gefunden worden. Die Einheimischen wurden von den Neusiedlern nicht vertrieben. Die Alteingesessenen wurden in die griechischen Gemeinschaften integriert, in deren Milieu sie sich akkulturierten und sprachlich assimilierten. Die Hellenisierung der Einheimischen zog sich in Sizilien über mehrere Generationen hin. Am längsten konnten die Elymer im Nordwesten ihre kulturelle und sprachliche Eigenständigkeit bewahren.
Jede Kolonie stellte politisch eine unabhängige Einheit dar, und im Hinblick auf die Verwaltung und administrative Institutionen war die Kolonie ein Modellfall der jeweiligen Mutterstadt. Mittelpunkt einer jeden Stadtgemeinde war das Prytaneum, wo das ewige Feuer zu Ehren der Hestia, Göttin des heimischen Herdfeuers und Schutzpatronin der Heimstatt, brannte. Diejenigen, die ausfuhren, um eine Kolonie zu gründen, führten auf ihrem Schiff ein Kohlebecken mit sich, in dem Feuer vom Hestia-Tempel der Mutterstadt brannte. Das ewige Feuer wurde in das neu erbaute Prytaneum der Kolonie transferiert, wo es als Symbol pan-griechischer Identität bei den Einwohnern das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit mit der Mutterstadt wachhielt.
Die Verflechtung der politischen Interessen von Etruskern und Griechen
Schon im 8. Jahrhundert v. Chr. waren die urbanen Zentren in Etrurien, im etruskischen Kernland, wohl organisiert, und von dort dehnte sich die politische Einflusssphäre in die benachbarten Regionen aus (Abb. 8). Der politische Einfluss der Etrusker war damals bereits deutlich in Latium spürbar, im Gebiet der Latiner, das im Süden angrenzte.
Seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. waren die Geschicke Italiens im Wesentlichen von drei politischen Kräften bestimmt, von den Etruskern und ihrer Expansionspolitik, von den Griechen der Magna Graecia und ihrem Machtmonopol im Süden sowie von der politischen Einflussnahme der Karthager, die die Konfrontation mit den beiden anderen Big Players nicht scheuten. Die Etrusker machten ihren politischen Einfluss sowohl zu Lande als auch zu Wasser geltend. Dies galt ebenfalls für die griechischen Kolonien, die ihre politischen Interessen in Süditalien sowohl auf dem Land als auch auf den Seerouten vertraten.
Abb. 8: Stadtstaaten der Etrusker in Etrurien (Camporeale 2015: 54)
Die Kontakte mit den Griechen in Süditalien entfalteten sich über einen langen Zeitraum. Für die Präsenz der Etrusker im Süden gibt es zahlreiche konkrete Hinweise, u. zw. in Form von etruskischen Handelswaren (Keramikgefäße). Besonders intensiv waren die Kontakte im südlichen Kampanien und rings um den Golf von Neapel. In jener Region sind auch zahlreiche Inschriftenfunde gemacht worden (Albore Livadie 2010: 168 ff.). Bereits in der Anfangszeit der griechischen Kolonisation kam es über die Handelsbeziehungen hinaus zu engen sozialen Kontakten und auch Familiengründungen zwischen Etruskern und Griechen (Turfa 2007: 165).
Im Süden waren die Siedlungen der Griechen und die von Etruskern kontrollierten Gebiete (Etruria campana) eng benachbart. Dem Werk Gelehrte beim Gastmahl (Deipnosophistae XIV, 632A) des Athenaios von Naukratis (um 200 n. Chr.) ist zu entnehmen, dass der Streifen entlang der amalfitanischen Küste, um den Golf von Salerno herum bis hinunter nach Poseidonia (Paestum) als »etruskischer Golf« bekannt war.
Allein die Karthager waren auf dem Festland nicht präsent und unterhielten einige Handelsstützpunkte lediglich auf den großen Inseln, Sizilien und Sardinien. Die eigentlichen Kontrahenten im westlichen Mittelmeer waren in der Frühzeit Etrusker und Karthager. Gegen Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. kam es zu einem Interessenausgleich zwischen diesen beiden Seemächten, die sich zu einer Allianz zusammenschlossen. Dieser Zusammenschluss, als politisches Gegengewicht, richtete sich ostentativ gegen die Macht der aufstrebenden Kolonien Siziliens und motivierte koordinierte Operationen der etruskischen und karthagischen Seestreitkräfte.
Die politische Allianz der Etrusker und Karthager war erfolgreich. In der Zeit zwischen 540 und 535 v. Chr. besiegte eine vereinigte Streitmacht der Etrusker und Karthager von 120 Schiffen einen Flottenverband phokäischer Griechen, die ihre Ansprüche auf ein Monopol der Handelsroute bis an die Südküste Frankreichs sichern wollten. Die griechische Flotte wurde in den Gewässern vor der Ostküste Korsikas, bei Alalia, besiegt. Damit waren etruskische Handelsinteressen mit den Häfen in Südfrankreich gesichert. Damals stand die etruskische Seeherrschaft auf ihrem Zenith, aber nur wenige Jahrzehnte später erlitt die etruskische Flotte entscheidende Rückschläge in der Auseinandersetzung mit den griechischen Seestreitkräften (s. Kap. 6).
Handelsrouten und Handelskontakte
Von den politischen Zentren Etruriens gingen die Impulse für die Erkundung von Routen für den Handel aus. Noch bevor die Griechen anfingen, Kolonien in Süditalien einzurichten, erkundeten die Etrusker die Seewege entlang der Westküste und im Süden, um Italien herum. »Schon immer wurden die Etrusker zu den großen Seevölkern der Antike gerechnet, deren politische, wirtschaftliche und militärische Macht ein weites Gebiet umspannte« (Sprenger/Bartoloni 1990: 19). Angesichts der Herkunft der Vorfahren der Etrusker aus der Region der Ägäis ist deren Vertrautheit mit dem Meer nicht verwunderlich. Die Erkundung maritimer Handelsrouten setzt Know-how im Schiffsbau und Kenntnisse in der Navigation voraus, und beides besaßen die Fachleute in Etrurien. Das Material, aus denen etruskische Schiffe gebaut wurden, war Holz in den beiden Arten Eiche und Nussbaum. Aus Eiche wurde der Rumpf erstellt, und Nussbaum diente für die Rahmenkonstruktion (Pomey 2017).
Die spezielle Handwerkssparte des Schiffsbaus entwickelte ihren Fachwortschatz, ebenso wie die Navigation. Das Vokabular der etruskischen Sprache in diesen Bereichen ist nicht direkt überliefert. Wohl aber ist dieser Fachwortschatz in Teilen tradiert worden. Denn die etruskischen Schiffsbauer gaben ihr Know-how an die Römer weiter, und auch die damit assoziierte Fachterminologie. Im etruskischen Lehnwortschatz für den Schiffsbau im Lateinischen finden sich Elemente sowohl für Flussschiffe als auch für seetüchtige Fahrzeuge (Abb. 9).
Etruskische Lehnwörter im Lateinischen (Nomenklatur des Schiffsbaus und der Navigation):
anc(h)ora, ›Anker‹; über etrusk. Vermittlung aus griech.
ankyra (B 174) antemna, antenna, ›Segelstange, Rahe (waagerechtes Rundholz am Mast zur Anbringung der Segel)‹ (B 174)
aplustra, ›Schiffsknauf‹; über etrusk. Vermittlung aus griech. aphlaston (B 175)
carina, ›Kiel‹ (Ostler 2007: 38)
caudica, ›ein aus einem Baumstamm gemachter Kahn‹ (B 137) corbita, ›langsam fahrendes Transport- oder Lastschiff‹ (B 108)
guberno, ›führe das Steuerruder, steuere‹; über etrusk. Vermittlung aus griech. kybernao (B 209)
prora, ›Schiffsvorderteil, Bug‹ (B 221)
Abb. 9: Etruskische Schiffsmodelle der Frühzeit (Pallottino 2016, Tafel XV und CXXV), a) Vasenbild aus Veii (8. Jahrhundert v. Chr.), b) Freskenbild aus einem Grab der Nekropole von Tarquinia (6. Jahrhundert v. Chr.)
rudens, ›Schiffstau‹ (B 519)
saburra, ›Schiffsand, Ballast‹ (B 463)
sentina, ›Kielwasser‹ (Ostler 2007: 38)
transtrum, ›Querbank; Ruderbank‹ (B 82)
»Vom 7. Jh. v. Chr. an – zweifellos in Zusammenhang