Gisela Sachs

Vorsicht! Mann in Wechseljahren


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      »Ich werde euch vermissen«, murmele ich mit einem letzten Blick auf den Chiemsee.

      »Wir sollten einkaufen gehen«, sagt mein Mann, kaum dass wir um die Ecke gebogen sind. Die Farben seines LieblingsSupermarktes leuchten schon von weitem. Gelb! Rot! Blau! Mir schwant Böses. Mein Mann ist begeistert.

      »Egal wo du bist, Frau, du brauchst nur ins passende Regal zu greifen und hast dein Gewohntes, ohne lange herumsuchen zu müssen. Ist das nicht fabelhaft, Frau?«

      »Ich heiße Margit!«

      Er klatscht sich mit der flachen Hand an die Stirn, streift sich mit gespreizten Fingern durch die Haare, kneift seine Augen zu Schlitzen und stöhnt. »Du bist ja immer noch zickig, Frau!«

      Er brüllt schon an der Eingangstüre. »Eier, Zucker, Mehl, brauchst du das, Frau?«

      Vor uns, ein junges Paar, das sich suchend umschaut. Sie sind sich unschlüssig, ob sie die Eier von glücklichen Hühnern oder die von den weniger glücklichen, aber zum halben Preis nehmen sollen. Die junge Frau hat eine grün gestreifte Tragetasche um ihre Hüfte gebunden, statt Baby lugt aber ein Dackelkopf heraus. Der Dackel zuckt zusammen, als mein Mann »Kartoffeln, Karotten, Salat, brauchst du das, Frau?«, durch den Verkaufsraum brüllt.

      Wir treffen uns an der Tiefkühltruhe wieder. Der Hund kuschelt sich eng an sein Frauchen, als er die Stimme meines Mannes vernimmt.

      »Milch, Butter, Wurst, brauchst du da was, Frau?«

      Die junge Frau streichelt beruhigend über den Kopf des Tierbabys. »Ist nur ein alter Mann, Hundie.«

      Er begibt sich bedächtig Richtung Kasse, wartet, bis die Menschenschlange lang, aber nicht allzu lang ist, vergewissert sich, dass er genügend Zuschauer hat, packt die Lebensmittel auf das Band, verweigert meine Mithilfe und sieht sich beifallheischend um. Alle sollen sehen, wie gut ich es mit ihm getroffen habe. Jetzt kommt mein Einsatz, bietet sich mir endlich die Gelegenheit, meine gewünschten Lebensmittel zu holen, und ich sprinte nach hinten, hole mir alles wieder, was mein Mann aus dem Wagen und in die Regale zurückgelegt hat, hechte nach vorne ans Kassenband, ignoriere die erbosten Blicke der jungen Frau mit dem Dackel und lege meine Sachen neben den Einkauf meines Mannes.

      »Gehören Sie zusammen?«, fragt die Kassiererin.

      »Bis jetzt noch«, antworte ich mit einem kurzen Seitenblick auf meinen Mann.

      »Das fängt ja gut an, noch nicht einmal zu Hause angekommen, fängst du auch schon wieder an zu rebellieren, Margitchen. Die Frauen heutzutage …«

      »Das Telefon läutet«, sagt er, als ich die Haustür aufschließe. Ich nehme den Hörer ab und erkenne sofort die rauchige Stimme meines Kur-Kumpels Herbert.

      »Ich habe Probleme mit meiner Frau, Margitchen«, klagt er.

      »Massive Probleme, Margitchen. Ich muss dringend mit dir darüber reden.«

      »Hm.«

      »Wir haben uns doch in der Kur so gut verstanden, Margitchen, und …«

      »Herbert, ich komme gerade zur Haustür herein, bin noch nicht einmal ausgezogen, muss meinen Einkauf verstauen und …«

      »Du hast keine Zeit für mich, Margitchen?«

      »Im Moment nicht, Herbert.«

      »Ach? Ich rufe dich in 10 Minuten noch einmal an, Margitchen!«

      »Ich bin voll beschäftigt, Herbert, muss meine Schmutzwäsche versorgen, die Einkäufe verstauen, Essen zubereiten, meine Kinder kommen in einer knappen Stunde und …«

      Herbert hüstelt, ist beleidigt und legt auf.

      Der nächste Anrufer ist Martin. Ich hatte an unserem Kennenlern-Tag schon bemerkt, dass er der Gruppe etwas verheimlichen will. Einmal in der Woche, meist montags, kam er mit einer Apothekertüte in den Speisesaal, verstaute diese umständlich unter dem Tisch, legte sorgfältig seine Serviette darüber und suchte unmittelbar nach dem Essen die nächste Toilette auf.

      »Du, Margit, wir haben uns doch in der Klinik so gut verstanden«, beginnt er das Gespräch. »Jetzt ist es Fakt, ich lasse mich scheiden, Margit. Meine Frau und ich passen einfach nicht zusammen. Wir haben uns in verschiedene Richtungen entwickelt, das habe ich jetzt ganz klar erkannt. Dr. Maier hatte recht. Mir geht es scheiße, Margitchen. Das Haus wird drauf gehen und Else wird den Hund bekommen. Ohne meinen Fips ist mein Leben aber nichts mehr wert, ich liebe meinen Hund mehr als alles Andere auf dieser Welt. Schade, dass meine erste Frau so früh verschieden ist.«

      Er schnäuzt sich. »Meine erste Frau war so eine gute Frau, Margitchen, nicht so eine Schindmähre wie meine Jetzige …«

      »So schlimm kann es doch gar nicht sein, Martin. Du bist doch eben erst zu Hause angekommen.«

      »Du willst nicht mit mir reden, Margitchen?«

      »Nicht jetzt, Martin. Ich habe Hunger, muss meine Einkäufe auspacken, Wäsche waschen und …«

      Martin legt auf. Drei Minuten später ruft Siggi an.

      »Es tut so gut deine Stimme zu hören, Margitchen«, flötet er in den Hörer. Er versucht seine Stimme sexy klingen zu lassen. Das hat er in der Klinik schon erfolgreich bei den Putzperlen ausprobiert. Siggi ist ein solariumgebräunter, schmuckbehangener Draufgänger.

      Er fährt ein Mercedes Cabrio, trägt am linken Ohr einen goldenen Brilli, wechselt seine Hemden stündlich, lässt die obersten drei Kragenknöpfe offen, krempelt die Ärmel bis zum Ellbogen hoch und trägt vorzugsweise hautenge Designerjeans. Er erzählt mir minutenlang das Dilemma seiner psychosozialen Belastungen.

      »Ich bin gerade heimgekommen, Siggi, habe Hunger, muss Wäsche waschen und …«

      »Du willst nicht mit mir reden, Margit?«

      Siggis Stimme klingt erstaunt. »Wo wir uns doch in der Kur so großartig verstanden haben, Margitchen.«

      »Jetzt nicht, Siggi, ich habe zu tun!«

      Siggi legt auf, ohne sich von mir verabschiedet zu haben. Ich bin nicht sonderlich erstaunt, als eine Stunde später mein KurKumpel Jürgen anruft. Er wohnt in der gleichen Stadt und will mit mir Kaffee trinken gehen, macht er kund. Ins Insel-Hotel.

      »Ich lade dich ein«, sagt er großzügig.

      »Jürgen, ich muss meine Wäsche in Ordnung bringen, die Einkäufe verstauen. Meine Kinder kommen nachher vorbei und …«

      »Du hast keine Zeit für mich, Margitchen?«

      Ich höre, wie er die Luft durch seine Nase zieht.

      »Wo wir uns doch in der Kur so blendend verstanden haben, Margitchen.«

      »Heute leider nicht. Mach’s gut, Jürgen. Bis demnächst einmal.«

      »Bis demnächst einmal? Was soll denn das heißen, Margitchen?« Ich lege den Hörer auf die Gabel, bevor es Jürgen tut.

      »Meine Frau ist unberechenbar und launisch«, meint Harald mit dem Eincreme-Tick. »Die versteht mich nicht.«

      In der Leitung rauscht und knistert es.

      »Ich kann dich nicht verstehen, Harald«, sage ich.

      »Du auch nicht, Margit? Wo wir uns in der Klinik doch so gut verstanden haben? Das verstehe ich jetzt überhaupt nicht, Margit.«

      »Harald«, sage ich, rufe doch den Herbert, den Martin, den Siggi oder einen von den anderen Männern an. Ihr seid in etwa gleichem Alter und …«

      »Du willst mir nicht helfen, Margit? Eigentlich hätte ich mir das gleich denken können. Ihr Frauen seid doch wirklich …«

      Ich lege den Hörer auf die Gabel, fange an, die Einkäufe zu verstauen, putze den Salat und stelle das Wasser für die Nudeln auf die Herdplatte. Ich atme tief durch, als das Telefon von neuem läutet.

      Ulli ist erstaunt, als er erfährt, dass Herbert, Martin, Siggi, Harald und Jürgen auch schon