Kate O'Brien

Wolken über Spanien


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für das Postkartenspanien fanden, nach dem sie gesucht hatten.

      Aber die Erinnerung an diese untadelige Stadt wird langsam langweilig. Zeit, den Touristen und dem quirligen Paseo zu entfliehen, der sich breit und lang zwischen den Hafenbecken und den hohen, mit Balkonen besetzten Häusern erstreckt. Zeit, diesem verflixten Musikpavillon zu entfliehen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Spanier nach Lärm dürsten. Sie können nie genug davon bekommen. Was sonderbar ist, wenn man bedenkt, wie auffallend ruhig sie sind und wie leise sie sprechen, Mann für Mann. (Nicht Frau für Frau. Die spanischen Frauen sind von Natur aus Rowdies, sie mögen mir das verzeihen.) Man findet keinen spanischen Mann, der einfach nur zum Vergnügen Lärm macht. Ein Grund dafür könnte sein, dass man ihn nie betrunken sieht; die Spanier sind die nüchternsten Menschen, die man sich nur vorstellen kann – wenn aber mehrere oder auch nur ein paar von ihnen zusammenkommen, wird irgendwie oder aus einem nur ihnen bekannten Grund Lärm gemacht. Sie produzieren ihn nicht selbst – sie sorgen dafür, dass er gemacht wird. Menschengruppen, das Geklingel der Straßenbahnen, Pfeifkonzerte, Autohupen, Akkordeons, Frauen – und jetzt noch ihre allgegenwärtigen Lautsprecher. Ich glaube, es gibt keinen einzigen Baum mehr in Spanien, an dem nicht so ein fürchterlicher altavoz befestigt ist. Sie sind verrückt nach Radio. Es ist äußerst schwer, sie zu einem vernünftigen Umgang damit zu bringen, ohne ihnen großen Kummer zu bereiten.

      Die Toiletten in Santillana sind in Ordnung, wenn man weiß, wo man sie findet und ein paar Peseten hat. Doch selbst, wenn das nicht der Fall wäre, man würde Santillana ganz gewiss verzeihen. Dieser Stadt müsste man selbst dann noch verzeihen, wenn sie ihre altavoces noch rund um das Sanktuarium der Collegiata befestigte. Ich wünschte, ich hätte Harry und seine Frau nach Santillana mitgenommen – obwohl Architektur nicht ihr Fall zu sein schien, und der Ort nichts anderes ist als ein verregnetes, zerbröckelndes, schmutziges Museum aus romanischen und Renaissancegebäuden.

      10Es handelt sich um die maurischen Einheiten, die »Regulares«, ein Elitegroßverband des spanischen Heeres, damals rekrutiert aus der einheimischen Bevölkerung von Spanisch-Marokko, die im Spanischen Bürgerkrieg (Juli 1936 – April 1939) auf Seiten der faschistischen Aufständischen unter Francisco Franco (1892–1975) kämpften.

      11Alice Meynell (1847–1922), englische Dichterin, Schriftstellerin und Literaturkritikerin.

      12Der »melancholische Jaques«, eine Art Anti-Narr, ist eine der Hauptfiguren in Shakespeares um 1599 verfasster Komödie Wie es euch gefällt.

      13Der englische Schriftsteller und Journalist Gilbert Keith Chesterton (1874–1936), bekannt vor allem durch seine Kriminalromane um »Pater Brown«, setzte sich zu seiner Zeit so intensiv mit modernen Philosophien und Denkrichtungen auseinander, dass seine Denkweise plakativ als »geistiger Husarenritt« bezeichnet wurde.

      14Manuel Azaña y Diaz (1880–1940), von Mai 1936 bis April 1939 zweiter und letzter Präsident der Zweiten Spanischen Republik.

      15Ricardo Samper y Ibañez (1881–1938) war vom 28. April bis zum 4. Oktober 1934 spanischer Ministerpräsident mit der Confederación Española de Derechas Autónomas, der Spanischen Konföderation der Autonomen Rechten.

      16Die »Torera« Juana oder Juanita Cruz (1917–1981) gilt als Pionierin der weiblichen spanischen Stierkampfkunst. Mit 15 kämpfte sie zum ersten Mal in der Arena und erhielt gleich darauf Auftrittsverbot durch die Regierung. Zwei Jahre später hatte sie sich unter Berufung auf die spanische Verfassung – Gleichberechtigung der Geschlechter und freie Berufswahl – durchgesetzt.

      17Anspielung auf die britische Schriftstellerin Daphne du Maurier (1907–1989),