auch.«
»Du glaubst also, dass sie meinen Entwurf nehmen?«
Ibia verzog das Gesicht, eine Miene, die Matthias nicht recht zu deuten wusste. Er aß kaum und trank nicht vom Wein, auf den Ibia ihn immer wieder hinwies. Zu vertieft war er in seine Visionen über den morgigen Tag. Er redete nur noch davon und Ibia, die anfangs miteingestimmt hatte und längst zu Ende gegessen, wurde zusehends stiller, bis sie am Ende schweigend am Tisch saß. Es dauerte eine Weile, bis Matthias ihr Verstummen wahrnahm.
»Was ist, cara mia?«
»Wie wär’s, wenn du für heute mal die Entwürfe vergisst und dich auf was anderes besinnst? Du hast den ganzen Tag Zeit für deine Malereien und Zeichnungen gehabt!«
»Aber Liebes … verstehst du denn nicht? Ich versuche dir die ganze Zeit zu erklären, was das neue Rathaus für uns bedeutet. Wenn morgen der Auftrag in meiner Tasche steckt, haben wir es geschafft! Es bringt uns Geld und Ansehen. Wir können ein eigenes Haus erwerben … in der Frauenvorstadt auf dem Domberg. Das hast du doch schon immer gewollt! Du kannst dir neue Kleider kaufen und Schmuck; sogar Parfüm, wie Antons Frau.«
»Das ist alles sehr schön und ich freue mich für dich wie niemand sonst auf der Welt, aber …«
»Aber was?«
»Hast du keine Augen im Kopf?«
»He, ich bin Maler! Wer sollte besser wahrnehmen als ein Künstler?«
»Dann nimm mal wahr! Was soll ich denn noch anstellen, Stupido?«
Ibia stand auf und verschwand in der Schlafkammer. Matthias hatte verstanden. Er würde seinen ehelichen Pflichten auch fraglos und liebend nachkommen, nur … ein letztes Mal noch die Pläne studieren, es war wirklich zu wichtig … dann würde er zu Ibia … nur noch einmal über die herrlichen Entwürfe schweifen, dann …
Als Matthias endlich in die Schlafkammer kam, saß Ibia aufrecht im Bett, das Federkissen im Rücken, die Arme über der Brust verschränkt, das Haar streng nach hinten gezogen, zu einem Zopf geflochten. Ihr Gesicht wirkte wie aus Stein, der Blick war scharf nach vorne gerichtet. Matthias zog sich aus und schlüpfte zu ihr unters Laken. Er wusste, dass er etwas gutzumachen hatte. Er wusste aber auch, dass Ibias welsches Temperament, derentwegen er sie ja so liebte und sie geheiratet hatte, ihm das in solchen Situationen sehr schwermachen konnte. Wenn Unbill sich in ihr breitmachte, wandelte sie sich zu einer unbestimmbaren Größe: Versuchte er es mit Schmeicheleien, konnte es angehen, dass sie ihn als Lecchino17 beschimpfte; ließ er versöhnende Worte weg und ging ihr sogleich an die Wäsche, setzte es eine Sberla, eine Ohrfeige, und es folgte die vorwurfsvolle Frage, wo er seinen christlichen Anstand gelassen habe. Gott sähe alles, vor allem seine schmutzigen Hände, mit denen er sie überall befingere! Da sie bereits unter dem Laken steckten, für alle Blicke – auch für die schaulustigen des Herrgotts da oben – verborgen, sah Matthias gute Chancen für die wortlose Strategie. Er entschied sich für das bewährte, moderate Hinübergleiten zu ihren Brüsten. Ibia liebte es, wenn er mit dem angefeuchteten Finger über ihre kastanienbraunen Warzenhöfe strich. Das Schlimmste, was diesen durchaus geschickten Einstieg vereiteln mochte, war, dass Ibia ihm mit einem begleitenden »Smettila!«18 die Hand wegschob. Dann brauchte er drei, manchmal vier, schlimmstenfalls fünf Anläufe, bis die anschwellenden Höfe die wegdrängende Hand lähmten und Ibia milde Wonneschauer durchfuhren. Das erste »Smettila!« ertönte schon, die Hand tat das Erwartete. Das beruhigte ihn; bestätigte es doch seine Frau in ihrer Berechenbarkeit, was ihn wiederum in Sicherheit wiegte und zum zweiten Anlauf ermutigte. Und tatsächlich, schon nach dem zweiten »Smettila!« war sie besänftigt und ließ ihn gewähren. Dem feuchten Finger über dem linken Warzenhof folgte der feuchte Finger über dem rechten, folgten zwei feuchte Finger gleichzeitig über beide Höfe, in gleichmäßigen Kreisen, mal rechts mal links herum, gleich- oder gegenläufig. Matthias kreiste variantenreich in Druck und Tempo und flocht in unregelmäßiger Folge ein spielerisches Schnippen der Fingerkuppen gegen die steifgewordenen Nippel ein, was Ibia ihm mit Schluchzen, einem Grätschen der Schenkel und zielsicherem Griff in Matthias aufgewühlte Leisten dankte.
Es nahm seinen Lauf. Allerdings einen ungewollt holprigen. Matthias wusste mit einem Mal nicht, wie ihm geschah, stoßend zwischen Ibias weit geöffneten Schenkeln. Er grunzte wie ein Keiler, schwitzte und stank wie ein ruchloser Gerberknecht. Die Bettlade, ruckelnd und quietschend, holperte synchron mit jedem seiner Stöße gegen die Wand. Ibia keuchte. Ihr Dutt hatte sich gelöst, das schweißnasse Haar klebte ihr wie ein Kokon im Gesicht. Matthias fühlte sich mit jedem Stoß, den er seiner Frau versetzte, seltsamer. Er war wohl in ihr, doch nicht bei ihr und auch nicht bei sich. Er war weg …
Nicht das Festkrallen ihrer Fingernägel in seinem Rücken ließ ihn aufschreien und den Akt mit einem Aufschrei zum Höhepunkt kommen, sondern ein Wort, ein einziges Wort machte alles zunichte.
»Loggia!«, schrie Matthias wie im Wahn und mit diesem Ausruf endete abrupt der Akt.
»Du Scheusal!«
Ibia versetzte ihm eine Sberla. Ein roter Abdruck blieb. Matthias holte aus und wollte parieren, doch er zog entsetzt die Hand zurück. Ibia strampelte ihn von sich weg, wandte sich ab und heulte. Matthias war fassungslos.
Die halbe Nacht hatte Matthias zugebracht, um die Wogen zu glätten. Selten hatte er sich so um die Gunst seiner Frau bemüht. Er wusste, er hätte sich ganz anders aus der Affäre ziehen können, ihr mit drei, vier rauen Sätzen Bescheid stoßen, ihr Vorwürfe machen über ihr Unverständnis und fahrlässiges Verkennen der Situation, dann sich anziehen und ins Wirtshaus gehen, im ›Prinz von Oranien‹ bekäme er auch noch spät nachts ein Bier. Doch das wollte er nicht. Hier hatte er gefehlt, hatte er der Frau, die er liebte, Unrecht getan. Einzig an ihm war es, das wieder ins Lot zu bringen.
Sie lagen nebeneinander im Bett. Einen erneuten Liebesversuch unterließen sie, doch hielten sie einander die Hand.
»Wieso kommst du eigentlich auf den verrückten Gedanken, die wollten deine Loggia bauen?«
»Bitte?«
»Sie haben sie damals alle abgelehnt. Du hast mir die Gründe lang und breit erklärt. Erst hast du gewettert und alle im Rat als nichts wissende Stronzi bezeichnet. Dann hast du es nach und nach eingesehen. Elias war’s doch, der dich überzeugt hat, dass die ganze Sache ein Luftschloss war!« Ibia machte eine kurze Pause. »Was ist jetzt eigentlich mit seinem Weib? Geht’s Rosina wieder gut?«
»Mein Entwurf ist vor vier Jahren abgelehnt worden. Und auch nicht ›von allen‹. Elias hat seitdem einen Kunstbau nach dem anderen hochgezogen. Der Rat trachtet die ganze Stadt zu veredeln. Augsburg soll die Prachtstadt im Reich werden. Was meinst du, Ibia, wieso sie die Metzg verlegt haben? Stinkendes Fleisch macht sich in heißen Sommern nicht gut, wenn die feinen Leut vor dem Augustusbrunnen flanieren. Dort, wo Elias jetzt den Neuen Bau errichtet, hätte ursprünglich die Loggia hinsollen. Das geht jetzt nicht mehr, darum kommt das alte Rathaus weg und meine Loggia dort hin. So einfach ist das.«
»Das glaube ich nicht. Die Abfuhr kam nicht nur wegen des Platzes. Die Loggia war denen viel zu venezianisch und das Geld in der Stadtkasse ist in den letzten Jahren nicht mehr, sondern weniger geworden. Das hat Garb mir erzählt.«
»Was soll ich dann morgen da auf der Sitzung? Wenn alles beim Alten bliebe, brauchte ich nicht hinzugehen. Dann bekäme ich meine Aufträge nach wie vor vom Baumeisteramt über Elias.«
»Was du da sollst? Überleg doch mal selbst. Deine Stärke sind nach wie vor die Fresken. Die paar Fassadenentwürfe, die du gemacht hast … Die waren ja eh nie ganz allein von dir. Entweder hat Heintz dir die Vorlagen gegeben oder Elias.«
»Das heißt was?«
»Sie wollen, dass du das neue Rathaus mit Fresken bemalst. Die Malerei am jetzigen Rathaus ist ja nicht üppig. Der Rat will etwas ganz Besonderes, so wie du es beim Weberhaus gemacht hast, bloß noch mehr, richtig grandios. Du bist der Maler, der das kann!«
Matthias