicht das Unwahrscheinlichste.“

      „Ja, aber das Beste kommt noch. Hat mich ein paar Bier gekostet, bis sein Kumpel das ausgespuckt hat. Das geile Pärchen steht im Mittelpunkt des öffentlichen Lebens. Rate mal, um wen es sich handelt?“

      „Mensch Kruse, raus mit der Sprache. Wie soll ich das raten? Das könnten viele sein.“

      „Marlies König, Samtgemeindebürgermeisterin von Exten!“, sagte Peter genüsslich.

      „Ist das nicht der Hammer!“

      „Oh weh, das sollten wir allerdings erst mal unter der Hand weiter recherchieren. Denn falls sie und ihr Mann mit Bennos Verschwinden nichts zu tun haben, würde ich sie gerne aus den Ermittlungsberichten fernhalten. Du weißt doch, Dreck bleibt immer kleben, und wenn das rauskommt, dass die beiden in dieser Weise sexuell aktiv sind, dann sind ihre Tage als Frontfrau von Exten gezählt.“

      „Ja, das wäre schade, denn sie hat viel für die Gemeinde getan. Und ehrlich gesagt: Ich finde, die Gelüste anderer gehen niemanden etwas an. Solange alles immer freiwillig und schön ist für die Beteiligten.“

      „Politische Gegner und die Presse sähen das sicher anders. Aber ich bin deiner Meinung. Da morgen Samstag ist, sollten wir Marlies und ihrem Gatten einen kleinen Kaffeebesuch aufnötigen.“

      „Vielleicht war da doch Eifersucht im Spiel?“, überlegte Peter.

      „Wenn aus der Lust Gefühle geworden sind oder einer der drei nur gemeint hat, da wären welche.“

      „Meinst du denn, sie haben ihn umgebracht und versteckt? Oder einer von beiden?“

      „Oder sie halten ihn gefangen, als Lustsklaven!“ Peter lachte. „Keine Ahnung. Es ist nur eine weitere Spur. Wohin sie führt, wissen wir nicht. So, ich will dann mal auf die Piste. Weck mich morgen nicht, bevor ich dich anrufe!“

      „Ist ja schon gut. Treib dich nicht zu lange rum!“

      Es war halb zehn, als Wolf seinen Kollegen zur Tür brachte.

      „Hier, vergiss deinen Topf nicht!“, sagte Peter und drückte ihn Wolf in die Hand. „Riecht ein bisschen komisch.“

      Das fand Wolf auch und hob den Deckel.

       Bennos Neigungen

      Benno hatte zu Lebzeiten politisch ganz klar Stellung bezogen zur Sexualität und allem, was damit zu tun hatte. Man hätte seine Meinung als erzkonservativ bezeichnen können. Das brachte ihm bei manchen Wählern einen Bonus ein, andere, liberalere Anhänger seiner Partei konnten mit diesen Aussagen wenig anfangen. Benno erklärte eindeutig, dass er von Homosexualität nichts hielt. Die Schwulen und Lesben waren ihm zuwider, vor allem, wenn sie sich öffentlich dazu bekannten und er sehen musste, wie sie sich abschleckten. Dieses erzählte ihnen Marga Kuhlmann, bei der sie auf dem Weg nach Exten vorbeifuhren, um zunächst sie nach Bennos Vorlieben zu befragen.

      „Verzeihen Sie, Frau Kuhlmann, dass wir Sie mit solchen Fragen belasten“, erklärte Hetzer bedauernd, „aber es haben sich Spuren ergeben, die eine solche Nachfrage erforderlich machen.“

      „Ist mein Mann einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Haben Sie einen Verdacht?“

      „Das wissen wir nicht. Hat er sich irgendwie gemeldet oder ist er über Dritte mit Ihnen in Kontakt getreten? Haben Sie irgendetwas über seinen Verbleib gehört?“

      „Nein, gar nichts“, schluchzte Marga. Kruse und Hetzer warteten, bis sie sich wieder gefangen hatte.

      „Bitte sagen sie uns, ob Ihr Mann irgendwelche sexuellen Vorlieben hatte. Sie sagten, dass er den eigenen Geschlechtsgenossen gegenüber abgeneigt war.“

      „Er hätte nie im Traum daran gedacht, sich mit einem Mann einzulassen“, erwiderte Marga empört.

      „Warum auch, bei uns im Bett war alles normal. So wie es sein soll, wenn Mann und Frau sich lieben. Mit der Zeit stehen eben auch andere Dinge im Vordergrund, verstehen Sie.“

      „Ach so, darum hatte er auch mindestens eine Geliebte, von der Sie angeblich nichts wissen.“ Kruse lehnte sich zurück.

      „Es mag da mal die eine oder andere gegeben haben, aber ganz bestimmt nichts Festes oder Verpflichtendes, für das er sein jetziges Leben aufgegeben hätte. Belangloses. Gespielinnen eben, für eine Nacht. Was bedeutet das schon.“

      „Wir haben Kenntnis davon erhalten, dass Ihr Mann eine regelmäßige und intensive Beziehung zu einem Paar aus Exten unterhalten hat.“

      Marga stockte der Atem. Sie wurde bleich.

      „Bitte verlassen Sie sofort mein Haus. Solche schmutzigen Beschuldigungen muss ich mir nicht anhören. Sie wissen nicht einmal, wo mein Mann ist oder ob er noch lebt, aber Sie haben die Unverfrorenheit, solche Behauptungen in den Raum zu stellen. Ich werde mich über Sie beschweren.“

      „Das können Sie gerne tun, Frau Kuhlmann, aber ich an Ihrer Stelle würde es mir noch einmal überlegen. Wir würden diese Tatsache nämlich gerne aus den Ermittlungen heraushalten, wenn sie sich als nicht tatrelevant erweist. Das müsste doch ganz in Ihrem Sinne sein. Darum sind wir auch heute unterwegs, obwohl Samstag ist. Wir wollten nur wissen, ob Ihnen diese Geschichte bekannt ist.“

      „Nein, das ist sie nicht, und ich würde meine Hand für meinen Mann ins Feuer legen, dass er niemals einen Kerl anfassen würde. Nicht einmal einen umoperierten. Von diesen weibischen Schwuchteln hielt er nämlich auch nichts. Alles wider die Schöpfung und die Natur. Und jetzt gehen Sie bitte!“