Gerhart Hauptmann

Vor Sonnenaufgang


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ergebenst bestätigend). Es ist Schentelmen leicht viel Wein zu trinken.

      LOTH

      (zu Hoffmann). Mir geht es umgekehrt: mich langweilt im Allgemeinen eine Tafel, an der viel getrunken wird.

      HOFFMANN.

      Es muß natürlich mäßig geschehen.

      LOTH.

      Was nennst Du mäßig?

      HOFFMANN.

      Nun, . . . daß man noch immer bei Besinnung bleibt.

      LOTH.

      Aaah! . . . also Du giebst zu: die Besinnung ist im Allgemeinen durch den Alkohol-Genuß sehr gefährdet. – Siehst Du! deshalb sind mir Kneiptafeln – langweilig.

      HOFFMANN.

      Fürchtest Du denn so leicht Deine Besinnung zu verlieren?

      KAHL.

      Iiii . . . . . i . . ich habe n . n . . neulich ene Flasche Rrr . . . r . . rü . . . rüd . . desheimer, ene Flasche Sssssekt get . . t . . trunken. Oben drauf d . . d . . d . . dann nnoch eine [40]Flasche B . . b . . bordeaux, aber besuffen woar ich no n . . nich.

      LOTH

      (zu Hoffmann). Ach nein. Du weißt ja wohl, daß ich es war, der Euch nach Hause brachte, wenn Ihr Euch übernommen hattet. Ich hab’ immer noch die alte Bärennatur: nein, deshalb bin ich nicht so ängstlich.

      HOFFMANN.

      Weshalb denn sonst?

      HELENE.

      Ja, warum trinken Sie denn eigentlich nicht? bitte sagen Sie es doch.

      LOTH

      (zu Hoffmann). Damit Du doch beruhigt bist: ich trinke heut schon deshalb nicht, weil ich mich ehrenwörtlich verpflichtet habe, geistige Getränke zu meiden.

      HOFFMANN.

      Mit anderen Worten, Du bist glücklich bis zum Mäßigkeitsvereinshelden herabgesunken.

      LOTH.

      Ich bin völliger Abstinent.

      HOFFMANN.

      Und auf wie lange, wenn man fragen darf, machst Du diese . . . .

      LOTH.

      Auf Lebenszeit.

      HOFFMANN

      (wirft Gabel und Messer weg und fährt halb vom Stuhle auf). Pf! gerechter Strohsack!! (Er setzt sich wieder.) Offen gesagt, für so kindisch . . . verzeih’ das harte Wort.

      LOTH.

      Du kannst es gerne so benennen.

      HOFFMANN.

      Wie in aller Welt bist Du nur darauf gekommen.

      HELENE.

      Für so etwas müssen Sie einen sehr gewichtigen Grund haben – denke ich mir wenigstens.

      LOTH.

      Der existirt allerdings. Sie, Fräulein! – und Du, Hoffmann! weißt wahrscheinlich nicht, welche furchtbare Rolle der Alkohol in unserem modernen Leben spielt . . . Lies Bunge. wenn Du Dir einen Begriff [41]davon machen willst. – Mir ist noch gerade in Erinnerung, was ein gewisser Everett über die Bedeutung des Alkohols für die Vereinigten Staaten gesagt hat. – Notabene es bezieht sich auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Er meint also: der Alkohol hat direct eine Summe von 3 Milliarden und indirect von 600 Millionen Dollars verschlungen. Er hat 300 000 Menschen getödtet, 100 000 Kinder in die Armenhäuser geschickt, weitere Tausende in die Gefängnisse und Arbeitshäuser getrieben, er hat mindestens 2000 Selbstmorde verursacht. Er hat den Verlust von wenigstens 10 Millionen Dollars durch Brand und gewaltsame Zerstörung verursacht, er hat 20 000 Wittwen und schließlich nicht weniger als 1 Million Waisen geschaffen. Die Wirkung des Alkohols, das ist das Schlimmste, äußert sich so zu sagen bis in’s dritte und vierte Glied. – Hätte ich nun das ehrenwörtliche Versprechen abgelegt, nicht zu heirathen, dann könnte ich schon eher trinken, so aber . . . meine Vorfahren sind alle gesunde, kernige und wie ich weiß, äußerst mäßige Menschen gewesen. Jede Bewegung[,] die ich mache, jede Strapaze, die ich überstehe, jeder Athemzug gleichsam führt mir zu Gemüth, was ich ihnen verdanke. Und dies, siehst Du, ist der Punkt: ich bin absolut fest entschlossen die Erbschaft, die ich gemacht habe, ganz ungeschmälert auf meine Nachkommen zu bringen.

      FRAU KRAUSE.

      Du! – Schwiegersuhn! – inse Bargleute saufen woarhaftig zu viel: Doas muuß woar sein.

      KAHL.

      Die saufen wie d’ Schweine.

      [42]HELENE.

      Ach! so etwas vererbt sich?

      LOTH.

      Es giebt Familien[,] die daran zu Grunde gehen, Trinkerfamilien.

      KAHL

      (halb zu Frau Krause, halb zu Helene). Euer Aaler, dar treibt’s au a wing zu tull.

      HELENE

      (weiß wie ein Tuch im Gesicht, heftig). Ach, schwatzen Sie keinen Unsinn!!!

      FRAU KRAUSE.

      Ne, do hier Enner a su ein patziges Froovulk oa; a su ne Prinzessen. Hängst de wieder a mol de Gnädige raus, wie? – A su fährt se a Zukinftigen oa. (Zu Loth, auf Kahl deutend:) ’s is nämlich d’r Zukinftige, missen Se nahmen, Herr Ducter, ’s is Alles eim Renen.

      HELENE

      (aufspringend). Hör auf! oder . . . hör auf, Mutter! oder . . .

      FRAU KRAUSE.

      Do hiert doch aber werklich . . . . na, do sprecha Se, Herr Ducter, iis das wull Bildung, hä? Weeß Gott, ich hal’ se wie mei egnes Kind, aber die treibt’s reen zu tull.

      HOFFMANN

      (beschwichtigend). Ach, Mama! thu’ mir doch den Gefallen . . . .

      FRAU KRAUSE.

      Neee!! groade – iich sah doas nich ein – a su ane Goans wie die iis . . . . do hiert olle Gerechtigkeet uff . . . . su ane Titte!

      HOFFMANN.

      Mama, ich muß Dich aber wirklich doch jetzt bitten, Dich . . . .

      FRAU KRAUSE

      (immer wüthender). Stats doaß doas Froovulk ei der Wertschoft woas oagreft . . . bewoare ne! Doa zeucht se an Flunsch biis hinger beede Leffel. – Oaber da Schillerich, oaber a Gethemoan, a sune tumme Scheißkarle, die de nischt kinn’n als lieja: vu dan’n läßt [43]se sich a Kupp verdrehn. Urnar zum Kränke krieja iis doas (schweigt bebend vor Wuth). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

      HOFFMANN

      (begütigend). Nun – sie wird ja nun wieder . . . es war ja vielleicht – nicht ganz Recht . . . es (giebt Helenen, die in Erregung abseits getreten ist, einen Wink, auf den hin sich das Mädchen, die Thränen gewaltsam zurückhaltend, wieder auf seinen Platz begiebt).

      HOFFMANN

      (das nunmehr eingetretene peinliche Schweigen unterbrechend, zu Loth). Ja . . . von was sprachen wir doch? . . . Richtig! – vom biederen Alkohol. (Er hebt sein Glas.) Nun, Mama: Frieden! – Komm, stoßen wir an, – seien wir friedlich, – machen wir dem Alkohol Ehre, indem wir friedlich sind. (Frau Krause, wenn auch etwas widerwillig, stößt doch mit ihm an. Hoffmann, zu Helene gewendet.) Was, Helene?! – Dein Glas ist leer? . . . Ei der Tausend, Loth! Du hast Schule gemacht.

      HELENE.

      Ach . . . nein . . . ich . . .

      FRAU SPILLER.

      Mein gnädiges Fräulein, so etwas läßt tief . . . .

      HOFFMANN.

      Aber Du warst doch sonst keine von den Zimperlichen.

      HELENE

      (batzig).