Kate O'Brien

Wolken über Spanien


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Kultur, ihrem uransässigen und unbeschreiblichen Glauben befürworten. Spanien muss verschwinden, sagt Don Ángel, es muss den Märtyrertod sterben, es muss in Blut ertränkt werden. Ich brachte gerade genug Spanisch zusammen, um ihm zu widersprechen, aber der Journalist aus Saragossa schüttelte nur den Kopf. Die anarchistische Idee bringt keinen nüchternen Spanier aus dem Konzept. Und während Don Ángel weiterredete, von Dezentralisierung, von der Beseitigung der Obrigkeit und ihrer Symbole, von Lenins schweren Vergehen, von der Bedeutung eines jeden einzelnen Menschen und der Herrlichkeit und Freiheit des Todes sprach, dachte ich weiter über den Katholiken Chesterton nach und darüber, wie man ebenso an Anarchie wie an die Idee des Katholizismus glauben kann, schlicht und einfach deshalb, weil es unmöglich ist. Wie ein Mensch in Christus vernarrt sein mag, so mag er auch in seinen Mitmenschen vernarrt sein, und wenn er verrückt ist nach der Liebe zu Gott, so auch verrückt nach der Liebe zum Menschen. Credo quia absurdum – ich glaube, weil es absurd ist – ein tautologisches Axiom. Du glaubst nicht an den Faschismus. Du hast ihn vor Augen, und es ist schwer, so mystisch damit zu verfahren wie der ältere Herr, der eine Giraffe betrachtete und heftige Zweifel an ihrer Existenz äußerte. Du kannst den Faschismus mögen, wenn es das ist, was du magst. Aber du musst dich nicht dazu zwingen, an ihn zu glauben. Genauso wenig musst du an den Kommunismus glauben. Aber, wie Don Ángel sagte, niemand hat je das Reich Gottes gesehen. Keine menschliche Institution hat je den Beweis dafür erbracht, deshalb kann man nur daran glauben. »Es wird Tote geben, und Blut wird fließen«, sagte Don Ángel sehr freundlich. Und der Gentleman aus Saragossa, ein besorgter Anhänger von Azaña14, schien mit ihm einer Meinung zu sein.

      Und im Hotel – wir lachten über zimperliche alte Damen aus Barcelona mit ihren katalanischen Banditengeschichten, wir sprachen mit dem gebildeten Don Perú über französische Literatur, wir hörten teilnahmsvoll zu, wenn uns Consuelo, das hübscheste Zimmermädchen, das je einen Staubwedel in der Hand hatte, von ihrem Bräutigam in den baskischen Bergen erzählte, von seiner Konditorei und seiner Mutter und von der Hochzeit, die zu Ostern geplant war. Und wir diskutierten mit enttäuschten Touristen und versuchten, sie auf genüssliche Wege zu lenken.

      Einige hatten ihr Vergnügen. Es gab einen Engländer und seine Frau, die ihr Vergnügen daran hatten, sich nicht zu vergnügen. Und einen Iren und seine Frau, die gerade begannen, die Zeit zu genießen und sich wie Urlauber zu fühlen, als ihr unbarmherziger Dampfer eintraf, um sie nach Hause zu bringen. Aber sie waren eben keine normalen Kurzreisenden. Erstens hatten sie mehr als einen Monat Zeit, und zweitens – sie kamen aus Dublin – waren sie freundlich gesinnt und geneigt, das Leben so nehmen, wie es kam. Anfangs waren sie scheu. Die Gäste, die Señora, der Portier, der Page, die reizende Consuelo, wirklich alle saßen sie auf der Veranda und unterhielten sich, sofern es nichts anderes zu tun gab, was das Kommen und Gehen für einen Fremden, der die Skala aller Arten von Begrüßungen und Höflichkeiten durchlaufen musste, ohne durch Besseres als ein Lächeln oder ein vages si oder ah gewappnet zu sein, durchaus unangenehm machen konnte. Harry, der Ire, fragte mich eines Tages ziemlich gereizt: »Warum fangen sie immer an, über Hochzeiten zu reden, wenn sie meine Frau und mich sehen?« Das Ola! Qué tal el matrimono? der alten Señora hieß nichts anderes als »Hallo! Wie geht’s dem Ehepaar?«. Auf Englisch mag das ein wenig anzüglich klingen, im Spanischen dagegen in keiner Weise, aber bei Harry kam es so an, als wolle sie mit ihm eine Diskussion über das Verheiratetsein führen. Harry und seine Frau kamen aber gut mit den Spaniern aus, und es war schön zu sehen, wie munter sich der Mann mit den fünf oder sechs Brocken, die er gelernt hatte, verständigen konnte.

      Die beiden waren unternehmungslustig. Sie machten sich zu Picknicks auf, nahmen die Fähre nach Pedrosa, fuhren nach Solares und weiß Gott wohin. Sie bereiteten ihren Tee in Maisfeldern und Eukalyptuswäldern zu. Sie saßen in Tavernen und lernten von Arbeitern, wie man Wein aus der langen Tülle des porrón trinkt. Sie begleiteten die Señora und mich in den Zirkus, und noch immer höre ich amüsiert Harrys Stimme, als er der alten Dame gegenüber die Limousine lobte, die sie für unseren Ausflug gemietet hatte. »Chrysler coche – sehr bonito.« Sie gingen zum Tanzen ins Casino. Die schwer zu beschreibende sagenhafte Saison, an die Harry seinen Glauben beinahe schon verloren hatte, fing gerade an, als sie abreisen mussten. Sie verbrachten einen ausgelassenen Tag bei einer Romería in einem der Bergdörfer. (Ein Volksfest für einen örtlichen Heiligen, alles inbegriffen, man kommt und geht, wie und womit man will. Romería heißt Wallfahrt.) Sie kauften einen niedlichen Blaumann als Mitbringsel für ihren kleinen Sohn. Ich half ihnen dabei und hoffe, dass sie ihn immer noch haben, obwohl sie ihren Sohn nun vielleicht lieber nicht mehr darin sehen möchten. Ich fürchte, dass Harry nie auf der Seite der kämpfenden Arbeiter stehen wird.

      Ich hatte bis dahin noch nie etwas über den Stierkampf gelesen, außer bei D. H. Lawrence in Die gefiederte Schlange. Bei meinen Aufenthalten in Spanien hatte ich mich bislang geweigert, mir einen Stierkampf anzusehen. Nun gut, wir gingen hin, Harry und seine Frau, Ruth und ich. Ich erinnere mich, wie ich vor Beginn auf meinem Platz saß und mich kläglich fragte, was in aller Welt mich bloß dazu getrieben hatte, hierherzukommen. Und hörte Ruth, die all den sonnenbeschienenen Flitter ringsum betrachtete, in stiller Verwunderung vor sich hinmurmeln: »Ich bin wirklich in einer spanischen Stierkampfarena.«

      Ehrlich gesagt war es ein schlechter Kampf, obwohl Juanita sich wirklich gut schlug und drei von uns sehr feministisch wurden und sich für sie stark machten. Aber es gab viel törichtes Zeug und einen jungen Matador, der sich blamierte. Schwer zu glauben, dass man nach der Erfahrung jenes Nachmittags Lust gehabt hätte, noch eine Corrida zu sehen. Harry hatte keine mehr. Das stand fest. Er betrachtete die Sache als Sportler, und nach den nationalen Jagdregeln und so weiter lehnte er den Stierkampf als dumm und brutal ab. Ich war interessiert und hingerissen ab dem »Los!«. Ruth war still und, wie ich vermute, verunsichert, aber ihre Fantasie kapitulierte, während sie noch mit sich selbst verhandelte. Harrys Frau war völlig aus dem Häuschen, aufgeregt, begeistert und auch amüsiert, als wäre sie eine Spanierin. Sie ließ sich alles erklären und bejubelte Juanita wie verrückt. Sie mussten am Abend der großen feria mit fünf kompletten Corridas abreisen, worüber sie sich sehr ärgerte. Ich hoffe, sie erinnert sich noch an ihre einzige Novillada und wie sich Harry angesichts der Brutalität der drei ihn begleitenden Damen empörte. Nun, sie fuhren zur festgesetzten Zeit auf ihrem Dampfer davon – »Adiós, el matrimonio!«