Louise Boije af Gennäs

Blutblume


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verwickelt war?«, fragte er. »Geschäfte, die man besser keiner näheren Prüfung unterziehen sollte.«

      Ich starrte ihn nur an. Dann platzte es aus mir heraus.

      »Du«, sagte ich eiskalt, »wenn es auf diesem Planeten jemanden gab, der durch und durch rechtschaffen war, dann war das mein Vater. Nur weil du offenbar irgendwelche Probleme hast, musst du nicht schlecht über ihn reden. Und ich muss jetzt dringend nach Hause zu meiner Katze!«

      Björn betrachtete mich voller Skepsis. Allein bei dem Anblick bekam ich Bauchschmerzen, also entfernte ich mich mit schnellen Schritten Richtung Djurgårdsbrunn. Aber er holte mich schnell ein.

      »Sara, warte«, sagte er. »Das ist jetzt völlig falsch rübergekommen. Ich weiß doch selbst, was für eine ehrliche Haut dein Vater war. Aber ich glaube, er wurde da in etwas hineingezogen. Gegen seinen Willen.«

      »Und woher willst du das wissen?«, fragte ich, ein wenig außer Atem durch das hohe Tempo.

      »Ich weiß gar nichts«, antwortete Björn. »Ehrlich gesagt, spekuliere ich nur. Aber das würde ich eben gern mit dir zusammen tun, statt allein vor mich hin zu grübeln.«

      Ich blieb auf der Brücke stehen.

      »Weißt du was?«, fragte ich Björn und schaute ihm dabei direkt in die Augen. »Ich bin wirklich dankbar für deine Sorge, aber was Papa angeht, bist du auf der falschen Fährte.«

      Über Björns Schulter sah ich den 69er Bus.

      »Okay«, sagte Björn und hob entschuldigend die Hände. »Du hast sicher recht. Dann scheine ich mich geirrt zu haben und werde dich nicht noch mal behelligen.«

      Ohne zu antworten, überquerte ich die Straße und stellte mich an die Haltestelle. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Björn am Ufer entlang zurückging, den Weg, den wir gekommen waren. Er ging mit zögerlichen Schritten, die Hände tief in den Taschen vergraben. Eine Woge schlechten Gewissens überkam mich, als ich ihn Richtung Wald verschwinden sah.

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      Mitten in der Nacht erwachte ich mit einem Ruck. Mein Herz schlug heftig, ohne dass ich wusste, was mich geweckt hatte. Aber dann ertönte es wieder: ein lang gezogenes Heulen wie von einem Hund. Oder einem Wolf.

      Ich setzte mich auf und machte Licht. Das Heulen kam von der anderen Seite der Wand. Offenbar von Sixten.

      Ich stand auf, zog den Bademantel an und ging hinaus in den langen Flur. Niemand anders war zu sehen. Aber Sixtens Klagelied drang durch Mark und Bein.

      Unter Jalils Tür war Licht zu sehen, also huschte ich hin und klopfte an. Sofort erlosch das Licht im Zimmer. Kein weiteres Geräusch war zu hören. Niemand öffnete.

      Ich fluchte. Konnten die alle wirklich so wenig empathisch sein? Was, wenn Sixten da drin lag und starb? Also trat ich vor seine Tür und klopfte dreimal laut an.

      Sie flog auf, und im Rahmen erschien Sixten. Ich hatte ihn schon mal gesehen, aber nicht so. Er war ein breiter, untersetzter Mann um die sechzig, trug ein gelb-schwarzes T-Shirt vom Sportclub AIK, das einen breiten Bereich zwischen Shirtsaum und Schlafanzughose unbedeckt ließ. Außerdem schien ihm eine große Anzahl Zähne zu fehlen. Er grinste breit und blinzelte, während er mit der einen Hand die Tür aufhielt und sich mit der anderen am Bauch kratzte.

      »Na, hallo«, sagte er freudig. »Wie schön! Möchtest du reinkommen?«

      Ich starrte ihn an.

      »Was geht denn hier vor?«, fragte ich. »Es ist zwei Uhr nachts, und Sie heulen hier rum wie ein angeschossener Wolf.«

      Sixten kicherte.

      »Das klingt ja toll!«, sagte er. »Angeschossener Wolf. Das muss ich mir merken!«

      »Äh, hallo?«, sagte ich. »Sie wecken das ganze Haus! Was soll das?«

      Sixten schaute übertrieben in beide Richtungen.

      »Soweit ich sehen kann, ist hier niemand außer dir«, sagte er. »Willst du nicht reinkommen?«

      »Warum schreien Sie so?«, fragte ich.

      Sixten zuckte mit den Schultern und riss die Augen auf.

      »Vietnamveteran?«, fragte er zurück. »Oder aber mir ist einfach ein bisschen langweilig?«

      Wir starrten uns ein paar Augenblicke lang an. Sixten kicherte leise. Dann machte ich auf dem Absatz kehrt und ging zurück zu meinem Zimmer, während Sixten seine Tür wieder zumachte.

      Meine Tür war verschlossen.

      Ich zog kräftig an der Klinke.

      Sie ließ sich nicht öffnen, sie war abgeschlossen. Und als ich das Ohr näher brachte, konnte ich drinnen Stimmen hören.

      Ohne nachzudenken, stapfte ich durch den Flur bis zum Zimmer meiner Vermieterin und klopfte mit Wucht an. Niemand antwortete, aber die Tür ging von selbst auf.

      Siv saß an ihrem Schminktisch vor einem Spiegel, der von warmgelben Glühbirnen eingerahmt war wie in einer altmodischen Theatergarderobe. Sie hatte einen hellrosafarbenen, flauschigen Bademantel an, und als sich unsere Blicke im Spiegel trafen, musste ich unwillkürlich keuchen. Um den Kopf trug sie einen engen Strumpf oder eine Mütze, die dauergewellte Betonfrisur ruhte auf einem Holzstumpf auf einem Beistelltisch.

      Siv hatte eine Perücke.

      »Oh, Verzeihung!«, rief ich und schloss die Tür mit einem Knall.

      Dann blieb ich in der Dunkelheit stehen, unsicher, was ich als Nächstes tun sollte. Schon öffnete sich die Tür wieder, und da stand Siv. Sie sah aus wie immer – mit ihrer dauergewellten Betonfrisur auf dem Kopf.

      »Was wollen Sie?«, fragte sie barsch. »Es ist zwei Uhr nachts, und ich will meine Ruhe.«

      »Ich habe mich ausgesperrt«, sagte ich. »Sixten hat geheult wie ein Verrückter, haben Sie das nicht gehört? Deshalb bin ich rausgegangen. Jetzt ist jemand in meinem Zimmer und hat von innen abgeschlossen.«

      Siv starrte mich an.

      »Was reden Sie denn da für einen Unsinn?«, fragte sie.

      Dann nahm sie einen kleinen Schlüssel von einem Haken und lief durch den Flur bis zu meinem Zimmer. Dort griff sie nach der Klinke, ohne vorher aufzuschließen, und öffnete die Tür weit.

      Sie war nicht verschlossen, das Zimmer leer.

      Siv betrachtete mich eine Weile aus verkniffenen Augen.

      »Nehmen Sie Drogen?«, fragte sie schließlich. »Dann können Sie sich nämlich sofort eine neue Bleibe suchen.«

      »Nein, ich nehme keine Drogen!«, erwiderte ich schockiert. »Ich habe Stimmen gehört, und die Tür war abgeschlossen! Von innen!«

      Siv lächelte, ein freudloses, schmales Lächeln.

      »Aber sie war ja nicht abgeschlossen«, sagte sie in besorgniserregend weichem Tonfall.

      Dann schwebte sie zurück zu ihrem Zimmer und drückte die Tür demonstrativ zu.

      Ich selbst betrat mein Zimmer und schloss hinter mir ab, bevor ich genauestens kontrollierte, ob etwas fehlte oder verstellt worden war. Absolut nichts deutete darauf hin, dass jemand hier gewesen war. Ich meinte, schwach Alkohol riechen zu können, aber das konnte genauso gut Einbildung sein.

      Überzeugt davon, nicht wieder einschlafen zu können, holte ich meine Kulturtasche hervor und fand schnell die kleine Schachtel mit den Tabletten, die mir mein Hausarzt verschrieben hatte.

      »Das ist kein richtiges Schlafmittel«, hatte er gesagt. »Nur etwas, das beim Einschlafen helfen soll. Aber sie machen trotzdem etwas benebelt, nutzen Sie die also nur, wenn Sie wirklich schlafen müssen

      1–2 Tabletten, stand auf der Packung. Ich zögerte. Dann steckte ich mir zwei Tabletten in den Mund und spülte sie mit einem Glas Wasser