Kate O'Brien

Wolken über Spanien


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unsicheren Seite zeigt, was den Weiden und der gemischten Landwirtschaft gut bekommt, scheint es vernünftig gewesen zu sein, sich treu wie die Pfarrkirche an handfeste romanische Strenge und Robustheit zu halten und sie durch gezielte Vorschläge des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts in Form von Balkonen, Arkaden und geschützten Höfen zu mildern, denn die Sonne, so oft sie sich hier zeigt, muss genutzt und genossen werden. Wie makellos erweist sich doch in diesen Dörfern die jahrhundertealte Geschicklichkeit, mit der die Bauern dem Grau, Blaugrau und Blaugrün des Landes, dem toten Putz der parroquia mit einer Mischung aus bläulicher Kalkfarbe und weißlichem Blau begegnen! In dieser Gegend kann man Hofeinfahrten sehen und an den Bauernhäusern Veranden, die einen so vollkommenen und schönen Eindruck machen, dass man angesichts ihres Alters, weswegen sie in absehbarer Zeit unweigerlich ersetzt werden müssen, besorgt aufstöhnt. Denn auch hier in Spanien ist man vom obligaten Baufieber befallen und zwar genauso schlimm – ich benutze absichtlich dieses Wort – wie anderswo. Auf der ganzen Halbinsel baut man erbärmliche Häuser –, und selbst dort, wo noch einigermaßen ordentliche Häuser entstehen, sind sie nicht das Gelbe vom Ei, wenn man mich fragt. Wir reden heutzutage ständig von Funktionalismus, als ob wir ihn erfunden hätten – um Himmels willen –, wo wir nichts anderes tun, als ihn uns unter den Nagel zu reißen. Wir denken, dass eine 1936 in Wladiwostok gebaute Schuhfabrik, vorausgesetzt, dass sie so aussieht und arbeitet, wie man es von einer Schuhfabrik erwartet, nicht anders sein sollte, wenn sie in Torquay gebaut wird, angenommen, man bräuchte dort eine Schuhfabrik. Wir trennen die Funktion völlig von ihren äußeren Bedingungen. Und damit hoffen wir, die Welt internationaler und einheitlicher zu machen, und sie, wie ich meine, in eine Zwangsjacke zu stecken. Um Himmels willen! Im achtzehnten Jahrhundert wussten die Engländer eine Menge über die Funktion eines Hauses, bezogen auf England. Ebenso wie die spanischen Feudalherren der Renaissance, bezogen auf Kastilien. Und auch wie viele Amerikaner des zwanzigsten Jahrhunderts, und wenn die Welt noch eine Weile durchhält, werden sicher ein paar weitere gute Methoden gefunden, um Häuser für spezielle Bedingungen zu bauen. Ich bin aber der Meinung, dass es für die Vielzahl der Möglichkeiten, ein Haus, einen Laden oder eine Garage zu gestalten, eine Grenze geben muss. Und daher fürchte ich die Konsequenzen, wenn man zulässt, dass friedliche Regionen auf der ganzen Welt durch Armeen von Massenware produzierenden Kitschfabrikanten ihres traditionell guten Geschmacks beraubt werden, Fabrikanten, die den Ängstlichen und Ahnungslosen im Laufe einer Generation ungeniert Grundvorstellungen nehmen, die sich ganz selbstverständlich über Hunderte von Jahren gehalten haben, um ihnen dafür ein paar Ideen zu geben, die höchstwahrscheinlich überall verfehlt wären und zehn zu eins so, wie und wo sie zur Anwendung kommen, schlicht unsinnig sind.

      Die Leute der Montaña könnten ihre neuen Häuser jetzt gut selber bauen, so wie es ihre Vorfahren getan haben, wenn man sie nur machen ließe. Nicht in sklavischer Nachahmung, sondern indem sie aus sich selbst heraus, ohne Getue, ihre Idee eines angemessenen Hauses für die Montaña umsetzen. Es gibt jedoch keine Spur von Hoffnung, dass es dazu kommen wird. Gräuel sprießen überall hervor – unsere scheußlichen neuen Ideen sind weit verbreitet –, Gräuel und Bastarde, ohne Stabilität und Bestand oder eine Spur von Grazie oder Frische. Überall sieht man Gemäuer aus allen möglichen absurden Backstein- und Ziegelarten, die von Gott weiß woher in das Land des Granits und Sandsteins geschafft wurden.

      Gerade fahren wir durch Torrelavega – eine kleine, wüste Industriestadt in einem ausgedehnten, schlammfeuchten Tal. Praktisch im Besitz eines belgischen Unternehmens, das die ein oder andere Chemikalie aus dem Flussbett gewinnt. Das belgische Unternehmen hat hier Häuser für seine belgischen Angestellten und Vorarbeiter gebaut. Damit sie sich mehr wie zu Hause fühlen. Komische kleine Reihen flacher, schmaler Häuser aus rotem Backstein, mit schieferfarbenen Fensterläden. Genau dieselben kleinen flachen Häuser, wie man sie vom Zug aus in den eintönigeren Vororten von Brüssel und Antwerpen sieht. Häuser, die ordentlich an einer ordentlichen Straße in einem ordentlichen kleinen Land stehen. Sie wirken exiliert und machen einen kläglichen Eindruck, hier in diesem lehmigen, fruchtbaren spanischen Tal. Torrelavega selbst ist ein armer und verlorener Ort, doch stabil gebaut, geräumige Arkaden umsäumen den großen Platz, seine Arbeitercafés sind großzügig bemessen und warm. Und wenn im Winter der Regen über das offene Terrain fegt und Platanen auf die Dächer schlagen, wird, so nehme ich an, bei den Belgiern, die durch den Schlamm in ihre kleinen, gebrechlichen Häuser schleichen, der Verdacht aufkommen, dass die wilden Spanier in ihren alten, schäbigen Gebäuden mit den dicken Mauern, den ausladenden Vorbauten und tiefliegenden Fenstern mehr Wärme und Geborgenheit vorfinden als sie.

      Sei’s drum – in einer Minute sind wir in Santillana, wo seit Langem kein Stein mehr auf den anderen gesetzt wurde.

      23Letzte Zeile aus Rudyard Kiplings Gedicht The Ladies (1922): »For the Colonel’s Lady an’ Judy O’Grady / Are sisters under their skins!«

      24John Nash (1752–1835), ein englischer Architekt, entwarf zunächst Landhäuser, arbeitete mit Landschaftsarchitekten zusammen und erhielt 1811 vom späteren König George IV. den Auftrag, das heutige Stadtgebiet Marylebone Park in London neu zu gestalten.

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