sah den Mann in die Augen, die von vielen Fältchen umgeben waren. Er wirkte vertrauenswürdig und sehr freundlich. Er lachte.
»Ich sehe, dass sie irritiert sind, aber Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Ich bin der Chauffeur.«
Als er sah, dass Adele fragend die Augenbrauen hochzog, lachte er erneut.
»Ich bin sozusagen ein Faktotum und habe genaue Anweisungen, welche Fragen ich Ihnen noch stellen soll.«
Adele atmete tief durch. Es wurde immer mysteriöser. Die ganze Reise wäre umsonst gewesen, wenn sie falsche Antworten gab, aber sie bestand die Prüfung erneut. Den einzigen Mangel, den er fand, war ihr Alter. Man hatte eine reife Gelehrte erwartet.
Seraphin Gaspard telefonierte eine kleine Weile und dann konnte Adele den Mietwagen stehen lassen.
Mit gemischten Gefühlen stieg sie in die große Limousine.
Wo fuhr Seraphin Gaspard bloß hin? Angeblich würden sie erst in dreieinhalb Stunden ankommen.
Adeles Gedanken wirbelten durcheinander. Sie musste sich ablenken und nahm das Buch aus ihrer Tasche, das Gabrielle ihr auf die Reise mitgegeben hatte. Gabrielle liebte die Romances von Valerie Heart. Die Bücher der Autorin standen immer auf den Bestsellerlisten. Doch das eintönige Motorengeräusch bewirkte, dass Adele nur ein paar Sätze lesen konnte.
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»Mademoiselle … Mademoiselle, wir sind da.«
Adele fuhr erschrocken hoch.
Seraphin Gaspard lächelte.
»Willkommen in der Villa Rose en Provence.«
Benommen stieg Adele aus und blickte auf ein Landhaus, das puren Luxus ausstrahlte, ohne unpersönlich zu wirken.
»Ich sehe, es gefällt Ihnen hier.« Seraphin Gaspard lächelte, führte sie in das Haus und bot ihr in einem weitläufigen und unordentlich wirkenden Raum voller Bücher Platz an.
»Ich gebe Information, dass Sie hier sind und bringe die Koffer auf ihr Zimmer.«
»Vielen Dank.«
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Adele betrachtete den Schreibtisch, auf dem ein Laptop stand, daneben lagen Ordner, Unmengen Papier und Notizen klebten kreuz und quer an einer Pinnwand. Wie bei einem …
Sie konnte den Satz nicht zu Ende denken, denn der alte Holzboden, denn sie schon beim Hereinkommen bewundert hatte, knarrte. Sie drehte sich um und hielt für einen Moment den Atem an.
Der hünenhafte, athletische Mann, mit den kantigen Zügen, der edlen Nase und dem dunklen längeren Haar, der nun vor ihr stand, kam ihr bekannt vor. Als sie in seine Augen blickte - wovon eines bernsteinfarben und eines eine unergründliche Farbe hatte und als sein Signets galt - wusste sie, wen sie vor sich hatte.
Es war der Schriftsteller Julien Roux. Er schrieb einen literarischen Bestseller nach dem anderen, wurde hoch gelobt und hatte schon mehrere Auszeichnungen vorzuweisen.
Seine Blicke waren kritisch.
»Ich bin Adele Nouvel«, sagte sie so belanglos wie möglich, obwohl sie plötzlich von einer inneren Unruhe ergriffen war.
»Ich bin Julien Roux, ihr Arbeitgeber."
Adele nickte.
»Seraphin hat Ihnen sicher mitgeteilt, dass ich eine Bewerberin mit Erfahrung erwartete, aber sie haben alle Hindernisse überstanden und ich bin bereit es mit Ihnen zu versuchen.«
»Ich habe Erfahrung und werde mein Bestes geben.«
Er setzte sich hinter den Schreibtisch, schob die Ordner und das Papier zu einem chaotischen Berg und zeigte auf den gepolsterten Fauteuil, auf dem sie Platz nehmen sollte.
»Die lange Reise war sicher anstrengend, aber bevor ich Ihnen ihr Zimmer zeige, möchte ich kurz Ihre Tätigkeit erläutern.«
Adele war fasziniert. Er selbst würde ihr das Zimmer zeigen?
»Das Buch, an dem ich derzeit arbeite, wird unter meinem Pseudonym erscheinen. Für gewöhnlich arbeite ich sehr früh bis Mittag und am Nachmittag noch einmal einige Stunden. Diese Arbeitszeit variiert manchmal, daher werde ich Ihnen immer am Ende des Tages Auskunft geben, was ich am nächsten Tag vorhabe, damit Sie sich alles einteilen können. Einen Tag können Sie frei haben, aber informieren Sie mich rechtzeitig. Manchmal wird es vorkommen, dass Sie den Tag ändern müssen. Sie werden also sehr ausgelastet sein. Wenn Ihnen etwas nicht behagt, sagen Sie es jetzt. Danach möchte ich ohne Unterbrechungen und unnötige Diskussionen arbeiten.«
Exakte Regeln. Das Gehalt war nicht umsonst so hoch.
»Ich habe alles verstanden.«
Er überreichte ihr einen Ordner.
»Morgen schreibe ich sehr früh an einem neuen Kapitel. Ich habe Ihnen einige Notizen gemacht. Lesen Sie das Exposee und die folgenden Kapitel durch, damit Sie wissen um was es sich handelt. Sie müssen sich voll und ganz dem Inhalt hingeben. Ich erwarte ein besonderes sprachliches Feingefühl. Neben meinen Schreibraum, ist ein best ausgestattetes Büro für Sie bereit. Das ist vorerst alles und nun führe ich Sie zu Ihren Räumlichkeiten.«
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Adele genoss auf der Terrasse die eindrucksvolle Aussicht. Nur Natur, kein weiteres Haus weit und breit. Das Wasser des riesigen Swimmingpools glitzerte in der warmen Morgensonne verführerisch und lud zum Schwimmen ein.
Konnte das alles war sein? Adele, du arbeitest für den berühmten Autor Julien Roux. Bei dem Gedanken erinnerte sie sich daran, dass sie mit der Arbeit beginnen sollte. Plötzlich sah sie aus dem Swimmingpool einen Kopf auftauchen.
»Guten Morgen«, rief Julien. »Ich hoffe, Sie hatten eine gute erste Nacht?«
Er kam aus dem Wasser und auf seinem braun gebrannten Körper funkelten die Wassertropfen.
»Guten Morgen, ja danke.«
»Ich muss weiterarbeiten«, sagte er sichtlich in Eile und betrachtete sie für einen Moment so intensiv, dass Adele glaubte die Blicke würden sie berühren.
»Sie können den Swimmingpool benutzen, wenn Sie wollen«, sagte er und ging davon.
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Adele hatte auf der Terrasse gefrühstückt und saß nun in ihrem Büro, das tatsächlich alle Bequemlichkeiten besaß. Ein Duft nach Lavendel drang durch das große Fenster und das Kristall-Windspiel davor, verbreitete sanfte Töne. Sie wollte gar nicht daran denken, dass ein Jahr schnell um war, und sie diesen Ort wieder verlassen musste.
Adele las den Titel des Exposees. Witches magic lautete der Arbeitstitel des Romans, welcher zur Zeit der Hexenverfolgung handelte. Dann begann sie das erste Kapitel zu lesen.
Er hatte, wie sie von seinen anderen Romanen schon wusste, eine perfekte Erzählsprache, aber dieser Roman war ein gänzlich anderes Genre. Es war eine Romance. Adele atmete tief ein, als sie weiter las:
– Er umgarnte sie und spürte das prickelnde Verlangen diese Frau zu besitzen. Seine Lippen liebkosten ihren Hals und wanderten an den Rand des Spitzen besetzten Schnürmieders. »Was hast du mit mir gemacht, Hexe?«
»Ich mache gar nichts. Du bist es, der seine lodernden Wünsche hervorkehrt.«
Seine Zunge hinterließ zuckersüße Spuren auf ihrer zarten Haut. – Eindeutig würden in diesem Roman erotische Szenen vorkommen. Adele las nun das ganze Exposee und fand das Pseudonym. Julien Roux der große intellektuelle Literat, steckte hinter dem Pseudonym für erotische Romane?
Als Julien unerwartet in den Raum kam, versuchte Adele ihre brennenden Wangen zu verbergen.
»Haben Sie das Exposee gelesen?«
»Ja, und das erste Kapitel. Sie sind Valerie Heart?«
Er grinste.
»Ja. Und … sind Sie nun entsetzt? Sie kommen doch damit klar, oder?